Chiefs vs. 49ers im Super Bowl "Play des Lebens" führt zu Wut und Tränen, Fiasko für Lions
29.01.2024, 05:25 Uhr
Kansas City Chiefs Travis Kelce und Patrick Mahomes (v.l.) freuen sich über den Einzug in den Super Bowl.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Das NFL-Imperium schlägt zurück: Nach einer schwachen Saison schnappen sich die Kansas City Chiefs das erste Ticket zum Super Bowl LVIII. Gegen die Baltimore Ravens überragt die Defensive so sehr, dass Lamar Jackson frustet. Drama, Mittelfinger und ein Mega-Comeback gibt es in San Francisco.
Im Finale um die AFC-Meisterschaft empfangen die Baltimore Ravens, erstmals in der NFL-Historie Gastgeber des Conference-Titelspiels, den Super-Bowl-Titelverteidiger Kansas City Chiefs in einem schwergewichtigen Showdown. Es ist das Duell vom mutmaßlichen MVP Lamar Jackson mit Magier Patrick Mahomes, das erste Aufeinandertreffen der beiden Quarterback-Superstars in den Playoffs (reguläre Saison bisher 3:1 für Mahomes).

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Am Ende regieren nach dem 17:10-Erfolg des Meisters Frust und Tränen bei den Ravens. Während die Chiefs ein unglaubliches Big Play ihrer Abwehr und ihre vierte Super-Bowl-Teilnahme in fünf Jahren bejubeln. Das riecht nach Dynastie, Kansas City will als erstes Team seit den New England Patriots 2003 und 2004 den Sieg im Super Bowl wiederholen.
Es sollte endlich das Jahr von Jackson werden, doch im wichtigsten Spiel seiner Karriere kann er seine starke Leistung der Saison nicht bestätigen, sondern wirkt überfordert. Mal wieder kann er nicht zeigen, dass er auch in den Playoffs einer der ganz Großen sein kann. Mal wieder gehört das Scheinwerferlicht allein Magier Mahomes. Diesmal muss er sich allerdings bei seiner starken Defensive bedanken, die Chefcoach Andy Reid nach dem Triumph als "knallhart, schmutzig und hart" beschreibt. Dabei sind es die Raven, die ihren Gegner bei null (!) Punkten in der zweiten Hälfte halten. Doch von Anfang an.
Die Chiefs gehen bei den Buchmachern als Underdog in diese Partie. Doch gegen die wohl beste Verteidigung der Liga bringt Mahomes gleich in seinem ersten Drive zehn Spielzüge für 86 Yards auf den Rasen. Erst sorgt der ewig emsig-aggressive Runningback Isiah Pacheco mit Fängen und Läufen für erste First Downs, dann wird das Risiko von Chiefs-Coach Andy Reid bei einem ausgespielten vierten Versuch belohnt: Tight End Travis Kelce drückt zum ersten Mal dem Spiel seinen Stempel auf, indem er im Fallen auf den Allerwertesten den ersten Touchdown des Spiels auf atemberaubende Art und Weise fängt. Das saugt fürs Erste die Energie aus dem lauten Stadion, Kelce hat nun die meisten Touchdowns (sechs) in der Geschichte der Konferenzmeisterschaft.
Jetzt ist der Ravens-Superstar dran und Jackson holt die Energie mit einem Lauf für 21 Yards bei einem vierten Versuch tief in der eigenen Hälfte prompt zurück. Durch eine Mini-Lücke tankt der Spielmacher sich durch und auch dieses Mal wird das Risiko belohnt: Als Nächstes befreit sich Jackson grandios aus dem Druck der Chiefs-Defensive, wird beinahe schon zu Boden gerissen, strauchelt immer weiter zurück – um dann urplötzlich eine 30-Yards-Rakete abzufeuern auf den tief in die Endzone spurtenden Zay Flowers. Welch spektakulärer Ausgleich.
