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Bei Abstieg droht Vertragschaos Die Angst des FC Schalke 04 vor dem Absturz ins Nichts

Wilmots (vorn, 4.v.l.) war schon dabei, als die Schalker noch unter Tage fuhren.

Wilmots (vorn, 4.v.l.) war schon dabei, als die Schalker noch unter Tage fuhren.

(Foto: imago/Team 2)

Am Samstag spielt der FC Schalke 04 gegen Eintracht Braunschweig, einen Mitkonkurrenten um den Klassenerhalt in der zweiten Liga. Noch hoffen die Königsblauen, das Ruder herumreißen zu können. Denn im Hintergrund lauert eine Gefahr, die den Traditionsklub ins komplette Chaos stürzen könnte.

"Ich habe auch die Schnauze voll, wenn ich die Ergebnisse sehe." Der neue Sportdirektor des FC Schalke 04 ist eine königsblaue Legende, doch aktuell würde sich der "Eurofighter", das "Kampfschwein" Marc Wilmots wohl lieber Unter Tage verstecken. Das Problem: Seit seinen eigenen Zeiten als erfolgreicher Spieler des S04 hat sich im Ruhrgebiet eine Menge getan. Vor knapp fünf Jahren haben sie in Bottrop mit der Zeche Prosper Haniel das letzte Steinkohlen-Bergwerk Deutschlands geschlossen. Die schwarze Kohle ist nur noch Erinnerung und taugt bestenfalls zur Nostalgie.

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Und tatsächlich: So mancher Schalker erinnert sich in diesen Tagen mit etwas Wehmut an früher zurück. Denn damals reisten die Profis der Königsblauen in guter alter Tradition zu Saisonbeginn zu einem Bergwerk in der Umgebung, setzten sich schmutzige Helme auf und fuhren hinab zur Kohle. Wenn sie anschließend wieder das Tageslicht erblickten, hatte man bei dem einen oder anderen Spieler tatsächlich das Gefühl, er wüsste nun etwas besser darüber Bescheid, was für einem herrlichen Beruf er tagtäglich auf dem grünen Rasen nachgehen darf.

Marc Wilmots kennt sie noch allzu gut, die Ausflüge zu den Zechen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er mit der aktuellen Mannschaft gerne noch einmal einen solchen Trip unternehmen würde. Denn ganz so viele Möglichkeiten bleiben dem neuen Sportdirektor nicht, um das Ruder bei seinem S04 in dieser äußerst schwierigen Lage herumzureißen.

"Voll im Abstiegskampf"

"Wir müssen es mit diesem Kader machen", hat er nach dem Debakel auf dem Betzenberg, als man völlig hilflos und sang- und klanglos bei einem Mitkonkurrenten um den Klassenerhalt in der zweiten Fußball-Bundesliga unterging, gesagt, und gleichzeitig resigniert angemerkt: "Wir sind voll im Abstiegskampf." Genau dieses Szenario hatte man nach einem erfolgreichen Abschluss des letzten Jahres - als man sieben Punkte aus drei Spielen holte - eigentlich verhindern wollen. Doch dann misslang der Start ins neue Jahr komplett. Und nun ist sogar der leise Hauch von Euphorie, der mit der Rückkehr von Wilmots auf Schalke verbunden war, schon wieder verpufft.

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Und so versuchte der Belgier nach der Niederlage beim 1. FC Kaiserslautern am vergangenen Wochenende das rechte Maß zwischen sinnlosen Plattitüden und ehrlichen Worten zu wahren, als er sichtlich angeschlagen meinte: "Als ich gekommen bin, habe ich gesagt: 'Nicht von oben träumen, sondern nach unten schauen.' Es wäre einfach für mich zu sagen: Ich habe die Mannschaft nicht gebaut. Aber das hilft keinem. Heute waren sieben oder acht Spieler nicht auf Niveau. Jeder muss darüber nachdenken."

Ob dieses "Nachdenken" etwas gebracht hat, wird man auf Schalke bereits am Samstag sehen können, wenn aus Braunschweig das punktgleiche Team der Eintracht anreisen wird. Vier Siege aus den letzten fünf Begegnungen bringen die Männer des niedersächsischen Traditionsklubs als Faustpfand mit in die königsblaue Arena. Nach zwei Niederlagen gegen den HSV und die Roten Teufel zum Start ins neue Jahr sind die Spieler des FC Schalke 04 verständlicherweise verunsichert - denn eigentlich hatte man sich deutlich mehr versprochen, wie Kenan Karaman frustriert nach der Partie auf dem Betzenberg anmerkte: "Wir hatten ein gutes Gefühl in der Vorbereitung, aber das zählt nicht, sondern dann, wenn es um die drei Punkte geht."

Glaube an sich selbst verloren?

Noch versucht man sich auf Schalke die Lage schönzureden - schließlich seien noch 15 Begegnungen zu spielen. Doch die Worte von Kenan Karaman ("Jeder muss sich jetzt im Spiegel hinterfragen. Wir müssen nicht träumen, dass wir ein paar Plätze klettern, sondern uns jetzt gegen Braunschweig den Arsch aufreißen") vor der Partie gegen die Eintracht hören sich schon wie die üblichen Phrasen einer Mannschaft an, die langsam aber sicher den Glauben an die eigenen Fähigkeiten verloren hat. Denn dass der Kader des S04 im Normalfall stark genug sein sollte, den Abstieg zu verhindern, darüber gibt es kaum eine zweite Meinung. Doch das Problem ist: Auf dem Platz ist in diesen Tagen nicht einmal im Ansatz zu sehen, wie das Team auch als Mannschaft gemeinsam funktionieren könnte.

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Und dann gibt es da noch etwas, über das sie auf Schalke gerne geschwiegen hätten. Mitte Dezember enthüllte die "Sport Bild", dass im Falle des Abstiegs kein einziger Spieler des FC Schalke 04 einen gültigen Vertrag besitzen würde. Die Königsblauen hätten die Standardverträge der DFL um einen Zusatz-Passus ergänzen müssen - doch das taten sie nicht. Auf der einen Seite natürlich verständlich, weil die Schalker die Verträge finanziell in der 3. Liga niemals bedienen könnten, doch andererseits birgt dies eine Gefahr, die man nun immer mehr fürchtet. Je länger der S04 im Abstiegskampf der zweiten Liga steckt, umso wahrscheinlicher wird ein Szenario, das am Ende den kompletten Kontrollverlust bedeuten würde. Denn alle vertragslosen Spieler wären natürlich im Falle eines Abstiegs auch ablösefrei auf dem Markt.

Noch versucht man die bösen Gedanken, die diese spezielle Vertragssituation unweigerlich hervorrufen könnte, auf Schalke zu verdrängen - und schwört lieber die eigenen Fans auf die wichtige Partie am Samstag gegen Eintracht Braunschweig ein. Denn nach dem Spiel auf dem Betzenberg hatte nicht nur Marc Wilmots die "Schnauze voll". Doch das legendäre "Kampfschwein" weiß, dass es nun wie so häufig auf die letzte ewige Bastion in den Kurven der Arena ankommt. Und so bittet Wilmots die königsblauen Anhänger inständig: "Unterstützt eure Mannschaft, unterstützt euren Verein." Sollte auch das nichts helfen, müsste der Belgier vielleicht mal darüber nachdenken, ob er nicht einen Bus chartert und mit dem Team zu einem der Museumsbergwerke im Revier fährt. Früher, als er selbst noch Spieler war, hat das ja schließlich auch immer geholfen.

Quelle: ntv.de

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