NFL-Star Amon-Ra St. Brown Der deutsche "Cali boy" lässt Detroits Löwen laut brüllen
17.11.2024, 09:46 Uhr
Auf seinem Helm trägt Amon-Ra St. Brown auch die deutsche Flagge.
(Foto: IMAGO/Newscom World)
Sein Quarterback liebt ihn, Experte Tom Brady lobt ihn, die Gegner fürchten ihn: Amon-Ra St. Brown gehört - auch ohne Blick durch die deutsche Brille - zu den NFL-Offensiv-Stars. Detroits Wide Receiver bricht Rekorde und trotzt Wahrscheinlichkeiten.
Amon-Ra St. Brown spielt seine vierte NFL-Saison bei den Detroit Lions. Die Autostadt in Michigan ist längst seine sportliche Heimat geworden. Der Wide Receiver liebt Detroit, liebt den Verein, liebt die Fans. Und sie lieben ihn. Doch gerade jetzt wird es wieder etwas unangenehmer für St. Brown. Denn es ist Herbst in Detroit - und somit kalt. Zumindest für einen, der in Kalifornien geboren und aufgewachsen ist und dort auch seine College-Zeit verbracht hat.
Wie er denn mittlerweile so mit der Kälte klarkomme, wurde der 25-Jährige kürzlich von den heimischen Medien gefragt. "Ich weiß nicht, ob ich mich jemals an die Kälte gewöhnt habe", antwortete St. Brown. Die Lions tragen ihre Heimspiele zwar im Ford Field aus, einem Dome, doch trainiert wird mitunter auch draußen. Und sobald das Thermometer nur noch zehn Grad anzeigt, trägt St. Brown im Training Handschuhe. Immer. Wohl wissend, dass er so einiges von den Mitspielern zu hören bekommt. "Cali boy" nennen sie ihn dann und schütteln den Kopf. Doch St. Brown reagiert stets mit einem Lächeln. "Ich muss mich warm fühlen, kann es nicht ausstehen, kalte Hände zu haben."
Sieben Spiele nacheinander mit einem Touchdown
Auf dem Football-Feld läuft er derzeit richtig heiß. Am 10. November, als Detroit trotz eines 6:23-Pausenrückstandes und fünf Interceptions von Quarterback Jared Goff tatsächlich noch das Sunday Night Game bei den Houston Texans 26:23 gewann, erzielte St. Brown seinen siebten Touchdown der Saison. Mehr noch: Es war das siebte Spiel nacheinander mit einem Touchdown für ihn - und somit ein neuer Vereinsrekord.
Dass die Lions erstmals seit - Achtung - 1954 wieder eine 8:1-Bilanz haben, liegt auch an diesem Amon-Ra Julian Heru John St. Brown, dem Sohn des ehemaligen Weltklasse-Bodybuilders John Brown und der aus Leverkusen stammenden Miriam Steyer. Der jüngste von drei Brüdern ist der erste Deutsche in der NFL, der Star-Status erreicht hat. Der nach all den muskulös-massigen Sebastian Vollmers, Markus Kuhns, Björn Werners und Kasim Edebalis nicht nur der erste herausragende Profi auf einer Skill-Position, sondern hier auch ein echter Unterschiedsspieler ist. Einer, der in Detroit bereits in seiner Rookie-Saison Vereinsbestmarken erzielte. Und einer, der Ende April den mit Abstand größten Vertrag unterzeichnet hat.
Größerer Vertrag als einst Dirk Nowitzki
St. Brown verlängerte vorzeitig um vier Jahre. Den Lions ist seine Unterschrift 120 Millionen Dollar wert. Zum Vergleich: Dirk Nowitzkis größter Kontrakt bei den Dallas Mavericks brachte ihm in vier Jahren 80 Millionen Dollar ein. Mehr als St. Brown wird nur Franz Wagner verdienen. Der Basketball-Nationalspieler wird ab 2025 in fünf Jahren bei den Orlando Magic mindestens 224 Millionen Dollar einstreichen. Mit allen Boni sind sogar 270 Millionen Dollar möglich.
Obwohl St. Brown in Orange County, südlich von Los Angeles, aufgewachsen ist und American Football in den USA erlernt hat, legt er großen Wert auf seine deutsche Seite. In Interviews mit deutschen Medien spricht er Deutsch. Sein Akzent ist zwar unüberhörbar und manchmal kommt ihm der englische Begriff schneller über die Lippen als das entsprechende deutsche Wort, dennoch kann sich St. Brown sehr gut verständigen.
Schon als Kleinkind der Talentierteste der St. Brown-Brüder
Aus Familienkreisen ist zu erfahren, dass Amon-Ra schon als kleiner Junge etwas talentierter als seine zweifelsohne ebenfalls talentierten älteren Brüder Equanimeous (spielt seit 2018 in der NFL/Anm. d. Red.) und Osiris gewesen sein soll. So habe er bereits als Fünfjähriger auf dem Trampolin im heimischen Garten Tennisbälle so selbstverständlich mit einer Hand gefangen, wie andere in dem Alter ihre Plastik-Schubkarre vor sich herschieben oder gegen einen Fußball treten.
