
Jürgen Klopps Herz schlägt künftig für Red Bull.
(Foto: Craig Thomas/News Images via ZUM)
Jürgen Klopp kehrt mit einem Paukenschlag in den Fußball zurück: Der Meistertrainer wird Chef des Fußball-Programms von Red Bull. Das ist unpopulär, passt aber zu Klopps jüngsten Lebensentscheidungen.
Es wollte ihm ja niemand glauben: Seit seinem höchst emotionalen Abschied vom FC Liverpool, den Jürgen Klopp eine knappe Dekade lang so geprägt hat, wie noch kein ausländischer Trainer zuvor, musste er immer und immer wieder versichern: Nein, er werde zeitnah nicht als Trainer arbeiten. "Kein Klub, kein Land für das nächste Jahr. Das kann ich versprechen. Ich werde natürlich irgendwann wieder etwas tun. Ich bin zu jung, um nur noch Padel-Tennis und Enkelkinder zu machen. Vielleicht finde ich etwas anderes", sagte er jüngst.
Nun hat Klopp tatsächlich Tatsachen geschaffen - und überrascht damit: Klopp, der es auf allen seinen emotionalen Trainerstationen zur Legende geschafft hat, wird "Global Head of Soccer" bei Red Bull. Es ist ein Paukenschlag. Für die allermeisten eine Überraschung, für ganz viele irritierend. Und doch passend zur Lebensentscheidung Klopps.
Vor rund einer Woche wurde Jürgen Klopp von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Die Menschen lieben Jürgen Klopp, selbst über viele Demarkationslinien des Fußballs hinweg. Fans von Manchester United zollen dem Deutschen Respekt, der den emotional und sportlich zerstörten großen Rivalen FC Liverpool heilte und reparierte, auch Schalker halten den zweifachen Meistertrainer von Borussia Dortmund für das Bundestraineramt für satisfaktionsfähig. Die bundesdeutsche Fußball-Sehnsucht ist ein Bundestrainer Klopp.
"Keine Geld-Idee"
Nun wird Volksheld Klopp für Red Bull arbeiten, für viele Fußballfans Feindbild Nummer eins. Das Engagement des Brausekonzerns im Fußball ist höchst umstritten, die Vorgaben nationaler Verbände und der UEFA werden durch das multi-nationale Konstrukt häufig mindestens gedehnt. Die Idee, dass ein Konzern derart massiv in den Fußball eingreift, wie es die Österreicher machen, sorgt für Widerstand.
Marco Rose, Trainer von RB Leipzig, lobte jüngst die Fans des FC St. Pauli und beschrieb damit die Situation seines Klubs in der Bundesliga: "Es war sehr angenehm hier", sagte der 48-Jährige, einst Teil der wilden emotionalen Achterbahnfahrt, die Klopp bei Mainz 05 hinlegte. "Ich habe noch nie eine Stadionanfahrt erlebt als RB, wo ich keinen Mittelfinger gesehen habe. Man mag uns hier nicht und das zeigt man subtil. Und das, finde ich, hat eine gewisse Klasse."
Nicht nur knallharte Traditionalisten schaudert es nun also beim Gedanken, dass einer wie Klopp, der sich über Jahrzehnte mit großen Emotionen mitten ins Herz des deutschen Fußballs gearbeitet hat, für die Fußball-Abteilung eines Konzerns arbeiten soll. "Viele Fans werden sich verraten fühlen", sagte ntv-Sportmoderator Timo Latsch in einer ersten Einschätzung zum Coup von Red Bull. Damit dürfte er recht haben.
Und doch: Für Klopp passt es. Der Trainer selbst hatte das Konstrukt Red Bull im Sommer 2022 verteidigt, Leipzig habe "keinem Traditionsverein irgendwas weggenommen", sondern sei "ganz einfach einen neuen Weg gegangen", sagte er damals. Ganz am Anfang "mag Geld eine große Rolle gespielt haben. Das ist schon lange nicht mehr so. Leipzig hat keinen Deut mehr Geld als andere Bundesliga-Vereine", hatte Klopp gesagt: "Das ganze Prinzip ist, junge Spieler aufzubauen. Die ganze Idee ist eine Fußball-Idee und nicht eine Geld-Idee."
"Stärkster Neuzugang in der Red-Bull-Geschichte"
Klopp weiß natürlich, dass das zumindest eine verkürzte Darstellung ist: Red Bull hat mit dem kostspieligen Aufbau und Unterhalt seiner verschiedenen Dependancen strategisch - Respekt dafür - einen Verschiebebahnhof für junge Spieler geschaffen, zwischen Red Bull Salzburg und RB Leipzig wechselten schon rund zwei Dutzend Spieler. Möglichkeiten, die andere Bundesligisten nicht haben.
