Stürze, Dramen und Ekstase Südkorea feiert goldenen Shorttrack-Irrsinn
17.02.2018, 18:51 Uhr
Shorttrack bietet ziemlich viel olympische Action.
(Foto: REUTERS)
Shorttrack, das ist in Südkorea mehr als ein Sport. Das ganze Land fiebert mit, wenn beim olympischen Heimspiel in Pyeongchang die Medaillen vergeben werden. Und leidet, wenn Publikumslieblinge stürzen. Diesmal passiert alles auf einmal.
Anna Seidel und drei der vier Herrenfinalisten haderten mit ihren olympischen Sturzdramen, Südkorea feierte derweil ausgelassen seine Shorttrack-Heldin: Die siebenmalige Weltmeisterin Choi Minjeong entschied das 1500-Meter-Finale scheinbar spielend leicht für sich und schenkte Südkorea das zweite Gold im Nationalsport. 12.000 Fans kamen aus dem Jubeln nicht mehr raus.

Südkoreanischer Schockmoment: Mitfavoritin Shim Sukhee stürzt im 1500-Meter-Rennen in der ersten Kurve.
(Foto: dpa)
Vor allem nicht, weil kurz darauf Lokalmatador Seo Yira beim Sieg des Kanadiers Samuel Girard Bronze über 1000 Meter gewann und dem Olympia-Gastgeber einen Festtag bescherte. Der tröstete die Südkoreaner auch über das Debakel von Lokalmatadorin Shim Sukhee. Ohne gegnerische Einwirkung stürzte die Ex-Weltmeisterin und Olympia-Zweite von Sotschi kurz nach dem Start in einer Kurve und schied zum Entsetzen der Zuschauer schon in der ersten Runde aus.
Die deutsche Hoffnungsträgerin Seidel hatte ebenfalls nur wenig Grund zur Freude. Nach zwei Stürzen in zwei Rennen scheiterte die 19-Jährige bei den Winterspielen in Pyeongchang im Halbfinale. Die Dresdnerin erreichte mit dem Einzug in die zweite Runde zwar ihr Teilziel, blieb im Kampf um die Medaillen letztlich aber chancenlos und litt. "Mein Laufanzug wurde von Mal zu Mal nasser. Es reicht jetzt auch erst einmal", sagte Seidel nach ihren bitteren Stürzen in ihrem wichtigsten Olympia-Wettkampf. Dort galt für sie: Erst ausgehebelt, dann ausgerutscht, fast alles lief schief und richtig erklären konnte sie sich das nicht: "Für den ersten Sturz konnte ich überhaupt nichts. Beim zweiten Mal bin ich überfragt. Ich hatte viel Schräglage, die Schiene ist einfach weggegangen."
Seidel hatte sich für das Halbfinale erst nach einem Sturz qualifiziert. Im Viertelfinale ging sie nach einer Berührung mit der Amerikanerin Jessica Kooreman zu Boden, durfte nach einer Juryentscheidung in der nächsten Runde aber antreten. "Sie ist mir so stark in die Schiene gelaufen, dass ich keine Chance mehr hatte", sagte Seidel. Nach dem Sturz rappelte sie sich schnell wieder auf, lief ins Ziel und wartete im Innenraum minutenlang auf die Entscheidung der Kampfrichter.
Im Halbfinale der längsten Einzelstrecke lief es für Seidel zunächst gut, lange hielt sie sich in der Spitzengruppe auf. In der zehnten von 14 Runden rutschte sie in einer Kurve aber ohne Fremdeinwirkung weg - das Aus war besiegelt. "Das gehört zum Sport leider dazu. Es ist schade, ich habe mich echt gut gefühlt. Ich hätte gerne mehr gezeigt", sagte Seidel.
Begeisternden Kulisse
Ihre Vereinsgefährtin Bianca Walter war schon im Vorlauf als Fünfte ausgeschieden. "Es ist nicht meine Strecke. Ich freue mich jetzt auf die 1000 Meter. Bis fünf Runden lag ich auf Position zwei, doch dann wurden die Beine fest", sagte die Dresdnerin. "Es war gigantisch, vor dieser begeisternden Kulisse von 12.000 Fans zu laufen", schwärmte sie dennoch.
Vor begeisternder Kulisse verpasste die Niederländerin Jorien ter Mors als Fünfte nur knapp ein Olympia-Novum. Drei Tage nach ihrem Eisschnelllauf-Sieg über 1000 Meter hätte sie mit einer Medaille in die Geschichtsbücher laufen können. Noch nie waren einer Athletin in zwei verschiedenen Sportarten Medaillen bei denselben Spielen gelungen - ein Kunststück, das nun demnächst die Super-G-Sensationssiegerin Ester Ledecká vollbringen dürfte.
Für Herzrasen bei den Zuschauern sorgte aber auch das 1000-Meter-Finale der Herren. Nicht, weil der Kanadier Samuel Girard nach starkem Endspurt gewann. Sondern weil hinter ihm drei seiner vier Rivalen stürzten - darunter zwei südkoreanische Favoriten. Als Verantwortlichen disqualifizierte die Jury den Ungarn Shaolin Sandor Liu. Olympia-Silber sicherte sich der Amerikaner John-Henry Krueger vor dem Südkoreaner Seo Yi Ra, der sich als Erster nach dem Sturz aufgerappelt hatte.
Quelle: ntv.de, cwo/dpa/sid