Sancho, Hudson-Odoi & Co. In England reift goldene Generation heran
29.03.2019, 10:55 Uhr
Jung und verdammt gut: Jadon Sancho und Callum Hudson-Odoi.
(Foto: imago images / PRiME Media Images)
Bei der WM in Russland erreicht das englische Fußball-Nationalteam mit Trainer Gareth Southgate das Halbfinale, nun setzt es in der EM-Qualifikation seinen Aufwärtstrend fort. In den ersten zwei Spielen erzielten die Three Lions satte zehn Tore. Ihnen könnte eine goldene Zukunft bevorstehen.
Nach den ersten zwei Qualifikationsspielen für die Europameisterschaft 2022 reden alle über die englische Fußball-Nationalmannschaft - allerdings aus einem sehr hässlichen Anlass. Weil einige Zuschauer bei der Partie in Podgorica gegen Montenegro Affenlaute und andere Beleidigungen gegenüber schwarzen Spielern wie Raheem Sterling und Callum Hudson-Odoi von sich gaben, dreht sich in dieser Woche in England alles um den Rassismus-Eklat. Völlig zu Recht. Dabei gibt es gute Gründe, über die Leistung zu sprechen.
Das englische Nationalteam ist fulminant mit zwei Kantersiegen in die EM-Qualifikation gestartet. Einem 5:0 gegen Tschechien folgte ein 5:1 in Montenegro. Die Bilanz: 24 Schüsse aufs Tor, zehn Treffer, sechs Punkte. Auf dem Rasen stand dabei eine sichtlich hungrige Truppe mit einem Altersdurchschnitt von 23,8 Jahren gegen Tschechien und 24,7 Jahren im zweiten Spiel. Knüpfen die Three Lions in den kommenden Spielen an diese Leistungen an, dürften sie nicht nur zu den Favoriten bei der pankontinentalen EM, sondern auch bei der Weltmeisterschaft 2022 in Katar zählen.
Kaum jemand verkörpert die neue Generation so sehr wie die Flügelspieler Jadon Sancho von Borussia Dortmund, 19 Jahre alt, und Callum Hudson-Odoi vom FC Chelsea, die drei der zehn Tore vorbereiteten. Hudson-Odoi, der auf der Wunschliste des FC Bayern und vieler anderer europäischer Topklubs steht, wurde gegen Tschechien mit 18 Jahren und 135 Tagen zum zweitjüngsten Nationalspieler in der Geschichte Englands. Im Zusammenspiel mit dem 25 Jahre alten Harry Kane von Tottenham Hotspur, der zwei Tore erzielte, und dem ein Jahr jüngeren Raheem Sterling von Manchester City, der viermal traf und dreimal vorlegte, entwickelten sie eine Durchschlagskraft im Angriff, die man von dem Team so nicht kannte.
Southgate besitzt "emotionale Intelligenz"
Im Mittelfeld überzeugte eine kampfstarke und spielfreudige Dreierachse: der 20-jährige Declan Rice von West Ham United, der zwei Jahre ältere Dele Alli von Tottenham und vor allem Ross Barkley vom FC Chelsea, 25 Jahre alt, der drei Tore und zwei Assists zum gelungenen Qualifikationsstart beisteuerte. Und in der Abwehr liefen hochveranlagte Spieler wie der 20 Jahre alte Liverpooler Trent Alexander-Arnold und der 22 Jahre alte Ben Chilwell von Leicester City auf. Bei den nächsten Turnieren werden die meisten dieser Talente Anfang oder Mitte 20 sein. Deshalb ist es wichtig, dass neben den Senkrechtstartern Führungsspieler wie die 28 Jahre alten Jordan Henderson vom FC Liverpool und Kyle Walker von Man City für Erfahrung und Abgeklärtheit sorgen. Auch Kane zählt dazu.
Dass England durchstartet, ist auch der Verdienst Gareth Southgates. Der Trainer, der einst 57 Mal für die Nationalmannschaft spielte, hat es geschafft, aus veranlagten Ausnahmekönnern ein Kollektiv zu formen. Der britische "Guardian" attestiert ihm "emotionale Intelligenz". Als Außenverteidiger Danny Rose im vergangenen Jahr wegen einer Depression seiner Form hinterherlief, baute ihn Southgate auf. Als Stürmer Fabian Delph während der WM in Russland die Geburt seines Kindes erwartete, erlaubte ihm Southgate, zu seiner Familie zu fliegen, obwohl das extrem wichtige Viertelfinalspiel gegen Kolumbien bevorstand, das England im Elfmeterschießen gewann. Southgate schafft es also immer wieder, die Wünsche seiner Spieler zu berücksichtigen.
Gesunder Konkurrenzkampf
So sorgt er für ein gutes Klima beim Nationalteam. Southgate berichtete, dass er überrascht gewesen sei, wie Sterling sich um den jungen Sancho kümmerte, als dieser zum ersten Mal dabei war. "Es wäre sehr leicht für Sterling gewesen, zu sagen: 'Er (Sancho) ist mein Konkurrent, also beschäftigte ich mich nicht mit ihm'", sagte Southgate im vergangenen Oktober. "Er hat ihm aber im Training immer wieder Ratschläge gegeben." Das führt wiederum dazu, dass die Atmosphäre im Teamhotel Southgate schon mal an die in einem "Jugendklub" erinnere. Man höre die Spieler lachen, Witze machen, Spaß haben.
Die vielleicht beste Nachricht: Im laufintensiven 4-3-3-System von Southgate ist jede Position mindestens doppelt besetzt. Das sorgt für einen gesunden Konkurrenzkampf. Mitunter müssen sich Spieler wie Marcus Rashford und Phil Stones von Man United, 21 und 24 Jahre alt, sowie Eric Dier und Harry Winks von den Hotspurs, 25 und 23 Jahre alt, hinten anstellen. Und in der U21 warten mit den 18 Jahre alten Ryan Sessegnon und Phil Foden vom FC Fulham und Manchester City sowie dem 22-jährigen Demarai Gray aus Leicester Rohdiamanten, die wie Sancho und Hudson-Odoi Stars von morgen werden könnten.
Beim Spiel gegen Tschechien hielten die englischen Fans ein Banner in die Luft, auf dem stand: "Our Time". Unsere Zeit also. Es kann gut sein, dass sie Recht behalten und Englands große Stunde gerade geschlagen hat - und dass diese noch einige Jahre anhalten wird.
Quelle: ntv.de