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Kyrgios wird immer unverschämter Der geliebte und verabscheute Tennis-Tyrann

Nick Kyrgios weiß um den Wert seiner Show.

Nick Kyrgios weiß um den Wert seiner Show.

(Foto: IMAGO/Shutterstock)

Nick Kyrgios erreicht mit seinen Eskapaden in Wimbledon einen neuen Höhepunkt. Der Australier bezeichnet den Schiedsrichter unter anderem als "Schande" - und entnervt Gegner Stefanos Tsitsipas, der selbst ausrastet. Zwei Legenden sind gespalten über den Bad Boy des Tennis.

Selbst der Erfinder des schlechten Benehmens auf einem Wimbledon-Court, der Super-Flegel der frühen 80er Jahre zweifelte plötzlich, ob dieser Nick Kyrgios tatsächlich ein Gewinn für den Sport ist. Dessen Verhalten, sagte John McEnroe, sei "traurig und schön zugleich". Anlass für die Debatte um den "Bad Boy" war das absurde Match gegen Stefanos Tsitsipas. Auch die Legende und BBC-Expertin Martina Navratilova maßregelte die Wüteriche und kritisierte eine mangelnde Gleichberechtigung aufgrund der ausgebliebenen Disqualifikation. "Die Jungs kommen mit viel mehr durch als Frauen", zürnte sie und erinnerte an einen früheren Vorfall. Serena Williams hatte im US-Open-Finale 2018 den Schiedsrichter als "Lügner" und "Dieb" bezeichnet und ein Spiel abgeben müssen.

Die Tenniswelt ist gespalten: Viele Fans feiern Kyrgios, diesen ebenso brillanten wie unverschämten Australier, der auf die Etikette und den Heiligen Rasen spuckt. Der immer wieder provoziert und ausrastet. Der als großer Heilsbringer gilt, als Jungbrunnen für die angestaubte Szene des Sports, der nur noch in Wimbledon wirklich weiß ist.

Stefanos Tsitsipas feiert Kyrgios nicht. Er verachtet ihn und den "Zirkus", den Kyrgios veranstaltet. Nach einem denkwürdigen Drittrundenduell, das Züge eines Straßenkampfs, inklusive Pöbeleien und körperlicher Attacken annahm, sagte der Verlierer: "Er hat eine böse Seite - und wenn die rausbricht, dann kann er den Menschen um sich herum wirklich viel Leid und Schaden zufügen." Tsitsipas sah sich als Mobbing-Opfer. "Er tyrannisiert seine Gegner, wahrscheinlich ist er in der Schule selbst gequält worden." Nick Kyrgios, im Shirt des Basketball-Bösen Dennis Rodman zur PK erschienen, lachte laut. "Er hat mit Bällen nach mir geschossen, er hat eine Zuschauerin getroffen, er hat den Ball aus dem Stadion gedroschen."

"Ich habe gar nichts getan"

Kyrgios sagte: "Ich habe gar nichts getan." In Wahrheit hatte er Tsitsipas zur Weißglut getrieben. Von Beginn an schimpfte sich Kyrgios durch das Match, schnauzte die Linien- und Schiedsrichter Damien Dumusois an, kaum eine Pause zwischen den Ballwechseln und Aufschlagspielen verging ohne Mätzchen oder Gequassel des "Bad Boys". Bis Tsitsipas die Beherrschung verlor. Nach dem Verlust des zweiten Satzes drosch der Grieche den Ball frustriert ins Publikum, anscheinend ohne jemanden zu treffen. Die Verwarnung war dennoch folgerichtig, nur für Kyrgios ein schlechter Witz, er wollte die Disqualifikation. Er ließ den Oberschiedsrichter rufen, als der keine andere Entscheidung traf, rastete Kyrgios aus.

"Bist du dumm?", herrschte er Dumusois an: "Du bist eine Schande, du änderst die Regeln, wie du willst." Der Schlagabtausch, der sich danach entwickelte, hatte der noble All England Club seit McEnroes Tagen nur noch selten erlebt, Tsitsipas brannten die Sicherungen durch, er zielte mehrfach auf Kyrgios und gab die Absicht später unumwunden zu: Er wollte ihn "stoppen. Das muss aufhören. Das ist nicht okay. Irgendwer muss sich mit ihm hinsetzen und reden."

"Wir sollten dieses Verhalten nicht akzeptieren"

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Tsitsipas forderte Konsequenzen aller Spieler. "Ich hoffe, wir lassen uns etwas einfallen, um unseren Sport sauberer zu machen. Wir sollten dieses Verhalten nicht akzeptieren, tolerieren oder erlauben." Von Kyrgios erntete er dafür nur Spott: "Er ist so weich." Wie eigentlich alle Gegner in Wimbledon. Seine Jungs zu Hause auf dem Basketballcourt, die seien richtig "harte Hunde". Markige Worte, die der feinen Tennisgesellschaft doch übel aufstoßen müssten. Doch der Wimbledonaccount bei Twitter feierte gemeinsam mit vielen Fans die große Unterhaltung: "Ungescripted. Ungefiltert. Unumgänglich." Klingt wie der Untertitel einer Netflix-Doku - und tatsächlich ist diese in Arbeit. Mit Dreharbeiten in Wimbledon.

Kyrgios weiß um seinen Wert. "Es ist fantastisch: Überall, wo ich hinkomme, sind die Stadien voll", sagte er, die Zuschauer jubelten. "Und die Medien schreiben, ich sei schlecht für den Sport. Ganz offensichtlich nicht." Das war weder traurig noch schön, sondern einfach nur wahr.

Quelle: ntv.de, tno/sid/dpa

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