Reiner Calmund feiert Geburtstag "Dickes kleines Bandito" im Zirkus Sarrasani
23.11.2018, 07:23 Uhr
"An erster Stelle steht Fußball, dann kommt essen, dann quatschen": Reiner Calmund vor 20 Jahren.
Fußball, essen und quatschen, das sind Reiner Calmunds liebste Beschäftigungen. Der ehemalige Fußballmanager ist ein Entertainer, der bei allen Zehn Geboten was zu sagen hat. Nun verrät er, wie er sich als Pornodarsteller nennen würde.
Der ehemalige Manager und heutige Allround-Entertainer Reiner Calmund hat einmal gesagt: "An erster Stelle steht Fußball, dann kommt essen, dann quatschen." Das kann man so stehen lassen. Wiewohl sich mit den Jahren die Rangfolge möglicherweise etwas verschoben hat. "Dickes kleines Bandito", wie der brasilianische Profi Tita seinen Boss gerne nannte, hat das Thema Essen bewusst oder unbewusst auch medial zu seinem Steckenpferd werden lassen.
Mit nun 70 Jahren passen die Selbstbeschreibungen "positiv bekloppter Kugelblitz" und "Dampfmaschine" immer noch. Calmund zeichnet eine ausgesprochen angenehme Lust am Leben aus. Er ist ein Mann, der gerne den schönen Genüssen frönt und dies auch zugibt: "Ich bin sehr konservativ katholisch erzogen worden, habe deshalb häufiger im Beichtstuhl gesessen. Ich hatte bei allen Zehn Geboten was zu sagen." So wurde er einmal gefragt: "Wann haben Sie zuletzt gelogen?" Und der Ex-Manager des Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen antwortete: "Als ich zu meinem achtjährigen Sohn Marcel sagte: Schade, dass unser Haus abgebrannt ist, sonst hättest du in Papas Zeugnissen sehen können, dass er der Beste in der Schule war. Da schimpfte er: Ist gelogen - das Haus ist gar nicht abgebrannt!"
Uli Hoeneß vom FC Bayern bewunderte stets eine Sache besonders an seinem Kollegen: "Der sagt zu allem irgendwas. Stoßen in Tschechien zwei Spieler mit dem Kopf zusammen, weiß er, dass das in Leverkusen 1934 auch schon passiert ist." Doch 2004 war mit dem Fußball und Calmunds großer Liebe fürs Erste Schluss. Damals sagte er: "Nach 27 Jahren Zirkus Sarrasani muss ich mich erholen und will bis Januar eine Fußballpause machen." Die Auszeit dauert bis heute an. Zuvor hatte Calmund eine beispiellose Karriere hingelegt. Er machte aus dem seelenlosen Pillen-Klub Bayer Leverkusen einen Bundesligaverein mit Geschichte und Geschichten. Sein Motto: "Krisen? Krisen gibt es nicht. Ohren steif, Stahlhelm auf und durch die Scheiße durchmarschiert." Seine Devise: "Im Fußball ist es wie im Eiskunstlauf - wer die meisten Tore schießt, der gewinnt."
"Gut, Jung. Machen wir es so"
Ein Mann, der seine Spieler liebte und sie deshalb gerne auch besonders hart kritisierte: "Die Spieler sind heute zum Teil kleine Bratwürste. Schlafmützen, die pennen, und kommen nicht aus den Füßen. Heute schleicht sich keiner aus dem Trainingslager, früher mussten wir die Jungs mit dem Lasso einfangen. Heute holen sich die Spieler brav den Schlüssel an der Rezeption, nehmen ihr Handy, ihren Kopfhörer - dann geht es ding, ding, dumm. Den ganzen Tag: Essen, Massage, ding, ding, dumm. Früher haben die Frauen angerufen, dass die Männer nicht ausbüxen. Heute rufen die Jungs an, ob ihre Frauen noch zu Hause sind."

Flamenco: Calmund 1987 bei einer Feier des Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen in Barcelona.
