Wieduwilts Woche

Thank you, Elon! Jetzt habe ich keine Angst mehr vor Alice Weidel

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Davor hat die Welt gezittert? Das "Gespräch" zwischen dem Milliardär und der AfD-Chefin war ein Festival der Langeweile. Nicht nur die Kanzlerkandidatin verliert.

Wann hat Deutschland das letzte Mal so vor einem Medienereignis gezittert? Am Donnerstagabend versammelten sich AfD-Fans, Medienleute und Menschen mit morbider Grusellust vor den Empfangsgeräten und lauschten dem Trump-Berater Elon Musk und der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel beim Gespräch auf X ("Space").

Das Ergebnis war ernüchternd. Als Erste realisierte das meine Katze: Ihr Zimmer ist das Esszimmer, doch als die holprigen Sätze von Musk und Weidel aus dem Macbook tönen, erhebt sie sich, wirft mir einen unwirschen Blick zu - und geht. Das ist durchaus ein politisches Statement: Meine Katze kommt aus der Ukraine und weiß, dass sie von diesem Talk auch geopolitisch nichts Gutes zu erwarten hatte.

Tatsächlich war es inhaltlich in weiten Teilen eine krude Unterhaltung. Adolf Hitler sei ein Linker, ja ein Kommunist gewesen, fantasierte Weidel auf dem Höhepunkt. Es war ein holpriges, stockendes Fremdschäm-Event - aber aufschlussreich.

Verliererin Nummer 1: Alice Weidel

Die AfD-Chefin machte eine durchweg traurige Figur, und das hat neben vielen Gründen vor allem diesen: Sie wusste offenbar nicht, wer sie in diesem Format sein wollte. Das ist der größte Fehler, der bei einem öffentlichen Auftritt passieren kann. Sie hätte diverse Rollen einnehmen können und müssen - aber sie blieb in weiten Teilen stockendes, schmeichelndes Fangirl.

Dabei hatte sie eine große Chance: Sie hätte sich als deutscher Brückenkopf der globalen rechtsextremen Bewegung präsentieren können. Sie führt immerhin die zweitstärkste Partei des Landes an, sie ist international bewandert, sie ist die Hoffnung für Musk und letzte Rettung, so jedenfalls Musk, für das deutsche Volk.

Aber sie war den Themen, dem Tempo, dem Format und Elon Musk zu keinem Zeitpunkt gewachsen. Mehrfach tritt Stille ein, wenn Musk einen Satz beendet. Ihre Beiträge zu dessen Ausführungen beschränken sich oft auf ein ehrfürchtig gehauchtes "yes, yes". Zu einem wirklich enorm unangenehmen Zeitpunkt beginnt Musk sogar offenbar, sie nachzuäffen: "Yes, yes, yes", höhnt er da. Es ist unverschämt und peinlich.

Israel? Kompliziert!

Dabei versuchte Musk zwischendurch hörbar Brücken zu bauen, fragte sie schließlich, wie sie denn zu Israel stünde. Wüsste Weidel, wer sie gerade ist, wäre ihre Antwort einfach: "Wir stehen fest an der Seite Israels, aber die Linken haben die deutsche Verantwortung für jüdisches Leben verraten, indem sie die ganzen Araber ins Land lassen" und so weiter.

Was sagt aber Weidel? Es sei ganz schön "kompliziert". Das ist die Antwort, die man von einem deutschen Passanten erwartet, der sich nie mit Israel beschäftigt hat und in der Mainzer Fußgängerzone ein Mikrofon ins Gesicht gehalten bekommt. Es ist nicht die Antwort einer Kanzlerkandidatin.

Wer vorbereitet in ein solches Medienevent geht, kümmert sich um den Gesprächspartner. Weidel reagiert aber praktisch auf nichts inhaltlich. Immerhin: Aus dem Nichts fragt sie Musk, ob der an Gott glaube. Schwierige Frage, wenn man sich mit Musk beschäftigt hat. Musk antwortet mäandernd, vielleicht denkt er an die Evangelikalen, die es zu Hause nicht zu verprellen gilt. Als er popkulturell in eine Referenz an Douglas Adams' "Per Anhalter durch die Galaxis" abdriftet, hätte sie leicht Interesse an seiner Person heucheln können. "Oh I love it!" "Douglas Adams knows best!" Man muss aber wohl vermuten, dass sie das Buch gar nicht kennt.

