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Terror in Paris Die Anschläge verändern nicht alles

Nichts ist nach den Attentaten, wie es vorher war, heißt es. Wer so redet, will die Anschläge für seine politische Agenda missbrauchen oder Hilflosigkeit kaschieren. Für die Politik sollen die Anschläge nichts ändern, schon gar nicht alles.

Der Anschlag von Paris ändere alles, sagte der bayerische Finanzminister Markus Söder. Recht hat er, wenn es um die Hinterbliebenen der Ermordeten geht, um die Verletzten und Traumatisierten. Für sie hat der 13. November wirklich alles verändert.

Aber Söder sprach ja nicht von den Angehörigen der Toten, nicht von denen, die noch im Krankenhaus liegen oder die nachts nicht schlafen können, weil sie Dinge erlebt haben, die niemand erleben sollte. Er meinte die Debatte um die Flüchtlingspolitik. Und er ist nicht der einzige, der glaubt, dass Paris alles ändert. Der französische Präsident François Hollande sieht sein Land im Krieg mit einer terroristischen Armee. Auch Bundespräsident Joachim Gauck spricht von Krieg.

Ist jetzt wirklich alles anders? Die schreckliche Anschlagsserie von Paris war nicht das erste islamistische Attentat in Europa, nicht einmal das erste in Paris in diesem Jahr. Die Anschläge rings um die Ermordung der "Charlie Hebdo"-Mitarbeiter sind erst wenige Monate her, der Absturz der russischen Passagiermaschine, von dem mittlerweile als wahrscheinlich gilt, dass es ein Anschlag war, liegt noch nicht einmal drei Wochen zurück. Daneben gab es Attentate, Morde und Massaker des Islamischen Staats in Syrien und im Irak, aber auch in anderen arabischen Staaten, die hierzulande weit weniger Aufmerksamkeit gefunden haben, wie etwa der Anschlag in Beirut am vergangenen Donnerstag, bei dem mehr als 40 Menschen starben.

Paris ist aus deutscher Sicht nicht weit weg, geographisch nicht und vom Lebensstil auch nicht. Dass ein so blutiger Anschlag in Deutschland Mitgefühl auslöst, ist eine Selbstverständlichkeit. Doch dieses Mitgefühl sollte nicht dazu führen, jedes Maß zu verlieren. Mitgefühl drückt man nicht durch sprachliche Eskalation aus. Nicht der ist am mitfühlendsten, der am häufigsten von Krieg spricht und am heftigsten Rache schwört.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Frankreich das Mitgefühl dieses Landes ausgesprochen, aber sie hat darauf verzichtet, von bedingungsloser Solidarität zu reden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat angemahnt, man solle nun keinen Bogen schlagen zwischen den Flüchtlingen und den Anschlägen. Beides war richtig.

Für die Politik, die deutsche, die europäische und die internationale, sollten die Anschläge von Paris nichts ändern, schon gar nicht alles. Vor und nach Paris ist der islamistische Terror eine Bedrohung, die niemand unterschätzen sollte – nicht nur für "uns", sondern für sehr viele Menschen, für Araber, Russen, Amerikaner, Europäer, vor allem für die Menschen in Syrien und im Irak. Die Frage, wie angemessen mit dieser Bedrohung umzugehen ist, war vor Paris nicht weniger schwierig. Luftangriffe? Bodentruppen? Diplomatische Initiativen, mit oder gegen das Assad-Regime, das aus Sicht vieler Flüchtlinge sogar noch gefährlicher ist als der IS? Wie kann Deutschland sich schützen? Grenzen dicht? Mehr Kontrollen? Und was bedeutet es, dass solche Anschläge von Männern verübt werden, die hier, im Westen, aufgewachsen sind?

Es ist legitim, dass diese Fragen jetzt drängender gestellt werden, unter dem Eindruck der vielen Toten von Paris. Neu sind sie indes nicht. Wer dennoch so tut, will nicht Sicherheit, sondern Eskalation.

Quelle: ntv.de

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