Fußball

Richter vor Ort Polizei wünscht sich Schnellverfahren bei EM-Krawallen

In vielen Teilnehmerländern der EM gibt es gewaltbereite Fan-Szenen, etwa in Ungarn (im Bild: ungarische Hooligans bei der EM 2016 in Frankreich).

In vielen Teilnehmerländern der EM gibt es gewaltbereite Fan-Szenen, etwa in Ungarn (im Bild: ungarische Hooligans bei der EM 2016 in Frankreich).

(Foto: picture alliance / SvenSimon)

Bei der Fußball-EM im Sommer erwartet die Polizei auch unliebsame Besucher. Bei Krawallen fordert die Polizeigewerkschaft, zur schnellen Aburteilung vor Ort Richter und Staatsanwälte abzustellen. Auch sonst wünschen sich die Beamten ein erweitertes Instrumentarium gegen Fan-Gewalt.

Um wirksam gegen gewalttätige Fans vorgehen zu können, plädiert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) dafür, bei der Fußball-Europameisterschaft Richter und Staatsanwälte zur Fallbearbeitung vor Ort abzuordnen. Dadurch könnte, "unmittelbar und wirksam auf mögliche Gewaltexzesse" reagiert werden, sagte der GdP-Bundesvorsitzende, Jochen Kopelke.

Auch beschleunigte Strafverfahren könnten seiner Ansicht nach bei Gewalttätern aus der Fanszene hilfreich sein. Er sagte: "Das wirkt mit Blick auf die Wiederholungsgefahr, aber auch für Nachahmer abschreckend." Gleichzeitig betonte Kopelke, für die Auseinandersetzungen in den Stadien und im Umfeld der Spiele seien nicht Millionen begeisterter Fußballfans verantwortlich, sondern notorische Gewalttäter und gewaltbereite Fangruppierungen. Die Fußball-EM in Deutschland beginnt am 14. Juni.

Um auch jenseits der großen Turniere für mehr Sicherheit in den Stadien zu sorgen, wäre es nach Ansicht von Kopelke gut, eine rechtliche Grundlage für den Einsatz einer Gesichtserkennungssoftware in den Stadien und die Einführung personalisierter Tickets bei Hochrisikospielen zu schaffen. Wichtig sei es außerdem, die Transportkapazitäten bei Bus und Bahn so anzupassen, dass die An- und Abreise der Fans gefahrlos ablaufen könne.

In einer Stellungnahme für den Sportausschuss des Bundestages drückte Kopelke zudem seine Sorge darüber aus, dass sogenannte Ultragruppierungen "immer gewaltbereiter und politisierter" agierten. Nicht nur die Anzahl der im Zusammenhang mit Fußballpartien eingeleiteten Strafverfahren habe zuletzt zugenommen, sondern auch die Zahl der in dem Kontext geleisteten Arbeitsstunden der Polizeikräfte von Bund und Ländern.

In der Saison 2022/2023 kamen für die Absicherung von Fußballspielen mehr als 2,4 Millionen Arbeitsstunden zusammen. In der Saison 2018/2019, die aufgrund der Coronabeschränkungen in den Jahren 2020 und 2021 als Vergleichswert herangezogen wird, hatte die Polizei auf diese Aufgabe rund 2,2 Millionen Arbeitsstunden verwendet.

Fans und Fanforscher sehr kritisch

Das Verhältnis zwischen Polizei und Fans ist angespannt. "Die Situation ist festgefahren, eine Lösung in einer Art Fan-Polizei-Dialog ist leider realitätsfern", hatte Fan-Vertreter Dario Minden vom Bündnis "Unsere Kurve" im November 2023 nach mehreren Eskalationen zwischen Polizei und Fans gesagt: "Auf Fanseite gibt es gar nicht die Vertretungsstrukturen und sicherlich oft auch überhaupt kein Interesse an einem Dialog während auf der anderen Seite eine Polizei steht, die oft rechtswidrig handelt." Insbesondere der Einsatz von Pfefferspray steht dabei im wieder im Fokus: UEFA und FIFA verbieten diesen bei ihren Wettbewerben im Stadion, in Deutschland wird er geduldet.

Auch Fanforscher Gunter Pilz zweifelte Ende vergangenen Jahres an der Sinnhaftigkeit massiver Polizeipräsenz. "Mehr Polizei sorgt nicht für mehr Sicherheit. Im Gegenteil: Mehr Polizei provoziert auch mehr Gewalt", hatte der 78 Jahre alte Sportsoziologe der "Braunschweiger Zeitung" gesagt. Der Konflikt zwischen Polizei und Fans ist kein neues Phänomen. Beide Seiten werfen sich gegenseitig vor, für die Eskalation verantwortlich zu sein. Laut Jonas Gabler, wie Pilz Fanforscher, hat sich der Konflikt in den vergangenen Jahren zugespitzt. "Es ist nicht besser, sondern eher schlimmer geworden."

Das massive Auftreten der Polizei würde bei Fans das Gefühl hinterlassen, dass die Polizei nicht differenziert vorgehe, so Gabler. Fan-Vertreter Minden geht in eine ähnliche Richtung: "Ja, es gibt ein Problem mit Gewalt bei Fußballspielen. Ein vielschichtiges Problem, bei dem es leider keine einfachen Lösungen gibt. Leider bekommt man als aktiver Fußballfan oft das Gefühl, dass die Polizei hier nicht als Teil der Lösung, sondern als Teil des Problems auftritt."

Quelle: ntv.de, jog/dpa

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