Musk respektiert starke Stiefellecker, nicht schwache

Keine Frage: Weidel wollte gefallen und sorgte sich mehr darum, dass ihr das misslingt, als um ihre strategischen Kommunikationsziele. Doch mit ihrer Servilität beging sie einen doppelten Fehler: Denn Musk ist in der AfD keineswegs nur Ikone, genügend ihrer Wählerinnen und Wähler gerade in Ostdeutschland sehen den Tesla-Chef kritisch. Da hätte ein bisschen mehr Selbstbewusstsein schon intern nicht geschadet.

Der zweite Fehler: Musk, Trump und Konsorten lieben es zwar, wenn man ihnen die Stiefel leckt - aber sie verachten Schwäche. Wer keine Impulse mitbringt, nicht wirkt wie ein Rockstar der Rechtsextremen, sondern wie ein Groupie, das sich in den Backstage-Bereich verlaufen hat, bekommt auch keine Punkte.

Dabei kann Weidel gut reden, eigentlich. Sie beherrscht das Spiel der Gesten, Pausen, des Stimmeinsatzes. Nichts davon blieb jedoch übrig im Gespräch mit dem Mann aus Amerika. Sie war von den Entertainment-Anforderungen eines freien "Talks" überfordert. Als Musk sie zum Einstieg bittet, die AfD zu erklären, beginnt sie verstockt-treudeutsch mit einem Vortrag über die Entstehungsgeschichte der Partei, als ginge es um ein Mittelstufenreferat.

Keine Vorbereitung, kein Geist, keine Kompetenz

Charisma geht anders. Es hätte gefährlich werden können: "Wir sind die einzige Hoffnung für Deutschland!" hätte sie sagen können. Hat sie aber nicht. "Wir sind die MAGA-Bewegung Deutschlands!" hätte sie sagen können. Hat sie aber nicht. "Wir sind das Gegengift für den Woke-Wahnsinn!" hätte sie sagen können. Hat sie aber nicht.

War sie nicht vorbereitet? Normalerweise schreibt man sich ein paar kurze, griffige Sätze auf, die man bei solch einer Gelegenheit loswerden will. Man überlegt sich, wie man wirken will. Man stellt sich auf das Gegenüber ein. Weidel wirkte dagegen, als hätte Musk sie bei einem dieser Telefonstreiche überrumpelt, die vor zig Jahren mal im Radio üblich waren.

Ich habe keine Angst mehr vor ihr. Und frage mich, ob das nun zum Umdenken führt. Immerhin haben angeblich 150 EU-Beamte das Gespräch überwacht, um vielleicht doch noch das nutzlose, hyperkomplizierte und hochexperimentelle Digitale-Dienste-Gesetz gegen Musk und X in Stellung zu bringen.

Kann man das nicht verbieten?

Aktivisten wie Lobbycontrol meinten im Vorwege, Musk leiste eine Parteispende an Weidel, so müsste man die AfD doch wenigstens zu horrenden Nachzahlungen verdonnern können. Heute frage ich mich, ob das Gespräch nicht eher eine Parteispende an die "Altparteien" war.

Es gibt noch eine zweite große Verliererin dieses Abends: die FDP. Sie hätte in der staatsverliebten Einschreit-Hysterie der EU und weiter Teile deutsche Kommentatoren für die Freiheit streiten müssen: "Lasst sie reden!", hätte die Partei der Freiheit sagen müssen, das nämlich ist das Wesen der Demokratie.

Doch die FDP konnte nicht. Sie hat sich in ihrer peinlichen Musk-Anbiederung verheddert, ihr Vorsitzender schleimte erst und distanzierte sich später, aus dem sozialliberalen Flügel erschollen schließlich Warnungen: Haltet Abstand! Also scheuten die Freien Demokraten davor zurück, das Richtige zu fordern.

"Thank you!"

Dabei zeigt sich: Keine EU und keine Rufe nach Verboten haben die Schneidigkeit der Alice Weidel und ihrer AfD so schön ausgebremst wie dieses Gesprächsangebot von Elon Musk.

Da kann man ruhig mal sagen: "Thank you, Elon!"

Quelle: ntv.de

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