Sport

Hanfmann begeistert in Rom Ein Außenseiter schreibt das deutsche Tennismärchen weiter

Yannick Hanfmann steht im Viertelfinale eines Masters-Turniers.

Yannick Hanfmann steht im Viertelfinale eines Masters-Turniers.

(Foto: picture alliance / marco iacobucci)

Yannick Hanfmann ist ein guter Tennisprofi, konstant bewegt sich der Karlsruher an den Top 100 der Welt. Zum ganz großen Wurf reicht es nie. Bis dieser Tage: Nach großen Siegen wartet ein Karrierehöhepunkt. Es ist schon wieder eine deutsche Tennisüberraschung.

Dem deutschen Tennis schienen im vergangenen Jahr mit einem Knall die großen Träume abhandengekommen zu sein: Als in einem epischen Halbfinale der French Open bei Alexander Zverev im rechten Knöchel die Bänder rissen und sich Deutschlands bester Tennisspieler der jüngeren Geschichte schreiend im Sand von Roland Garros wälzte, waren keine positiven Geschichten mehr in Sicht. Zverev befand sich auf dem Höhepunkt, der ersehnte Grand-Slam-Titel und der Sprung an die Spitze der Weltrangliste schienen greifbar. Die von großen Siegen entwöhnten deutschen Tennisfans fieberten mit dem Olympiasieger, dann war es vorbei und Zverev kämpft dieser Tage weiter mit sich um die Rückkehr in die absolute Weltspitze.

Nun aber könnte sich ein überraschendes deutsches Tennismärchen ganz schnell wiederholen. Geschrieben wird es derzeit in Rom, der Ewigen Stadt. Von einem Spieler namens Yannick Hanfmann, der den überwiegenden Teil seiner Karriere außerhalb der Top 100 der Tenniswelt verbrachte und erst ein Match im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers gewann. Gerade steht Hanfmann, der im November 32 Jahre alt wird, im Viertelfinale des Masters-Turniers von Rom, ein Event der zweithöchsten Kategorie des Tenniskalenders. Auf dem Weg dorthin musste sich der Karlsruher erst durch die Qualifikation kämpfen.

"Mal sehen, wo die Reise noch hingeht"

Das ist Alltag für Hanfmann, doch dann begann die große Geschichte: In der zweiten Runde schlug er den Weltranglisten-Neunten Taylor Fritz aus den USA deutlich (6:4, 6:1), eine Riesenüberraschung. Nach einem Dreisatzerfolg über den Italiener Marco Cecchinato kämpfte Hanfmann dann im Achtelfinale Andrey Rublev nieder. Der Russe ist die Nummer sechs der Weltrangliste. Eine Sensation, die der 31-Jährige mit einem Ass besiegelte. "Ich bin ein bisschen sprachlos, was das für eine Energieleistung heute war. Dass ich nach drei anstrengenden Spielen hier heute so gewinne, ist unglaublich", sagte Hanfmann nach seinem Coup, dem größten seiner bisherigen Karriere, bei "Sky": "Mal sehen, wo die Reise noch hingeht."

Es ist die zweite, völlig überraschende, wundersame Reise, die ein deutscher Tennisprofi in den vergangenen Tagen erlebt hat. Zuletzt hatte Jan-Lennard Struff in Madrid für ein kleines deutsches Tennismärchen gesucht, als er - der in der Qualifikation eigentlich schon gescheitert war - als "Lucky Loser" bis ins Finale des Masters-Turniers spielte und dort nach großem Kampf dem ab Montag wieder Weltranglisten-Ersten Carlos Alcaraz unterlag - und im Alter von 33 Jahren mit Platz 26 ein neues Karrierehoch erreichte.

