Person der Woche

Person der Woche Wer würde Merkels Nachfolger werden?

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Sollte die Kanzlerin stürzen oder in wenigen Monaten zermürbt aufgeben müssen, dann hat die Union vier Optionen.

(Foto: picture alliance / Bernd von Jut)

In der CDU wird offen über die Nachfolge von Angela Merkel verhandelt. Was passierte, wenn sie zum Rücktritt gezwungen würde? Ein Machtkampf zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn stünde bevor, es sei denn ...

Wer Angela Merkels Machtverfall erleben will, kann entweder den Absturz in Umfragewerten verfolgen, ihre Isolation bei EU-Gipfeln bestaunen, die immer respektloseren Attacken aus Bayern ertragen oder die steigende Zahl von Endzeit-Kommentaren in Medien lesen. Es reicht aber auch ein lauschendes Ohr in der Unionsfraktion. Denn dort wird inzwischen so offen über ihre Nachfolge diskutiert, als sei ihr Abgang ausgemachte Sache wie der von Jupp Heynckes beim FC Bayern. Sie hat damit ein auratisches Moment ihrer Macht bereits verloren - die gefühlte Alternativlosigkeit. Sollte die Kanzlerin im Gefolge der Regierungskrise stürzen oder in wenigen Monaten zermürbt aufgeben müssen, dann hat die Union vier Optionen.

Operation Übergangskanzler: Im Falle eines überstürzten, dramatischen Kanzlerinnensturzes hätte Wolfgang Schäuble gute Chancen, als Übergangskanzler einzuspringen. Schäuble ist als lebende Legende der Union und Bundestagspräsident mit hoher Autorität versehen. Er könnte als respektierter Grandseigneur der deutschen Politik auch von der SPD als ein Übergangskanzler akzeptiert werden. Er wäre in beiden Lagern der Union - den Konservativen wie den Merkelianern - vermittelbar. Schäuble strahlt im weiträumigen politisch-korrekten Opportunismus eine selten knorrige Eigenwilligkeit aus. Er verkörpert eine preußische Staatsauffassung von ausgeglichenen Haushalten, Recht, Ordnung und geschützten Grenzen. Da er sich dennoch in diesen Tagen der immer heftigeren Attacken aus Bayern schützend vor die Kanzlerin stellt und die Fahne Europa hisst, obwohl jeder weiß, dass er die Migrationspolitik der Kanzlerin zutiefst missbilligt, macht er sich nach beiden Seiten hin anschlussfähig. Mit seinen unglaublichen 45 Jahren Parlamentsmitgliedschaft ist er der dienstälteste Abgeordnete in der Geschichte des Bundestags - und damit für viele der Jüngeren keine perspektivische Konkurrenz, auch das würde im Ernstfall für ihn sprechen.

Aktion Annegret: Angela Merkel selbst würde freilich versuchen, ihre Nachfolge anders zu regeln. Sie setzt auf Annegret Kramp-Karrenbauer. Unionsintern gerne "AKK" gerufen, genießt die CDU-Generalsekretärin hohe Sympathiewerte in Partei und Bevölkerung. Viele rühmen ihre uneitle, integre, ausgleichende Art. Kramp-Karrenbauer hat zudem etwas, was die anderen Merkel-Nachfolgekandidaten der CDU nicht haben - wichtige Wahlen gewonnen. Sie war es, die den Schulz-Zug, der im Saarland-Wahlkampf noch rot-rot-grün voran rauschte, zum Entgleisen brachte und letztlich Angela Merkel die Kanzlerschaft rettete. Aus Annegret wurde "Annegreat". Obendrein verzichtete sie auf ihr sicheres Ministerpräsidentenamt, um in das riskante, schlecht bezahlte Generalsekretariat nach Berlin zu wechseln. Allerdings hat Kramp-Karrenbauer den Nachteil, dass sie für manche als zu merkelnah gilt, obendrein sozialpolitisch profiliert und also eher auf dem linken Flügel der CDU verortet ist. Ihr offener Brief an alle CDU-Mitglieder, jetzt die CSU auszubremsen, hat manchen in der Union befremdet. Denn in der Union wächst allenthalben der Wunsch nach grundlegender Erneuerung. AKK wird im Moment der Kandidatenkür das Wertkonservative, Islamismuskritische, Familienbetonte der westdeutschen Katholikin herauskehren müssen, um den rechten Flügel der Partei noch zu erreichen.

Spektakel Spahn: In jedem Fall bahnt sich eine Rivalität zwischen Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn an. Wo sie den liberalen Flügel verkörpert, steht er für die konservative Erneuerung. Der Bundesgesundheitsminister ist zur Symbolfigur der Merkel-Kritik in der Union geworden. Er hat die Fehler von Merkels Migrationspolitik früh und laut gebrandmarkt, ja sogar ein ganzes Buch gegen das "Staatsversagen" veröffentlicht. Er hat die Macht der Kanzlerin mehrfach infrage gestellt und auf zwei Parteitagen (2014 mit der Kampfkandidatur gegen Merkels Wunschmann Hermann Gröhe und 2016 mit dem Doppelpass-Aufstand) Angela Merkel sogar in einer offenen Feldschlacht besiegt. Er bekäme von den Jungen und dem Wirtschaftsflügel Rückendeckung, aber auch von der CSU sowie von Wolfgang Schäuble, seinem politischen Mentor.

Kompromiss Klöckner: Sollte der Machtkampf zwischen AKK und Spahn die beiden Lager unversöhnlich aufeinander prallen lassen, bekäme die Dritte im Poker um die Macht der Zukunft ihre Chance. Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Julia Klöckner ist medienpräsente Sympathieträgerin der Union und bereits seit 2012 CDU-Stellvertreterin Merkels. Anders als Spahn und AKK hat sie in ihrem Verhältnis zur Kanzlerin die Halbdistanz gewählt. Wo manche in der CDU Annegret Kramp-Karrenbauer als zu merkelnah ansehen, andere Jens Spahn als zu merkelkritisch wahrnehmen, verkörpert Klöckner die konziliante Mitte zwischen beiden. Klöckner hält sich im Machtkampf zwischen CDU und CSU auffallend zurück. Als geländegängige Generalistin gelingt es ihr geschickt, die Balance zu halten zwischen der entschiedenen Burka-Verbieterin und der offenherzigen Pfälzerin, zwischen merkeliger Weltoffenheit und seehoferiger Werteverteidigung.

Fazit: Je eher, desto Schäuble. Je geordneter, desto Kramp-Karrenbauer. Je erneuerungslustiger, desto Spahn. Je blockierter, desto Klöckner.

Quelle: ntv.de

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