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Darnolds Wandel bei den Vikings Das gescheiterte Top-Talent verblüfft plötzlich die NFL

Sam Darnold hat einen starken Lauf bei den Vikings.

Sam Darnold hat einen starken Lauf bei den Vikings.

(Foto: IMAGO/USA TODAY Network)

Sam Darnold sollte einst die New York Jets hinausführen aus der Dauerkrise. Doch der Quarterback scheiterte dort ebenso, wie anschließend bei den Carolina Panthers. Nach einem Jahr auf der Bank in San Francisco spielt er nun bei den Minnesota Vikings - und das bislang herausragend.

Die Anspannung war spürbar am Sonntag bei den Minnesota Vikings. Nervöse und fragende Blicke, Ungewissheit waren im U.S. Bank Stadium von Minneapolis zu vernehmen, als Quarterback Sam Darnold im dritten Viertel des Heimspiels gegen die Houston Texans von Gäste-Verteidiger Danielle Hunter auf Höhe der eigenen 30-Yards-Linie umgerannt wurde.

Darnold hatte was am linken Knie, das war für alle sofort sichtbar. Er humpelte Richtung Vikings-Bank, verpasste zwei Offensiv-Aktionen, konnte die Partie anschließend jedoch zu Ende spielen. Doch was heißt das schon, wenn Adrenalin und Endorphine im Rausch des dritten Sieges im dritten Saisonspiel für kurze Zeit den Schmerz im Knie womöglich nur betäuben? Minnesota hatte die hoch eingeschätzten Gäste beim klaren 34:7-Erfolg dominiert, sie regelrecht überrannt und Darnold das Quarterback-Duell gegen C.J. Stroud gewonnen. Er hatte vier Touchdowns geworfen, seine Bilanz nach drei Partien somit auf acht Touchdowns ausgebaut - Ligabestwert. Wer wäre da nicht berauscht vor Glück?

Drei Siege mit jeweils mehreren Touchdowns

Dennoch blieben Fragezeichen. Wie schwer ist die Verletzung wirklich? Droht Darnold womöglich länger auszufallen? Er, der doch einer der Hauptgründe für den sensationellen 3:0-Saisonstart der Vikings ist. Der als erster Starting Quarterback der Franchise-Geschichte drei Spiele zum Auftakt gewonnen und in jeder Partie gleich mehrere Touchdowns erzielt hatte. Eine Kernspintomografie am Montag sollte Antworten geben - und sorgte schließlich für Entwarnung. Darnold hatte sich eine Knochenprellung zugezogen, aber die Bänder sind unbeschädigt. Sein Einsatz am Sonntag im Spiel bei Divisions-Rivale Green Bay Packers scheint nicht in Gefahr zu sein. Trainer Kevin O'Connell sprach erleichtert von "wirklich guten, positiven Neuigkeiten."

Seine Reaktion zeigt, welchen Status dieser Samuel Richard Darnold mittlerweile hat. Wie wichtig er für die Vikings geworden ist. Er habe "einen Riesen-Spaß, Darnold zu trainieren", betont O'Connell. Dabei war zunächst gar nicht klar, welche Rolle der Quarterback in Minnesota ausfüllen sollte, als er Anfang März für ein Jahr unterschrieben hatte. Darnold war schließlich zu einem Vagabunden geworden, die Vikings sein vierter Verein seit 2020. Und er hatte die Reputation eines Gescheiterten.

Die New York Jets hatten ihn 2018 unter allen Talenten an dritter Stelle ausgewählt. Er sollte der Quarterback sein, der den seit Ewigkeiten enttäuschenden Klub aus der Krise führt. Gleich beim Debüt am 10. September 2018 schrieb er gegen die Detroit Lions Geschichte. Darnold war mit seinen damals 21 Jahren der jüngsten Starting-Quarterback der Liga seit dem Zusammenschluss von NFL und der American Football League 1970.

Jets nie auf Flughöhe bekommen

Sein erster Pass war eine Interception und resultierte in einem Touchdown der Lions. Darnolds Debüt wurde dennoch ein erfolgreiches. Die Jets gewannen 48:17, der junge Quarterback kam auf zwei Touchdowns und erzielte mit seinen Pässen einen Raumgewinn von 198 Yards. Trotzdem bekam Pilot Darnold die Jets nie auf richtige Flughöhe - und nicht mal ansatzweise in die erhofften, höheren Sphären. Seine Bilanz nach drei Jahren New York: 13 Siege, 25 Niederlagen. Das anschließende Kapitel Carolina Panthers liest sich kaum besser. 17 Spiele, acht Siege, neun Niederlagen als Starter. Es folgte ein Wechsel nach San Francisco - und eine Saison als Backup bei den 49ers. Die Kalifornier standen zwar im Super Bowl, doch Darnold hatte keinerlei Anteil daran.