(Foto: imago/Horstmüller)
Legendär war auch Calmunds Taktik bei Vertragsverhandlungen. Im wunderbaren Buch "Der Traumhüter" von Ronald Reng schildert der ehemalige Hobbykicker Lars Leese seinen Aufstieg zum Bundesligaprofi in Leverkusen und die außergewöhnliche Vertragsverhandlung mit dem Manager: "In seinem Büro ging Reiner Calmund um den Schreibtisch herum, öffnete eine Schublade und zog zwei Formulare heraus. Standard-Lizenzspielerverträge. Und, was schreiben wir jetzt hier rein? Calmund unterbrach sich selbst. Ach, komm, machen wir es anders; machen wir ein Spielchen. Spielchen? Wir nehmen zwei Zettel, jeder schreibt einen Betrag auf, und dann schauen wir mal, wie weit wir auseinanderliegen. Ich glaubte das nicht. Ich glaubte es nicht. Ich glaubte … zu versinken. Herr Calmund, das kann ich nicht machen. Da kann ich nur verlieren. Ich habe doch keine Ahnung, was so ein Profi verdient. Schreib ich zu viel auf, sagen Sie mir: Was bist du denn für ein überhebliches Arschloch. Fordere ich zu wenig, lachen Sie sich tot. Calmund überlegte kurz. Gut, Jung. Machen wir es so: Du bekommst mindestens das, was ich aufschreibe. Abgemacht? Abgemacht."
"Das Abstiegsgespenst liegt in meinem Bett"
Für Bayer tat Calmund alles. In launiger Runde erzählte er einmal von einer Partie gegen den FC Bayern, bei der die halbe Werkself verletzt war. Calmund entwickelte den Plan, das Spiel ausfallen zu lassen. Mit allen Mitteln. Und wie durch ein Wunder spielte ihm das Wetter in die Karten. Es schneite. Doch das hätte für eine Spielabsage noch nicht gereicht. Also, was tun? "Da hab ich ein paar Eis-Stellen unter den Schnee auf den Rasen gehauen", erzählte er und lachte. Dumm war nur, was am nächsten Morgen geschah: "Der Schnee ist geschmolzen, die Eis-Stellen waren aber immer noch da. Musste ich die alle selbst wieder abhacken. Ich konnte da ja schlecht einen fragen. Und so hatte ich Blasen an den Händen, und das Spiel fand trotzdem statt." Dieses Mal. Doch Calmund sagte: "Aber es ist auch schon mal gelungen!"
Persönlich übel genommen hat Calmund seinen Bayer-Profis den Abstiegskampf 2002/2003. Damals war er am Rand des Nervenzusammenbruchs: "Ich kann nicht einfach die Tür zu und die Lampe ausmachen, denn das Abstiegsgespenst liegt in meinem Bett." Elementare Dinge funktionierten nicht mehr. Das ganze Gefüge war durcheinander gewirbelt. Calli schien hilflos: "Bei uns kann jeder Spieler eine Rolex tragen, Ferrari fahren und Gucci-Unterhosen tragen. Doch wenn er sich auszieht und spielt, muss er Dreck fressen." Kurz zuvor hatte Calmund die finanziellen Einbußen durch die Kirch-Krise noch gewohnt humorvoll kommentiert: "In der Not müssen wir alle den Gürtel enger schnallen. Da flankt eben einer für 300.000 statt für 400.000 Euro hinter das Tor." Und woher der Spieler dann kommt, war eigentlich auch egal: "Bis zum 25. Mai werden wir uns nicht mit Personalien beschäftigen. Dann werden wir sehen, ob Willi Schmitz oder Tutti Frutti aus Südamerika zu uns kommen werden." Am liebsten hat er in all den Jahren übrigens mit der Frau des blonden Engels Bernd Schuster verhandelt. Als er nach den Gesprächen mit Gaby meinte, jeder Profi sollte eine Frau als Managerin haben, fühlte sich die Spielerberater-Legende Norbert Pflippen zu einer Verzweiflungstat animiert: "Ich bin in den nächsten Laden und habe mir eine Perücke und einen Lippenstift gekauft."
Über sein Äußeres - man nannte ihn wie den argentinischen Weltmeistertrainer César Luis Menotti "El Flacco" (der Dürre) - hat der selbsternannte "Bauch der Nation" viel gehört und gesagt: "Es liegt nicht an den Genen. Ich esse einfach aus Vergnügen." Und: "Ich war selbst Jugendtrainer, bevor ich den Medizinball verschluckt habe." Über sein Gewicht wurden stets Scherze gemacht. So witzelte Max Merkel: "Im Eisschrank hatte er nur noch das Nötigste: 20 Schnitzel, 33 Frikadellen." Stefan Raab sagte: "Fastenzeit heißt für Reiner Calmund: Mehrere Wochen werden die Knochen nicht mitgegessen."
Er nahm all das mit Humor. Als er einmal in der TV-Sendung "Inas Nacht" gefragt wurde, wie er sich selbst als Pornodarsteller nennen würde, antwortete er spontan: "Der flinke Dicke". Einmal wollte ein Reporter wissen: "Was ist wahrscheinlicher? Dass Sie Ihr Idealgewicht erreichen oder dass Leverkusen Deutscher Meister wird?" Reiner Calmund: "Dass Bayer Meister wird." Alles Gute zum 70. Geburtstag!
Quelle: ntv.de