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"Das ist Rafas Moment" Alexander Zverev zeigt gegen den König Klasse und Größe

Alexander Zverev und Rafael Nadal lieferten sich ein würdiges Match.

Alexander Zverev und Rafael Nadal lieferten sich ein würdiges Match.

(Foto: IMAGO/Shutterstock)

Es ist eine undankbare Aufgabe, die Alexander Zverev grandios löst: Bei den French Open muss der Tennisprofi zum Auftakt gegen Rafael Nadal ran, den König von Roland Garros. Zverev ist gnadenlos und zeigt Größe.

15.000 Zuschauer standen im gewaltigen Stadion Philippe-Chatrier um den mythischen Court herum, auf dem Alexander Zverev nach einer verschlagenen Vorhand seines Gegners zum Netz schlich. Der deutsche Tennisprofi hatte eine große Leistung abgeliefert, mit einem 6:3, 7:6, 6:3 den Sandplatz-König Rafael Nadal geschlagen. Doch Zverev wirkte in diesem Moment wie die bemitleidenswerteste Gestalt von Roland Garros. Mehr als ein kurzes, nur ganz leicht angedeutetes Lächeln gestattete sich der 27-Jährige nicht. Danach applaudierte der Weltranglistenvierte lange dem geschlagenen Spanier. Auf sichtbaren Jubel verzichtete er.

"Das ist heute nicht mein Moment, das ist Rafas Moment", sprach Zverev im obligatorischen, von ihm kurz gehaltenen Siegerinterview. Danach wurde zu aller Zufriedenheit das Protokoll gebrochen und auch der Verlierer, der König von Roland Garros, kam zu Wort. "Für mich ist es so besonders, die Liebe der Menschen an dem Ort zu spüren, den ich am meisten liebe", sagte Nadal unter dem Jubel der Menschen. "Ich muss Sascha zu diesem großartigen Match gratulieren."

Es war ein gutes Match, teilweise hochklassig. Nadal, der seinen in zwei Jahrzehnten Weltklassetennis schwer zerschundenen Körper dieses Jahr erst durch elf Matches gezwungen hatte, lieferte in den besten Momenten eine Ahnung, welche Klasse noch in ihm steckt. Mehrmals riss der 37-Jährige die Zuschauer von den Sitzen, im zweiten Satz war er lange auf dem Weg zum Ausgleich. Doch es reichte nicht.

Weil Zverev immer noch etwas zuzusetzen hatte und Nadal eben nicht mehr die Tennismaschine ist, die unglaubliche 14 Mal zum Titel in Roland Garros pflügte. So war es am Ende eine klare Angelegenheit für Zverev. Nach dem Schweden Robin Söderling und dem Rekord-Grand-Slam-Sieger Novak Djokovic ist Zverev erst der dritte Mensch, der Sandplatz-König Nadal in Roland Garros schlagen konnte. Es war erwartbar, auch wenn es sich beinahe alle anders erhofft und manche auch herbeigeredet hatten.

"Speziellstes Match"

Nadal hatte ja allen - und vor allem seinem Gegner - schon vor dem Match ein großes Geschenk gemacht: Nein, er könne nicht definitiv sagen, dass er seine letzten French Open spielt. Die "Wahrscheinlichkeit ist groß", aber eine Hintertür ist weiterhin offen. Das Definitive, diese erdrückende Gewissheit, dass die größte Liebesgeschichte des Tennis ein bitteres Ende gefunden hat, hat Nadal Zverev, sich und den Tennisfans noch erspart. Auch hinterher sagte er nur: "Wenn es das letzte Mal war, habe ich es genossen."

Nadals Kronprinz Carlos Alcaraz saß im Publikum, der ewige Rivale Novak Djokovic auch. Allen ist klar, dass Nadals Hintertür nicht einmal eine Saitendicke weit geöffnet ist. Dass der spanische Großmeister 2025 wirklich noch einmal zu den French Open zurückkehrt, ist doch unwahrscheinlich. Und trotzdem sei der Erstrunden-Showdown gegen den spanischen Sandplatzkönig definitiv eines der "speziellsten Matches" seiner Karriere gewesen, sagte Zverev, "sowohl was die Atmosphäre als auch den Anlass betrifft".

Gegen Nadal präsentierte sich Zverev, der sich in den ersten Runden von Grand-Slam-Turnieren schon allzu oft schwertat, ins Turnier zu kommen, um sich dann zu steigern, vom ersten Ballwechsel in starker Form. Scheinbar unbeeindruckt von den Umständen diktierte er das Match die meiste Zeit mit Spin auf der Vorhand und krachenden Rückhänden, dazu half ihm eine starke Aufschlagquote.

"Ein neues Turnier fängt an"

Nun, da dieses wohl schwerste Erstrundenmatch seiner Karriere überstanden ist, stellt der Hamburger alles auf null: "Ich habe mich auf das Match vorbereitet, als wenn es ein Finale wäre. Jetzt habe ich das Gefühl, ein neues Turnier fängt an", sagte Zverev später: "Ich weiß, dass noch viele großartige Spieler auf mich warten und darauf muss ich mich konzentrieren." In der zweiten Runde trifft Zverev auf den Sieger des Duells am heutigen Dienstag zwischen dem Belgier David Goffin und Giovanni Mpetshi Perricard aus Frankreich. "Ich finde, dass ich mich heute mal ein bisschen loben und sagen kann, dass ich gut gespielt habe", sagte der Deutsche.

Zverev darf sich eine Menge ausrechnen bei diesem Turnier, das ihm schon viel gegeben und beinahe noch mehr genommen hat: Zweimal stand er schon im Halbfinale von Roland Garros, einmal, 2022, endete der Lauf des Deutschen tragisch: Im Match gegen Nadal, das das größte in der langen Geschichte des Turniers hätte werden können, riss sich der Deutsche auf dem Höhepunkt seines Könnens tief in einer Ecke des Philippe-Chatrier mehrere Bänder im völlig aus der Form geratenen rechten Knöchel.

"2022 hattest du einen superharten Moment hier", sprach Nadal in seiner Rede direkt zu seinem Gegner, mit ihm das Schicksal noch einmal an einem für beide schicksalhaften Ort zusammengeführt hatte. "Du verdienst viel mehr. Ich wünsche dir das Allerbeste für den Rest des Turniers." Es war eine Ermächtigung von ganz oben. Zverev gestattete sich noch einmal ein Lächeln. Ein kleines, verstecktes.

Quelle: ntv.de

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