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Scholz im Triell wie Merkel Die rote Angela ist nicht unbesiegbar

Scholz bringt mit präsidialer Ruhe den Punktsieg im Triell nach Hause.

Scholz bringt mit präsidialer Ruhe den Punktsieg im Triell nach Hause.

(Foto: dpa)

SPD-Kanzlerkandidat Scholz besteht im TV-Triell so, wie es Amtsinhaberin Merkel wohl auch gemacht hätte: Keine Angriffsfläche bieten, ruhig bleiben - aber auch bloß keinen Esprit der Veränderung versprühen. Bisher geht die Taktik wunderbar auf. Doch in diesem Wahlkampf ist noch alles drin.

Um es vorwegzunehmen: Angela Merkel war beim großen RTL/ntv-Triell nicht dabei. Gewonnen hat sie es trotzdem, allerdings in Gestalt von Olaf Scholz. Dass der für die SPD antritt, die ein ziemlich linkslastiges Wahlprogramm aufgeschrieben hat, stört dieses Schauspiel bislang nicht.

Im Gegenteil: Am Tag nach dem großen RTL-Triell schält sich eine Erkenntnis immer deutlicher heraus: Olaf Scholz' Plan geht langsam, aber sicher auf. Seinen Zug ins Kanzleramt noch zum Entgleisen zu bringen, ist zwar keineswegs unmöglich. Aber es wird mit jedem Tag schwerer.

Scholz' Plan ist denkbar einfach, simpel geradezu: Da die Deutschen das Anständige, Ruhige und ziemlich Präsidiale an Angela Merkel sehr schätzen, kopiert er genau das: das Anständige, Ruhige und Präsidiale. Diese Haltung liegt seiner (politischen) Person weitaus näher als das in vielen wichtigen Bausteinen sehr links orientierte Wahlprogramm seiner Partei. Weil das so ist, war er im Triell mehr "bei sich" als die Konkurrenz von CDU/CSU und Grünen. Dass er blass blieb, hat er in Kauf genommen. Dass er keinen Satz gesagt hat, der in Erinnerung bleibt, auch. Trotzdem lag der Vizekanzler und SPD-Spitzenkandidat in allen Kategorien der Forsa-Nachumfrage vorn, in den weichen ("sympathisch") wie in den harten ("kompetent", "kann das Land führen").

Woraus folgt: Wer diese Wahl gewinnen will, muss Angela Merkel attackieren - vor allem die Angela Merkel, die Olaf Scholz auf die Bühne bringt. Damit ist freilich das große Problem von Armin Laschet beschrieben: Er müsste sich gegen seine eigene Kanzlerin stellen, gegen das Bräsige und Tatenlahme, das sie in letzter Zeit an den Tag legt. Doch das ist schwer, denn zum einen ist Merkel bei den Leuten weiterhin hochbeliebt und zum anderen führt ein CDU/Laschet-Wahlkampf gegen die CDU-Kanzlerin (und 16 Jahre CDU-Regentschaft) wirklich aufs Glatteis.

Veränderung nur, wenn es sich nicht so anfühlt

Gegen die Scholz'sche Präsidialruhe anzulaufen, fiel aber auch der Grünen Annalena Baerbock schwer. Scholz bot wenig - also bot er auch wenig Angriffsfläche. Baerbock und Laschet attackierten und beide hatten dabei sehr starke Momente. Aber Scholz zeigte keine sichtbare Wirkung, Fehlanzeige. Baerbock präsentierte sich als der Aufbruch in Person und auch sie hatte überzeugende Momente, gerade am Ende des Triells. Aber Olaf Scholz ist so nicht zu packen, weil er in den Wettstreit um den Glaubwürdigsten gar nicht erst einsteigt. Wo kein Rennen, da kein Sieger und kein Verlierer. Angela Merkel hätte es ganz genauso gemacht.

Trotzdem ist offen, ob dieser Weg wirklich bis zum Wahlsieg in vier Wochen führt. In vielen einzelnen Punkten nämlich, vom löchrigen Handynetz bis zu maroden Schulen, steht der Name Merkel für Stillstand und Reformunwilligkeit, die alle nerven, und zwar quer durch die Bevölkerungsgruppen. Das ist ein seltsames Gemisch, aber vielleicht kann man die Stimmung vieler Wähler so zusammenfassen: Vieles soll besser werden, aber es soll sich nicht viel ändern und kosten soll es bitteschön auch nichts. Oder: "Wasch mich, aber mach mich nicht nass!"

In einer derart unklaren, widersprüchlichen Stimmungslage kann keine Partei sicher sein, dass die aktuellen Umfragen abbilden, wie die Bundestagswahl in vier Wochen tatsächlich ausgeht. Olaf Scholz mag in Führung liegen, aber er bietet Armin Laschet und Annalena Baerbock Grund und Gelegenheit genug, weiter anzugreifen. Auch Angela Merkel ist nicht unbesiegbar.

Quelle: ntv.de

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