Die Reise von Yannick Hanfmann ist schon lang, auch wenn sie erst recht spät in die Nähe der Weltklasse führte. Seine ersten Siege auf der ATP-Tour feierte erst mit 25. Zuvor war er ausschließlich auf der zweitklassigen Challenger-Tour unterwegs, nach dem Abitur habe er gemerkt, dass es "noch nicht reicht" für die große Karriere, wie er einst berichtete. Stattdessen nahm er den Umweg über die USA und ackerte vier Jahre auf dem College. Er machte einen Masterabschluss in Internationale Beziehungen und erarbeitete sich dazu den Feinschliff und die Härte für den Profibetrieb.

Danach war er bereit, auch wenn es für den ganz großen Durchbruch nie reichte. 1,6 Millionen US-Dollar an Preisgeldern hat er sich bisher erspielt und fünf Challenger-Turniere gewonnen. Hanfmann ist in Weltranglisten-Regionen unterwegs, in denen Turnierteilnahmen durch niedrige Preisgelder und hohe Reisekosten schnell zum Zuschussgeschäft werden können. In Rom, das steht schon fest, wird sich der Profi den größten Zahltag seiner bisherigen Karriere erspielen: Wäre im Viertelfinale Schluss, gäbe es schon 45.000 Dollar.

Hanfmann ist seit seiner Geburt schwerhörig, ein Problem ist das auf dem Weg durch die Profikarriere nicht. "Auf dem Tennisplatz ist es eher positiv, weil ich nicht alles höre, was draußen geredet wird", erzählte er einst. "Ein Center Court voller Zuschauer macht mir nichts, den Rummel um den Platz bekomme ich oft nicht mit." Und der Center Court von Rom ist groß, mehr als 10.000 Menschen finden dort Platz. Spielen durfte Hanfmann dort noch nicht, am morgigen Donnerstag ist es aber so weit.

Gegner kann "auf Sand gegen jeden verlieren"

Im Viertelfinale des Sandplatzturniers von Rom wartet wieder ein Russe: Daniil Medwedew, der Alexander Zverev in zwei Sätzen schlug und den Deutschen, auf dem einst alle Hoffnungen auf ein deutsches Tennismärchen ruhten, frustriert zurückließ. "Ich muss mal gewinnen, und dann löst sich das. Mehr weiß ich jetzt auch nicht, was ich sagen soll. Momentan spiele ich dieses Jahr das schlechteste Tennis wahrscheinlich seit 2015, 2016", stellte Zverev keine zwei Wochen vor dem Beginn der French Open fest. Durch die Niederlage fällt Vorjahresfinalist Zverev in der Weltrangliste weiter zurück. Ganz anders als sein deutscher Davis-Cup-Kollege.

Mehr zum Thema

Auch wenn keine Weltranglistenpunkte mehr dazukommen sollten: Am kommenden Montag wird Yannick Hanfmann zum ersten Mal in seiner Karriere unter den besten 70 Spielern der Welt geführt werden. Ein Sprung, der bei vielen Turnieren den anstrengenden Weg durch die Qualifikation ersparen wird. Aber die Reise in Rom, sie muss noch nicht zu Ende sein. Medwedew hasst Sand nach eigenem Bekunden. "Auf Sand kann ich gegen jeden verlieren", sagte der Weltranglistendritte mal und: "Meine Schläge, meine Bewegungen, meine körperliche Erscheinung passen nicht zu Sand." Für Zverev allerdings war der 27-Jährige im Achtelfinale viel zu stark - Sand hin oder her.

Jan-Lennard Struff, der den ersten Teil des deutschen Tennismärchens nach Zverev schrieb, war in Madrid schlicht zu erfolgreich, um schon in Rom seinen Weg in neue Karrieresphären fortzusetzen: In der italienischen Hauptstadt hätte er nur wenige Stunden nach dem Madrid-Finale schon wieder in der Qualifikation antreten müssen. Die Pause nutzte der Warsteiner für ein paar Tage mit der Familie, in der kommenden Woche tritt er beim hochkarätig besetzten Challenger-Turnier in Bordeaux an. Durch das Achtelfinal-Aus von Alexander Zverev ist Jan-Lennard Struff nun erstmals in seiner Karriere die deutsche Nummer eins.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen