Fußball

Das Phänomen SC Paderborn Der Klub, bei dem sich die Bundesliga bedient

Eine wehende Fahne des SC Paderborn.

Beim SC Paderborn wurden zuletzt zahlreiche Spitzenkräfte ausgebildet.

(Foto: Friso Gentsch/dpa/Archiv)

Mehr als ein halbes Dutzend namhafter Trainer und Funktionäre haben ihre Laufbahn beim SC Paderborn begonnen. Und die aktuellen Führungskräfte des Fußball-Zweitligisten scheinen den Ruf als Talentschmiede zu bestätigen. Ein prominenter Versuch dagegen ging einst schief.

Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass ausgerechnet das Projekt mit Stefan Effenberg grandios gescheitert ist. Während der SC Paderborn sich seit Jahren als ideale Startrampe für Trainer und Funktionäre mit vermeintlich kleinem Namen erweist, legte er mit dem früheren Nationalspieler und Bayern-Kapitän die einzige echte Bauchlandung hin. Der 2019 verstorbene Wilfried Finke, mit zwei kurzen Unterbrechungen 21 Jahre Mäzen und Präsident des SC, erkannte 2016 unter dem danach nie wieder als Trainer arbeitenden Effenberg "eine Hollywood-Welt, die nicht zu Paderborn passt".

Viel bodenständiger klang es, was der neue Sportdirektor Benjamin Weber kürzlich bei seiner Vorstellung erklärte. Der Verein sei "rechtschaffen, zielstrebig, ehrlich und innovativ. Diese Werte sind auch meine", sagte Weber, der zuvor als Assistent von Thomas Tuchel in Weltstädten bei den Weltklubs Paris Saint-Germain und FC Chelsea gearbeitet hatte. Und Präsident Thomas Sagel bestätigte, dass man beim SCP die Funktionäre nicht nach Namen aussucht. "Keiner aus unserem fünfköpfigen Ausschuss kannte Benjamin Weber vorher", sagte Sagel: "Aber er bringt fast alles mit, was wir brauchen."

"Spieler, Trainer und Sportchefs fürs Oberhaus"

Damit, vermeintlich Namenlosen die wichtigsten Ämter anzuvertrauen, ist man in Ostwestfalen gut gefahren. Und die Betroffenen selbst sind es auch. "Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder Spieler, Trainer und Sportchefs an das Oberhaus geliefert", sagte Sagel. Damit sei man so etwas wie "der Selbstbedienungsladen der Bundesliga" gewesen.

St. Paulis Trainer Jos Luhukay steht vor dem Spiel im Stadion. Foto: Swen Pförtner/dpa

In den Nuller-Jahren startete Jos Luhukay seineKarriere als Chef-Trainer auf höherer Ebene in Paderborn

(Foto: Swen Pförtner/dpa)

In den Nuller-Jahren starteten Pavel Dotchev und Jos Luhukay ihre Karrieren als Chef-Trainer auf höherer Ebene in Paderborn, seit 2011 waren es der spätere Gladbach-Coach André Schubert, der über Leverkusen oder Eindhoven zu Benfica Lissabon gekommene Roger Schmidt, der nach Stationen in Hannover oder auf Schalke heute in Hoffenheim arbeitende André Breitenreiter und der in Köln für Furore sorgende Steffen Baumgart. Dazu kommen auf Funktionärsebene Eintracht Frankfurts Vorstand Markus Krösche sowie Fabian Wohlgemuth, der im Winter als Sportdirektor zum Bundesligisten VfB Stuttgart wechselte. Am Dienstag (18 Uhr/Sky und im Liveticker bei ntv.de) folgt im DFB-Pokal-Achtelfinale das schnelle Wiedersehen.

"Nach heutigem Kenntnis-Stand ist Paderborn tatsächlich der perfekte erste Schritt für die 1. oder 2. Bundesliga", sagte der aktuelle Trainer Lukas Kwasniok: "Deshalb entwickeln sich ja nicht nur Trainer und Funktionäre, sondern auch Spieler." Neben der medialen Ruhe und der im Verein, "die einen auch mal Fehler machen lässt, aus denen man lernen kann", hat der 41-Jährige aber zwei ebenso überraschende wie schlüssige Antworten auf das Erfolgs-Geheimnis parat. "Wir haben so ein bisschen ein graue-Maus-Image. Also müssen wir uns über offensiven Fußball definieren, um attraktiv zu sein für Fans und neue Spieler. Das führt vielleicht dazu, dass man als Trainer und Funktionär ins Blickfeld gerät", sagte er: "Zudem kann hier jeder neue Ideen und eine persönliche Note einbringen, weil wir ein relativ junger Verein sind und noch nicht so festgefahrene Strukturen herrschen."

"Der Umbruch ist hier Geschäftsgrundlage"

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"Ich bin mal gespannt, wohin die Reise den SCP in den kommenden zehn Jahren noch so führt", sagt Roger Schmidt.

(Foto: IMAGO/LaPresse)

Doch mit dem ständigen Abgeben der besten Kräfte soll nun Schluss sein, sagte Präsident Sagel. Der "Selbstbedienungsladen der Bundesliga" will man nicht länger sein. Doch der SC Paderborn ist zwar finanziell gesund, aber er ist eben ein klassischer Ausbildungsverein. Und mehr als die meisten anderen nicht nur für Spieler. "Der Umbruch ist hier Geschäftsgrundlage", sagte Wohlgemuth. Was den Verein ausmacht, erklärte Krösche, der den SCP nach 16 Jahren als Spieler und Funktionär bestens kennt, schon vor Jahren. "Paderborn war jetzt nicht von Natur aus die Fußballstadt, entwickelt sich aber mehr und mehr dorthin", erklärte er: "Wir sind ein familiärer Verein. Jeder kennt jeden. Die Wege sind kurz. Das ist ein Pluspunkt. Den Charme sollten wir uns auch erhalten."

Das ist auch nach dem Tod Finkes gelungen. Das bestätigt auch Roger Schmidt, der Paderborn als "zweite Heimat" bezeichnet und von Lissabon aus weiter genau beobachtet. "Der SCP wirtschaftet gut, entwickelt sich Schritt für Schritt weiter und ist immer - wie die beiden Aufstiege in die 1. Liga gezeigt haben - für eine Sensation gut", sagte er dem "Westfalen-Blatt": "Ich bin mal gespannt, wohin die Reise den SCP in den kommenden zehn Jahren noch so führt." Die Ziele sind jedenfalls ambitioniert. "Der Verein will vorwärtskommen, das Fundament etwas breiter machen. Damit wir im Falle eines positiven Unfalls in der Lage sind, diesen Unfall länger genießen zu können", sagte Kwasniok. Nach den Gastspielen 2014/15 und 2019/20 ist die Lust auf Bundesliga beim Zweitliga-Fünften geweckt. Und vielleicht kann man sie ja auch ausleben, ohne den Verein zu wechseln.

Quelle: ntv.de, tno/dpa

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