Anschließend übernehmen die Chiefs immer stärker die Kontrolle. Besonders die Defensive dreht auf, nach dem Motto: Jackson ist am besten zu verteidigen, indem man selbst lange auf dem Feld steht. So bleibt der designierte MVP ein Schatten seiner selbst, er schafft nur halb so viele Spielzüge wie sein Gegenüber in der ersten Hälfte. Mahomes dagegen verteilt die Bälle mit kurzen Pässen extrem sicher, abgeklärt und abwechslungsreich. Das Kurzpassspiel ist nicht anfällig für Fehler, dafür äußerst effektiv. Überlegt und mächtig, wie ein Meister eben agiert.
Im zweiten Viertel geht es spektakulär weiter. Mahomes gelingt unter Druck ein Pass auf Kelce, der den Ball mit einem Sprung fängt, indem er horizontal in der Luft liegt. Kurz darauf tankt sich Pacheco durch zum nächsten Touchdown. Zwei Drives, zwei Touchdowns, zwei Statements gegen die angeblich übermächtige Defensive. Dann trumpft die Abwehr der Chiefs auf, als Defensive End Charles Omenihu Ravens-Spielmacher Jackson das Ei aus der Hand schlägt, auch wenn daraus keine Punkte entstehen. Kelce überholt derweil Ikone Jerry Rice für die meisten Karriere-Receptions in der NFL-Playoff-Geschichte (152).
Abenteuerlich wird es, als Jacksons Pass tief in der eigenen Hälfte geblockt wird und hoch durch die Luft segelt. Mehrere Chiefs-Verteidiger strecken sich nach dem Ball, wähnen schon eine Interception. Doch der Quarterback der Ravens sprintet geistesgegenwärtig dazwischen, schnappt allen anderen das Ei weg und läuft damit zu einem First Down. Aber das war es dann auch schon wieder. Die Ravens hatten bei einem Start von Jackson (seit 2018 in der NFL) noch nie weniger als zehn Minuten Ballbesitz zur Halbzeit, diesmal sind es nur 9:21 in der ersten Hälfte. Weil die Ravens kurz vor der Halbzeit Geschenke mit mehreren Strafen verteilen, können die Chiefs mit einem Field Goal auf 17:7 davonziehen.
Die zweite Hälfte beginnt bei strömendem Regen mit harter Kost. Offensiv läuft auf beiden Seiten gar nichts, die Abwehr der Ravens hat nun gleichgezogen mit der des Meisters. 40 Sekunden sind im dritten Viertel noch zu spielen, als Jackson endlich mal wieder seine MVP-Magie aufblitzen lässt: Einen langen Pass über 54 Yards fängt Flowers kurz vor der Endzone. Baltimore schraubt klar am Comeback, das Publikum wacht wieder auf. Klappt der Turnaround?
Nein, stattdessen gelingt Cornerback L'Jarius Sneed das „Play seines Lebens“, wie der TV-Sender CBS auf X, vormals Twitter, schreibt. Denn wieder ist die Defensive von Kansas City hellwach, als Flowers zum Touchdown springt. Zentimeter vor der Endzone schlägt ihm Sneed das Ei aus den Armen. Ein ganz bitterer Patzer der Ravens zu Beginn des letzten Abschnitts. Und ein Gamechanger: Es ist genau dieser Fumble, der den Chiefs am Ende den Weg in den Super Bowl ebnet.
Jackson prügelt nach dem Ballverlust frustriert auf seine Bank an der Außenlinie ein. Als er kurz darauf noch bei einem unnötig forcierten, tiefen Pass in die Endzone eine Interception wirft, knallt er völlig bedient seinen Helm auf den Rasen. „Warum?“, schreit TV-Experte Björn Werner bei RTL. Es ist das erst Spiel mit mehreren Turnovern für den Quarterback seit Woche 10, was damals die letzte Niederlage der Ravens bedeutete. Zweieinhalb Minuten vor Ende gelingt ihnen zwar noch ein Field Goal, aber Mahomes bringt die Partie anschließend abgeklärt nach Hause. Bei Jackson laufen die Tränen.
Die Chiefs jubeln über den Einzug in den Super Bowl. Besonders beeindruckend: In der zweiten Halbzeit gelingen ihnen überhaupt keine Punkte mehr, doch dank einer dominanten Defensive springt dennoch ein dominanter Sieg heraus. Das sind keine guten Nachrichten für den Gegner in Las Vegas.