Er erinnert sich gerne an Sommerferien in Deutschland, bei Oma und Opa in Leverkusen-Hitdorf und bei einer Tante in Sachsen-Anhalt. Als Teenager hatte Amon-Ra bei der Europameisterschaft 2015 in Dresden für die deutsche U19-Football-Nationalmannschaft gespielt. Dabei war er damals gerade 15 Jahre alt. Er war kleiner und leichter als seine Mit- und Gegenspieler. Dennoch war er einer der Besten. Im Finale verlor Deutschland 22:30 gegen Österreich. Den ersten Touchdown hatte St. Brown erzielt.
Deutsche- und US-Flagge auf dem Helm
Der Deutsch-Amerikaner, der neben der US-Flagge auch einen schwarz-rot-goldenen Sticker auf seinem Helm trägt, galt zunächst als einer von vielen, als er 2021 in die Liga kam. Bei der Talenteverteilung Draft war er erst in der vierten Runde und an insgesamt 112. Stelle von den Lions ausgewählt worden - und darüber ziemlich enttäuscht gewesen. Mittlerweile ist St. Brown jedoch einer von nur 14 Profis dieses Drafts - und der Einzige der Runden drei und vier - der in den Pro Bowl gewählt wurde, also ins All-Star-Spiel der NFL.
St. Brown ist ein Slot Receiver. Heißt: ein Passempfänger, der vor allem in der Mitte des Football-Feldes spielt. Dort, wo es am meisten und härtesten zur Sache geht. Wo es richtig kracht und knallt. Wo mitunter gleich mehrere Verteidiger die Wide Receiver bearbeiten - und zwar mit allem, was erlaubt ist und gerne auch darüber hinaus. Und in diesem "Slot" richte St. Brown bei Gegner "mehr Schaden an als jeder andere in der Liga", sagte Tom Brady. Kann es eigentlich ein noch größeres Kompliment geben? Von einem noch Prominenteren?
Der "Cali boy" trotzt in Green Bay der Kälte
Der ehemalige Quarterback-Star und siebenmalige Super-Bowl-Champion Brady arbeitet seit dieser Saison als Experte für "Fox Sports". Er vergibt nach jedem Spiel, das er überträgt, eine kleine Trophäe an den Profi, der ihn durch eine spezielle Aktion besonders begeistert, ja der ihn regelrecht aus dem Kommentatoren-Sitz gerissen hat - und der ihn deshalb drei besondere Worte brüllen lässt: LFG - let's fucking go!
Am 3. November ging Bradys "LFG award" an St. Brown. Der gastierte mit Detroit an jenem Sonntag bei den Green Bay Packers. Es war in der achten Saison-Partie der erste Lions-Auftritt unter freiem Himmel. Und es war kalt, nass, windig. Kurzum: richtig ekelig - nicht nur für einen "Cali boy". Detroit gewann beim Divisions-Rivalen trotz der äußeren Widrigkeiten 24:14. St. Brown trug - natürlich - einen Touchdown zum Erfolg bei und feierte diesen mit einem Kopfstand in der Packers-Endzone. Doch Experte Brady fand etwas anderes viel bemerkenswerter.
30 Pässe nacheinander gefangen
Er nannte es "a ridiculous stat", also eine Statistik, die so verrückt klingt, dass man sie gar nicht glauben mag. St. Brown hatte in Green Bay alle sieben Pässe gefangen, die Quarterback Goff ihm zugeworfen hatte. Somit hatte er, vom dritten Spieltag an, 30 Pässe nacheinander gegriffen - ohne auch nur einen fallen zu lassen. "Das sagt so viel über deine Zuverlässigkeit und Beständigkeit aus", lobte Brady. "Jared weiß, welche Routen ich gerne laufe. Und ich weiß, was er da auf dem Feld sieht", entgegnete St. Brown und verwies darauf, dass er mit dem Playmaker bereits seine vierte Saison zusammenspiele. "Diese Chemie ist sagenhaft", so Brady.
Laut der Daten-Analyse-Plattform "NextGenStats" lag die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, basierend auf der Schwierigkeit der Würfe, alle diese 30 Pässe nacheinander tatsächlich auch fängt bei 0,0001 Prozent. St. Brown hat sie gefangen - und beim Sieg in Houston am 10. November sogar noch den 31. Pass in Folge. Erst dann folgte ein etwas zu kurzer Wurf. Es war der erste "incomplete pass" von Goff zu St. Brown seit dem 22. September.
"Wie heißt der? Wie buchstabiert man das?"
Als Goff 2016 in die NFL kam und noch für die Los Angeles Rams spielte, hatte er erstmals den Namen Amon-Ra St. Brown gehört. Obwohl, nein. Er hatte vielmehr mitbekommen, dass es da an der Mater Dei Highschool, knapp 50 Kilometer südlich von L.A., einen Wide Receiver geben soll, der "unglaublich" sei. Jemand mit einem ungewöhnlichen Namen. "Wie heißt der? Wie buchstabiert man das?", habe er damals gefragt, erinnerte sich Goff vor wenigen Tagen.
Mittlerweile kennt er Amon-Ra bestens - auch privat. Goff vertraut seinem Mitspieler mit der Rückennummer 14, egal in welcher Spielsituation. "Er ist großartig, ein harter Arbeiter, macht alles richtig. Ich liebe ihn und schätze mich sehr glücklich, mit ihm zusammenspielen zu können."
Quelle: ntv.de