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Im Frühjahr ein weiterer Neuanfang. In Minnesota sollte er sich mit dem an zehnter Stelle gedrafteten J.J. McCarthy um den Job des Starters duellieren. Aber der Neuling zog sich im ersten Vorbereitungsspiel gegen die Las Vegas Raiders einen Meniskusriss im rechten Knie zu und fällt die gesamte Saison aus. Doch mittlerweile muss die Frage erlaubt sein, ob der talentierte McCarthy überhaupt an einem Sam Darnold in der jetzigen Form vorbeigekommen wäre? Darnolds Daten: drei Spiele, drei Siege, acht Touchdowns, zwei Interceptions. 53 von 78 Pässen angekommen, 657 Yards Raumgewinn. Die "Sports Illustrated" schrieb von einem "raschen Aufstieg" und bezeichnete Darnolds bisherige Auftritte als eine "der unverhofften Storylines in den frühen Wochen der Saison."

Wie ein Handschuh, der perfekt zur Hand passt

Noch deutlicher wurde Richard Sherman: "Sam Darnold spiel wie ein MVP-Kaliber-Quarterback", lobte der ehemalige Star-Safety in seinem gleichnamigen Podcast. Nach diesem Satz entschuldigte sich Sherman, der mit Seattle 2014 den Super Bowl gewann, denn er musste sich kurz räuspern, um dann zu wiederholen: "Sam Darnold spielt wie ein MVP-Quarterback." Er sei wie ein Handschuh, der perfekt zur Hand passe, so Sherman.

Der langjährige Quarterback Matt Ryan sieht in Darnold einen "entschlussfreudigen" Spielmacher, der "überzeugende Entscheidungen" treffe und den Football "sehr genau" werfe. Ryans Worte haben durchaus Gewicht. Er spielte 15 Jahre in der NFL, stand mit den Atlanta Falcons 2017 im Super Bowl und arbeitet nun als Analyst beim TV-Sender "CBS". Darnold, betont Ryan, habe sich "durchgewühlt" - und dafür zolle er ihm Respekt. Es hilft natürlich, dass Darnold in Minnesota mit Justin Jefferson einen der besten Wide Receiver der Liga als Anspielstation hat. Und dass ihm mit Aaron Jones ein Runningback zur Verfügung steht, der, laut Sherman, bei den Green Bay Packers "kriminell unterbewertet" gewesen sei.

Darnold verneint nicht, dass seine Karriere bislang einer Achterbahnfahrt gleich komme. Und er betont, dass es "Familie und enge Freunde" gewesen seien, die ihn bei Enttäuschungen wieder aufgebaut hätten und ihn bei Erfolgen nicht abheben lassen. Obwohl Darnold bereits seit 2018 in die Liga ist und seitdem schon viel erlebt hat, wird es für ihn am Sonntag eine Premiere geben: Er spielt erstmals im Lambeau Field, der Heimat der Packers.

Vom ersten Tag an gutes Gefühl in Minnesota

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Er freue sich, so Darnold. Die Atmosphäre, die Geschichte, das ganze Umfeld - all das wolle er spüren. Sein Knie fühle sich "solide" an. Darnold sagt all das mit spürbarer Überzeugung. Er wirkt ruhig, gelassen, selbstbewusst. Vor drei Jahren war er in seiner ersten Saison in Carolina auch mit drei Siegen gestartet. Ob es da irgendwelche Parallelen gebe, wurde er am Mittwoch gefragt. "Andere Situation", antwortete er kurz - und wechselte sofort das Thema: "Ich bin einfach begeistert, wo unser Team derzeit steht und in welche Richtung wir gehen."

Warum auch zurückschauen, wenn die Gegenwart so wunderbar ist? Er habe vom ersten Tag an ein gutes Gefühl in Minnesota gehabt, sagt Darnold. Sein Ziel war es, jeden Tag alles zu geben, kleine, kontinuierliche Schritte zu machen, dem "Arbeitsablauf zu vertrauen." An dieser Einstellung hat sich nichts geändert. Was er seinen Zweiflern sagen wolle? All denen, die gemeint hätten, seine Karriere wäre vorbei. Und dass er nicht das Zeug zum Starting Quarterback in dieser Liga habe. Denen habe er "gar nichts zu sagen", so Darnold. "Nein, wirklich nichts."

Quelle: ntv.de

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