Bei Ein- und Auswechslungen Engländer bereiten eine Regel-Revolution vor
22.12.2022, 11:48 Uhr Artikel anhören
Christoph Kramer zog sich im WM-Finale 2014 eine Kopfverletzung zu.
(Foto: picture alliance / Gladys Chai von der Laage)
Im Profifußball ist es seit jeher verboten, einen ausgewechselten Spieler wieder einzuwechseln. Das gibt es nur in den Niederungen des Amateursports. Doch die Premier League will diese Regel abschaffen - damit Trainer und Verantwortliche besser auf mögliche Kopfverletzungen reagieren können.
Die englische Premier League will zum Schutz vor Gehirnerschütterungen ab der nächsten Saison kurzfristige Ein- und Auswechslungen ermöglichen. Wie aus einem Bericht des "Guardian" hervorgeht, habe die Liga das für Regeländerungen im Fußball zuständige International Football Association Board (IFAB) schriftlich aufgefordert, ab kommenden Sommer vorübergehende Spielerwechsel zu testen. So könnten am Kopf getroffene Fußballer mit Verdacht auf Gehirnerschütterung kurzzeitig ausgewechselt und dadurch länger medizinisch untersucht werden.
Sollte sich eine Gehirnerschütterung bestätigen, würde der für die Dauer der Behandlung eingesetzte Ersatzspieler im Spiel bleiben. Andernfalls könnte der zuvor Ausgewechselte wieder eingewechselt werden. Den Antrag beim IFAB will die Premier League laut "Guardian" zusammen mit der französischen Ligue 1 und der US-Liga MLS stellen. Eine Antwort werde demnach im kommenden Frühjahr erwartet.
Die Diskussion um angemessene Reaktionen auf mögliche neurologische Kopfverletzung nimmt im Fußball immer größeren Raum ein. Ende Dezember 2020 hatte das IFAB eine Testphase für eine Regeländerung zu diesem Komplex verabschiedet: "Das IFAB ist der Meinung, dass Spieler beim geringsten Verdacht auf eine Gehirnerschütterung "definitiv" aus dem Spiel ausscheiden sollten, ohne dass ihr Team dadurch einen numerischen Nachteil erleidet", schrieben die Regelhüter und beschlossen, eine zusätzliche Auswechslung beim Verdacht auf eine Kopfverletzung zu erlauben.
Bei der jüngst zu Ende gegangenen Weltmeisterschaft in Katar kam die Regel erstmals bei einem Weltturnier zur Anwendung. Der prominenteste Fall ereignete sich im Finale: Frankreich, das Argentinien nach Elfmeterschießen unterlag, durfte während der 120 Minuten siebenmal wechseln: Zu fünf regulären Auswechslungen kam eine zusätzliche durch die Verlängerung hinzu, dazu lag bei Mittelfeldspieler Adrien Rabiot ein Verdacht auf eine Kopfverletzung vor, er durfte zusätzlich ausgewechselt werden - unabhängig davon, ob sich der Verdacht bestätigte oder nicht.
"Arzt trifft endgültige Entscheidung"
Der Schiedsrichter hatte bei der Weltmeisterschaft keine Handhabe, auf der Auswechslung eines mutmaßlich verletzten Spielers zu bestehen. Als Reaktion auf die offensichtliche Kopfverletzung, die DFB-Spieler Christoph Kramer im WM-Finale 2014 gegen Argentinien erlitt und daraufhin zunächst weiterspielte, etablierte die FIFA ein einheitliches Vorgehen für solche Fälle: "Der Vorschlag sieht vor, dass der Schiedsrichter bei einem Verdacht auf eine Gehirnerschütterung das Spiel für drei Minuten unterbrechen kann, damit der zuständige Mannschaftsarzt eine Untersuchung auf dem Spielfeld durchführen und entscheiden kann, ob bei dem Spieler eine Gehirnerschütterung vorliegt", schreibt die FIFA. "Der Schiedsrichter lässt den Verletzten nur mit Genehmigung des Mannschaftsarztes weiterspielen, der die endgültige Entscheidung trifft."
Die Geschichte des Auswechselns ist im Fußball überhaupt noch vergleichsweise jung: Seit 1967 dürfen Spieler ausgewechselt werden, egal, ob als Reaktion auf Verletzungen oder aus taktischen Gründen. Zunächst war es nur ein Spieler pro Partie, seit 1994 darf dreimal gewechselt werden. Ausgewechselte Spieler dürfen bislang nicht wieder eingewechselt werden.
Quelle: ntv.de, ter/dpa