"Ich denke, sie haben die Macht" Saudi-Arabien greift nun auch nach dem Tennis
26.06.2023, 15:04 Uhr
Tennis in Saudi-Arabien wird künftig ein gewohntes Bild für Sportfans werden. Bislang gab es im Königreich nur zwei Einladungsturniere in der Hauptstadt Riad.
(Foto: picture alliance/AP Photo)
Das Königreich Saudi-Arabien greift mit nahezu unerschöpflich scheinenden finanziellen Mitteln nach Macht im Weltsport. Superstars wie Cristiano Ronaldo spielen bereits für viel Geld in der Wüste, nun sollen auch die größten Tennisstars der Welt am Persischen Golf aufschlagen.
Saudi-Arabien arbeitet mit Nachdruck und viel Geld daran, sich auf der sportpolitischen Landkarte Raum zu verschaffen. Die Formel 1 dreht schon länger ihre Runden in der Hafenstadt Dschidda, den Golfsport hat man durch die Etablierung einer mit vielen Milliarden Dollar dotierten Gegenveranstaltung zur traditionellen PGA-Tour völlig durcheinander gewirbelt und in die heimische Fußballliga lockt man mit nahezu unbegrenzt viel Geld nach und nach zahlreiche der größten Spieler ihrer Generation.
Und Carlos Alcaraz, der Weltranglistenerste, ist sich sicher: Auch im Tennis wird das Königreich künftig schlagartig an Bedeutung gewinnen: "Keine Zweifel" habe der Spanier, der sich jüngst durch seinen Sieg beim Turnier im Londoner Queen's Club wieder zur Nummer 1 der Tenniswelt gemacht hatte, dass er in Zukunft auch in Saudi-Arabien spielen werde. Das Königreich habe die Macht, den Tennissport entscheidend zu verändern.
Alcaraz musste sich zu der Thematik äußern, nachdem Andrea Gaudenzi, der Chef der Vereinigung der Tennisprofis, enthüllt hatte, "positive" Gespräche mit dem saudischen Staatsfonds über ein mögliches Engagement auf der Profitour der Männer geführt hatte. Angesichts der enormen Geldsummen, über die der saudische Public Investment Fund (PIF) verfügt und die er - mal mehr, mal weniger offensichtlich - in den Weltsport zwischen englischer Premier League, Boxen und Formel 1 pumpt, ist eine Art Deal offenbar unvermeidlich. Der Spanier zeigte auch keine Anzeichen, dass er dagegen wäre. "Ich denke, sie haben die Macht, viele Turniere zu veranstalten", sagte der 20-Jährige. "Ich habe dort noch nie ein offizielles Turnier gespielt, und wir werden sehen, wie es in Zukunft sein wird. Aber ich habe keine Zweifel daran, dass ich in Zukunft dort spielen werde".
Keil durch die Golf-Elite
Für Einladungsturniere ließen sich bereits Stars wie Daniil Medwedew an den Persischen Golf fliegen, ein offizielles ATP-Turnier wurde in Saudi-Arabien noch nie ausgetragen. Das dürfte sich nun ändern, denn Gaudenzi hat mit dem PIF - und anderen Investoren - über die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für Veranstaltungen, Infrastruktur und Technologieinvestitionen gesprochen, wie der englische "Guardian" schreibt. In einem Gespräch mit der "Financial Times" machte der ehemalige Spitzenspieler jedoch deutlich, dass das Tennis auf keinen Fall den gleichen Weg gehen wolle, wie der Golfsport. Dort hatte die Etablierung der von Saudi-Arabien großzügigst finanzierten LIV-Serie einen Keil quer durch die Riege der Superstars getrieben: Wer Turniere der LIV-Serie spielte, durfte nicht mehr an Events der traditionellen PGA Tour teilnehmen.
Eine Spaltung, die für Ärger sorgte. "Wenn einer unserer Jungs gewinnt, werden alle anderen auf dem 18. Grün dabei sein", hatte der Chilene Joaquin Niemann, Starter auf der LIV-Serie, jüngst beim Mastersturnier in Augusta getönt, wo die gesamte Weltelite gemeinsam antreten konnte. "Das wird richtig lustig, denn sie hassen uns." Mit seiner Provokation stand der Chilene im sichtbar um Harmonie bemühten, geteilten Profilager allerdings ziemlich alleine da. "Je mehr Zeit wir miteinander verbringen, desto leichter wird es, mit der Situation umzugehen", sagte der nordirische Superstar Rory McIlroy, ein PGA-Veteran. 17 der 88 Starter spielen ihre reguläre Saison auf der LIV Tour. Inzwischen wurde verkündet, dass die PGA Tour und die Konkurrenz den Schulterschluss üben: Der bisher an der LIV Tour beteiligte saudische Staatsfonds wird Teilhaber einer neuen gemeinsamen Organisation.
Der überraschende Deal sorgte für Aufsehen - und hat Folgen: Der "Ständige Unterausschuss für Untersuchungen des Senats" der USA leitete ein Prüfverfahren zu dem Vorgang ein und forderte die PGA und LIV zu gezielten Auskünften auf. "Die Untersuchung ist der Schlüssel dazu, das mögliche Risiko durch die Übernahme der Kontrolle über eine wertgeschätzte amerikanische Institution durch Saudi-Arabiens Regierung einzuschätzen", begründete der demokratische Senator Richard Blumenthal als Vorsitzender des Ständigen Unterausschusses die Ermittlungen der Politik: "Ich erwarte von der PGA und LIV Informationen dazu, wie es zu dieser Vereinbarung mit dem saudischen Staatsfonds gekommen ist und wie die neue Organisation strukturiert sein soll und agieren wird. Wir fordern deswegen Aufzeichnungen, Dokumente und andere Beweise für wichtige Fakten an." Blumenthal wies in Briefen an die Spitzen von PGA und LIV zudem ausdrücklich auf Saudi-Arabiens "tief verstörenden" Umgang mit der Achtung von Menschenrechten als Auslöser für seine Untersuchungen hin: "Saudi-Arabien benutzt Investitionen im Sport, um strategische Ziele seiner Regierung zu verfolgen."
"Geschichte respektieren"
Gaudenzi warnte nun potenzielle Investoren, dass sie "die Geschichte des Sports und des Produkts respektieren und mit den derzeitigen Interessenvertretern zusammenarbeiten müssen, statt gegen sie". Man müsse "etwas bewahren, das fast heilig ist, nämlich die Spielregeln. Dies ist kein Videospiel, dies ist kein Film". Gaudenzi warnte vor einer Zersplitterung des Sports. "Sie wollen eine Rangliste und eine einfache Geschichte", sagte er. "Letztendlich will man, dass die besten Spieler bei den besten Turnieren der Welt spielen. Je mehr man fragmentiert und aufteilt, desto mehr Verwirrung stiftet man."
Gerüchte über das Interesse der Saudis am Tennissport kursieren seit mehr als einem Jahr. So wird erwartet, dass die ATP Next Gen Finals, das Saisonabschlussturnier für Spieler unter 21 Jahren, im Rahmen eines neuen Fünfjahresvertrags von Mailand nach Dschidda umziehen werden. Auch die WTA, die Profiorganisation der Frauen, hatte bereits verkündet, dass der PIF schon Interesse angemeldet habe, ein offizielles Tour-Event auszurichten.
Quelle: ntv.de, ter