Weiter kein Urteil im ISU-StreitPechstein weint, Prozess droht in Endlosigkeit zu verpuffen

Der jahrelange und millionenschwere Streit zwischen Claudia Pechstein und dem Eislauf-Weltverband ISU geht auch nach der Sitzung vor dem Oberlandesgericht in München weiter. Ein Ende ist kaum abzusehen. Pechstein fordert 8.372.908,51 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Die Stimme stockte, die Tränen schossen ihr in die Augen, als Claudia Pechstein von ihrem jahrelangen Martyrium berichtete. Seit 15 Jahren kämpft die Eisschnellläuferin bereits für ihre Sache, für Gerechtigkeit, Geld und gegen den Eislauf-Weltverband ISU. Womöglich wird sie noch weiter kämpfen müssen. "Sie werden noch weitere 15 Jahre damit verbringen", warnte Michael Geistlinger, Rechtsberater der ISU vor dem Oberlandesgericht München.
Dort konnten sich beide Streitparteien in einer mehrstündigen Verhandlung nicht auf einen Vergleich einigen, den Richter Andreas Müller mit allem diplomatischen Geschick versuchte herbeizuführen. Der Prozess ist zunächst auf den 13. Februar vertagt, der Ausgang: ungewiss. Immerhin existiert ein Fahrplan für Verhandlungen, der Ball liegt auf dem Eis der ISU, doch die Lager scheinen unversöhnlich weit voneinander entfernt zu sein.
Pechstein fordert 8.372.908,51 Euro
Die 52-jährige Claudia Pechstein fordert 8.372.908,51 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld und einen Kniefall der ISU, damit ihr Ruf als saubere Athletin wiederhergestellt wird. Doch der Weltverband bleibt hart. Die Summe, von der Pechstein-Seite während der Verhandlung bereits auf vier Millionen Euro plus Zinsen reduziert, sei "ausgeschlossen", sagte Geistlinger, ebenso wie "eine Entschuldigung oder das Einräumen von Unrecht". Die ISU wolle "die über Jahrzehnte beste Eisschnellläuferin nicht schädigen", doch die Sicht ist klar: Die Dopingthese bleibt bestehen.
Wie geht es nun weiter in dem Fall, der kein Ende zu haben scheint? Richter Müller wies die ISU an, eine "Ehrenerklärung" für Pechstein zu entwerfen, erst danach soll über Geld gesprochen werden. Auch im Februar wird es daher kein Urteil geben, es droht eine langwierige Beweisaufnahme und damit das nächste Kapitel der unendlichen und unendlich verworrenen Geschichte. Die Frage, ob Pechsteins Dopingsperre von 2009 bis 2011 gerechtfertigt war, bleibt ungeklärt.
Rückblende: 2009 waren bei der fünfmaligen Olympiasiegerin Pechstein auffällige Blutwerte entdeckt worden, die ISU sperrte sie aufgrund des gerade von der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) eingeführten "indirekten Dopingbeweises" für zwei Jahre, der Internationale Sportgerichtshof CAS bestätigte die Sperre.
"Wer 15 Jahre kämpft ..."
Pechstein zog in den Kampf, unter anderem vor dem Schweizer Bundesgericht, dem Europäischen Gerichtshof oder dem Bundesverfassungsgericht. Das gab 2022 Pechsteins Beschwerde statt: Das CAS-Verfahren soll unfair gewesen sein, ihre Schadensersatzklage ist zulässig. Pechstein führt eine von ihrem Vater vererbte Blutanomalie an, der Fall ist zu einem Expertenstreit geworden.
Die Bundespolizistin erschien in München in Uniform und in Begleitung ihrer Anwälte Simon Bergmann, Thomas Summerer und Christian Krähe sowie ihres Lebensgefährten Matthias Große und ihres Managers Ralf Grengel. Sie schilderte ihre Sicht der Dinge und wiederholte die Selbstmordgedanken, die sie erstmals 2010 in ihrer Biografie geschildert hatte. "Ich wurde angeklagt, zehn Jahre lang gedopt zu haben. Der Gedanken, dass mich alle für eine Betrügerin halten, hat mich in den Wahnsinn getrieben. Tagelang konnte ich nichts essen, habe geweint, war verzweifelt. Ich wollte die Autobahnbrücke hinunterspringen. Ja, ich wollte mir das Leben nehmen. Zum Glück bin ich nicht gesprungen", sagte sie laut "Bild". Dabei brach sie in Tränen aus. Der Prozess wurde unterbrochen.
Nach der Pause ergriff auch Matthias Große das Wort. "Eine Erklärung, dass der Fall so nicht hätte ausgehen dürfen", sei "ja wohl nicht zu viel verlangt", sagte er, und: "Wer 15 Jahre kämpft, kämpft auch noch mal 15 Jahre lang!" Noch im Gerichtssaal nahm Alfons Hörmann Pechstein in den Arm, der frühere Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) hatte sich einst im Namen des deutschen Sports bei Pechstein für die Leiden der vergangenen Jahre entschuldigt. Hörmann klopfte ihr auf die Schulter: "Gut gemacht!"