Drama für Lions, Mega-Comeback für 49ers
Im Super Bowl warten auf die Chiefs die San Francisco 49ers. Mit einem unglaublichen Turnaround, einem dramatischen 34:31-Comeback-Sieg, halten die Kalifornier die Detroit Lions davon ab, ihr Märchen fortzuschreiben und zum ersten Mal überhaupt in das Endspiel einzuziehen. Die 49ers sind nun neben den Patriots, Broncos, Cowboys und Steelers das einzige Team, das bereits zum achten Mal im Super Bowl steht.
Die Lions legen mit mehreren Läufen (die Schwäche der Abwehr der 49ers ist gegen den Lauf) los wie vom Löwen gebissen: Die Fans in einem der lautesten Stadien der NFL haben gerade einmal am Hotdog geknabbert, da rollt Jameson Williams wie eine Kanonenkugel über das Feld. Detroits Wide Receiver bricht nach einem kurzen Rückpass mehrere Tackles, tanzt von links nach rechts, strauchelt - und bringt seinen 50-Yard-Lauf doch noch zum Touchdown in die Endzone. Im Anschluss zirkelt Rookie-Kicker Jake Moody von den 49ers ein Field Goal aus 48 Yards.
Auch dank First-Down-Maschine Amon-Ra St. Brown (fünf Catches und fünf erste Versuche in der ersten Halbzeit) tankt sich Detroit bis in die Redzone vor. Quarterback Jared Goff übergibt anschließend den Ball immer wieder fix an seine Runningbacks und als Schlusspunkt läuft David Montgomery zum Touchdown. 14:0 nach nur etwas mehr als zwölf Minuten. Zwei nahezu perfekte Drives der Lions, die dabei nur einen dritten Versuch brauchen. "Diese Löwen brüllen schon früh", schreibt die NFL auf X.
Anfang des zweiten Abschnitts setzt auch San Francisco auf den Lauf, das heißt auf Christian McCaffrey. Mit fünf Runs sorgt der Runninback, den einige für den MVP der Saison halten, für 43 Yards und einen Touchdown. Doch beim nächsten Ballbesitz der Kalifornier wirft Quarterback Brock Purdy eine kostspielige Interception nahe der Mittellinie. Nach einem erneuten First Down von St. Brown ist es abermals ein überragender Slalomlauf, diesmal von Jahmyr Gibbs, der zum Lions-Touchdown führt. Per Field Goal stellen die Lions kurz vor der Pause auf 24:7, eine bessere erste Halbzeit hätten sie kaum spielen können. Tausende Fans im Ford Field in Detroit rasten bei einer Watch-Party aus, riechen den Super Bowl beinahe schon. Rap-Superstar Eminem freut sich im Stadion in altbewährter Mittelfinger-Manier.
San Francisco kommt jedoch mit Wut und einem erfolgreichen Field Goal aus der Kabine. Und dann wird es doppelt tragisch für Detroit, noch im dritten Viertel drehen die Kalifornier das Spiel. Einen tiefen Pass von Purdy fängt Cornerback Kindle Vildor beinahe ab, doch der Ball flutscht ihm durch die Hände und knallt auf seinen Helm. Vor dort springt er in die Pfoten von Brandon Aiyuk, der Wide Receivers sorgt kurz darauf für den Touchdown der 49ers. Damit nicht genug, im direkt drauffolgenden Spielzug unterläuft den Lions ein Fumble an der eigenen 25-Yards-Linie. Wenige Minuten später gleichen die 49ers durch McCaffrey zum 24:24 aus.
Mit noch knapp zehn Minuten auf der Uhr legt San Francisco ein Field Goal nach und führt erstmals. Die Lions dagegen spielen einen vierten Versuch ohne Erfolg aus und können weiterhin keine Punkte in der zweiten Hälfte erzielen. Purdy antwortet mit großartigen Läufen, was normalerweise nicht seine Stärke ist. Elijah Mitchell vollendet für einen weiteren Touchdown. Zwar kommt Detroit noch einmal auf 31:34 heran, aber kurz darauf sind das Comeback für die 49ers und das tragische Ende für die Lions und ihr Märchen perfekt.
Quelle: ntv.de