Er werde nicht ins Tagesgeschäft involviert sein, verkündet der stolze Konzern zur Rolle seines "herausragenden und sicherlich stärksten Neuzugangs in der Fußballgeschichte von Red Bull". Genau darum dürfte es Klopp gegangen sein. Chef-Stratege Klopp wird seine Termine weitestgehend selbst bestimmen, DFB, FIFA, UEFA und die Erfordernisse des Ligaalltags greifen nicht mehr unmittelbar in seinen Alltag ein.
Das passt blendend zur mindestens kurzfristigen Lebensplanung Klopps, der mehr als 20 Jahre lang unter Vollstrom an den Seitenlinien der Welt entlang wütete, litt, jubelte, eskalierte. Im Existenzkampf mit Mainz 05, wo er Tragödien und Triumphe produzierte, beim BVB, den er zweimal zum Meistertitel sowie zum DFB-Pokalsieg führte und dann ausgelaugt unter Tränen - den eigenen und die Zehntausender anderer - seinen Abschied nahm.
Der Weg zum DFB bleibt kurz
Und schließlich für den FC Liverpool, den er aus der Depression zurück zu altem Glanz führte. Immer Vollgas, immer am Limit, immer fremdbestimmt. Die emotionale Amplitude im Getränkekonzern dürfte um einiges verträglicher sein. Körperlich. Mental. Und auch fürs Familienleben, für das Klopp in Wiesbaden ein Haus baut. Dort will er mit seiner Frau Ulla und den Kindern Zeit verbringen. Es ist ein Familiennest, denn seit 2023 ist Klopp Opa. Dort wird auch künftig ein Schreibtisch stehen, von dem aus Klopp Einfluss auf die Geschicke der zahlreichen konzerneigenen Fußball-Dependancen in aller Welt nehmen soll. Klopps Kapital war es immer, dass er die Identität seiner Klubs erspürte, sie vollständig annahm, formte und schließlich maßgeblich prägte. Dabei nahm er stets die Menschen mit. Er gab ihnen, was sie brauchten, ohne dass er ein Manipulator ist. Kein Wunder, dass es immer Tränen gab, wenn er ging. Was für eine Lebensleistung.
In der Pressemeldung, mit der das Engagement verkündet wurde, lässt der Konzern Klopp verkünden, er sei nun "letztlich ein Teil einer Organisation, die einzigartig, innovativ und zukunftsorientiert ist. Wie gesagt, das könnte mich nicht mehr begeistern." Schlimmer Marketingsprech für einen, der einst als "Normal One" in Liverpool antrat, um den Traditionsklub zurück zu altem Glanz zu führen. Und doch: Man darf es ihm abnehmen, auch wenn viele den Gedanken hassen. Klopp dürften unzählige Angebote vorgelegen haben, er wird sich mit großer Überzeugung auf Red Bull einlassen. Es ist anzunehmen, dass er den Rest dessen, was die jahrzehntelange Abnutzung im Tagesgeschäft übrigließ, nun Red Bull zur Verfügung stellen wird.
"Ich sehe meine Rolle in erster Linie als Mentor für die Trainer und das Management der Red Bull-Klubs", lässt Klopp verkünden. Er selbst ist eh längst "too big to fail", er dürfte eine große Menge an Freiheiten genießen. Die Mittel, die der Konzern zur Verfügung stellt, um sein Fußball-Programm auf vier Kontinenten weiter voranzutreiben, dürften nahezu unbegrenzt sein. Klopps Entscheidung ist außerhalb des Red-Bull-Kosmos nicht besonders populär, nachvollziehbar ist sie mindestens. Klopp preist das ein. Nach Jahrzehnten der Fremdbestimmtheit darf auch ein Volksheld mal enttäuschen.
Und falls sich neue alte Ambitionen auftun: Der Weg zurück vom Chefsessel des Red-Bull-Fußballimperiums ist ohnehin kurz: Ralf Rangnick, Klopps Vorgänger im Konzern, nahm von Fuschl aus noch ein paar Umwege, um schließlich Nationaltrainer Österreichs zu werden. Für Klopp dürfte der Weg zum Bundestrainer durch das neue Engagement kurz sein. Laut mehrerer Medien kann Klopp sein Engagement beenden, wenn der DFB ruft.
Quelle: ntv.de