Riesenlob für Kai Häfner Schon Abservierter lässt DHB-Auswahl glänzen
15.01.2022, 08:54 Uhr
Häfner setzt sich durch. Gegen Belarus und im deutschen Team.
(Foto: REUTERS)
Mit einem Sieg startet die deutsche Handball-Nationalmannschaft in die Europameisterschaft. Zu Beginn der Partie gegen Belarus sieht es gar nicht danach aus, doch dann drehen zwei auf, die zwischenzeitlich gar nicht mehr von Bundestrainer Gislason berücksichtigt wurden. Vor allem Kai Häfner brilliert.
Es ist als Handball-Nationalspieler nicht immer einfach bei einer Europameisterschaft. Johannes Golla sah angestrengt aus, als er sich am späten Freitagabend von der Rückbank eines weißen Kleinwagens quälte. Der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft wurde mit einem Shuttle-Fahrzeug des Veranstalters von der Arena in Bratislava zurück ins Teamhotel gebracht und musste in die Enge des Fonds des Fahrzeugs, weil Kollege Julius Kühn ebenfalls mitfuhr und noch ein paar Zentimeter größer als Golla ist. Kühn durfte deshalb vorne sitzen. So unbequem wie die Rückfahrt ins Hotel waren auch weite Teile der ersten 60 Minuten der deutschen Mannschaft bei der EM auf dem Spielfeld. Entscheidend war jedoch das Resultat, denn nach einem miesen Start im ersten Gruppenspiel gegen Belarus gab es letztlich einen verdienten 33:29-Erfolg - weil auf Golla und Kühn, aber vielmehr noch auf einen anderen Verlass war.
Es gab nach den ersten 60 Minuten der deutschen Eliteauswahl in Bratislava zwei Erkenntnisse, die all denen Hoffnung spenden können, die der deutschen Mannschaft die Daumen drücken. Überraschend ruhig war das Team geblieben, obwohl die Belarussen nach knapp elf Minuten 7:2 führten. Eine Mannschaft, in der es nach den Olympischen Spielen vor knapp sechs Monaten einen großen Umbruch gab und die zuvor miteinander keine Stresssituationen bei einem großen Turnier durchlebt hatte, verlor nicht den Glauben an sich, als die Startphase völlig missglückte.
"Alfred hatte uns darauf vorbereitet, dass wir in Rückstand geraten können", sagte Kühn: "Wir wussten, dass wir nicht unsere Linie verlieren dürfen und unser Tempospiel fortsetzen müssen." Für Marcel Schiller hat der Spielverlauf eine gute Seite. "Man wächst an jedem schwierigen Spiel, das man gewinnt. Deswegen ist dieser Sieg umso wertvoller. Wenn man sofort mit zehn Toren führt, lernt man nichts. Wir sind in diesem Spiel einen Schritt weitergekommen", sagte der Linksaußen.
Häfner brilliert mit Toren und Klugheit
Außerdem bewiesen zwei zwischenzeitlich auf dem Nebengleis geparkte Spieler, dass sie wichtige Säulen in der deutschen Mannschaft sind. Ohne Kai Häfner und Kühn, beide spielen in der Bundesliga für die MT Melsungen, wäre der Auftaktsieg bei dieser Europameisterschaft nicht geglückt. Nach der Partie erhielt der Halbrechte Häfner die Auszeichnung zum besten Spieler der Partie und selten war eine solche Wahl derart unumstritten. Häfner spielte eines der besten Länderspiele seiner Karriere, brillierte mit acht Toren und vielen klugen Anspielen - und war in der Offensive in der Lage, das gesamte Team zu tragen. Kühn überzeugte mit sechs Treffern, sodass das Melsunger Duo der Garant für den Erfolg war.
Häfner füllte in der Nationalmannschaft zum ersten Mal die Rolle der Führungsfigur aus. Immer wieder hatte der 32-Jährige in der Vergangenheit starke Auftritte im Deutschlanddress hingelegt, die Verantwortung für das deutsche Spiel trugen aber andere. Gegen die Belarussen war Häfner nicht nur Torschütze und Vorlagengeber, sondern parallel dazu Antreiber, Denker und Lenker. Nach der Partie wollte sich keiner seiner Kollegen festlegen, aber das erste EM-Spiel 2022 war das beste Länderspiel in der Karriere Häfners. "Man fühlt irgendwann im Spiel, dass man einen Flow hat, aber es kommt darauf an, trotzdem immer konzentriert zu bleiben", sagte er. Der Matchwinner genoss die Aufmerksamkeit, blieb sich aber treu und zurückhaltend.
"Kai war überragend"
Die Lobpreisung kam von höchster Stelle. "Kai war überragend. Das war das beste Spiel, das ich überhaupt von ihm gesehen habe", sagte Bundestrainer Alfred Gislason. "So gut habe ich ihn in dieser Rolle noch nicht gesehen", fügte Axel Kromer an. Der Sport-Vorstand beim DHB war beeindruckt von der Führungsstärke des Halbrechten, der vor ein paar Monaten ebenso wie sein Klubkamerad Kühn abgeschrieben schien. Im November waren beide bei Testspielen gegen Portugal nicht berücksichtigt worden - Gislason setzte im Rückraum nicht auf die Europameister von 2016. Es sah so aus, als sollten Häfner und Kühn in den Planspielen des Neuaufbaus keine Rolle mehr spielen.
In Bratislava zeigten beide, dass sie der Nationalmannschaft wichtige Impulse geben können - und sollen das auch am Sonntag (18 Uhr) im zweiten Gruppenspiel tun. Im "Bruderduell" gegen Österreich sind die Deutschen Favorit, denn die Österreicher verloren ihr Auftaktmatch gegen Polen klar mit 31:36 und hinterließen dabei keinen guten Eindruck. Ganz im Gegensatz zu den Deutschen, die nach desolaten ersten Minuten dank zweier erfahrener Akteure im Rückraum, die vor ein paar Wochen nicht für Hauptrollen im Spiel der DHB-Auswahl vorgesehen schienen, einen am Ende souveränen Auftaktsieg einfuhren.
Quelle: ntv.de