Redelings Nachspielzeit

Flitzer-Alarm beim Länderspiel "Ernie" Wittig, der Urvater der Nacktflitzer

2019 taten zwei Ordner sich schwer den schwergewichtigen Flitzer Fat Comedy vom Platz zu entfernen.

2019 taten zwei Ordner sich schwer den schwergewichtigen Flitzer Fat Comedy vom Platz zu entfernen.

(Foto: imago images/Nordphoto)

Beim Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft am Dienstag waren gleich drei von ihnen plötzlich auf dem Feld: Flitzer! Und alle drei hielten das Sicherheitspersonal ordentlich auf Trab. Im Grunde nervt die Sucht nach Aufmerksamkeit mittlerweile eher.

"Wir hatten ein witziges Wochenende und ein paar Bier getrunken. Da hatte ich einfach das Gefühl, das muss ich jetzt machen. Das war aus der Euphorie heraus." Damals im Mai 2016 lief plötzlich ein Kerl auf den Rasen des Bochumer Ruhrstadions, der mit sich und der Welt im Reinen schien. Ganz offensichtlich war der Kölner Barbesitzer Andi einfach komplett im Hier und Jetzt, als er oberkörperfrei und mit ausgebreiteten Armen die Menge immer wieder zur Welle antrieb und ekstatisch und grinsend über den Platz rannte. Das Spektakel endete freiwillig und mit Highfive in den fast schon freundschaftlich ausgebreiteten Armen eines bulligen Ordners.

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Auf unfreiwillige Art erinnerte Barbesitzer Andreas aus Köln so an den vor zwei Jahren tragisch bei einem Unfall verstorbenen Urvater der deutschen Flitzer, Ernst-Wilhelm "Ernie" Wittig, der immer wieder seit den 80er-Jahren fast komplett nackt - bis auf Schuhe und Baseballkappe - seine Runden durch die Stadien der Republik drehte. Doch während Andi in Bochum damals einzig aus dem schönen Moment und der Euphorie des Augenblicks heraus den Rasen stürmte, war das bei "Ernie" schon von Anfang an anders. Er hatte ein klares Motiv. Er wollte sich und seine imposante Figur zeigen: "Mein Körper ist ein Kunstwerk, das durch Kleidung verschandelt würde."

Um Aufmerksamkeit ging es auch einem gewissen Fat Comedy, als dieser im Dezember 2019 - wieder einmal bei einem Spiel im Bochumer Ruhrstadion - äußerst ungelenkig seinen wuchtigen Körper auf den Platz bugsierte. Wie zweieinhalb Jahre später, als er bei einem Boxkampf Oliver Pocher einen Schlag ins Gesicht versetzte, gebrauchte er auch an diesem Abend körperliche Gewalt. Erst schubste er einen Security-Mitarbeiter aus dem Weg, danach trat er nach einem der Ordner, die ihn wieder vom Rasen holen wollten. Dabei ist jede Form von körperlicher Gewalt seitens der Flitzer in der Regel eher ungewöhnlich - außer bei der folgenden Story, die jedoch einen anderen, besonderen Clou hat. Sie handelt von einem echten Fußball-Fanatiker.

"Du bist gefeuert!"

Richard Dunn hatte an diesem Tag einfach die Schnauze voll. Und so rannte der Everton-Fan mit einem Mal los, übersprang die Bande und attackierte den französischen Verteidiger des FC Middlesbrough, Franck Queudrue, mit einer gepflegten Grätsche von der Seite. Der Spieler der Boros blieb unversehrt, stoppte den Ball, hielt inne und schaute den Angreifer von oben herab irritiert an. In diesem Moment kam ein Ordner auf den Rasen, packte Dunn an der Hand und brachte den Everton-Anhänger zu seinen Eltern zurück - denn Richard Dunn war erst neun Jahre alt. Als er später gefragt wurde, warum er das gemacht habe, antwortete Dunn: "Die Mannschaft hat einfach katastrophal gespielt. Ich wollte denen mal zeigen, wie man ein ordentliches Tackling macht!"

Als "König der Flitzer" galt übrigens über viele Jahre hinweg ein gewisser Mark Roberts. Die Leidenschaft für das Freikörper-Laufen wurde bei ihm im Jahr 1993 bei einem Rugbyspiel in Hongkong geweckt. Erst sah er eine nackte Frau übers Spielfeld flitzen und am nächsten Tag rannte Roberts selbst über den Platz. Irgendwann jedoch geschah es, dass der König in einem goldenen Käfig lebte. Vor wichtigen internationalen Ereignissen musste der Engländer regelmäßig seinen Pass bei der örtlichen Polizeidienststelle abgeben. Die Veranstalter hatten Sorge, dass Roberts mal wieder zuschlagen könnte. Für die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland soll Roberts auf Bitten der FIFA übrigens gleich ein Ausreiseverbot von der britischen Regierung erhalten haben.

Seinen Ruf als "König der Flitzer" hatte sich der Brite allerdings auch hart erarbeitet - denn am Anfang lief auch bei ihm noch nicht alles rund. So hatte er bei einem seiner ersten Nacktauftritte doch glatt ein kleines Detail übersehen. Damals arbeitete der gebürtige Liverpooler in einer Kneipe in der Nähe der Anfield Road. Eines Tages bat er seinen Boss während des laufenden Spiels um eine Zigarettenpause. Da es kurz vor der Halbzeit war und seine Kundschaft die 15 Minuten gerne zum Wasserlassen nutzte, schickte er ihn vor die Tür - doch da blieb Roberts nicht. Denn sogleich rannte er ins Stadion, lief nackig über den Platz, wurde abgeführt und stand nach dem Hinterlegen einer kleinen Kaution schon zwanzig Minuten später wieder im Pub. Doch sein Chef schüttelte nur mit dem Kopf: "Mark, guck mal nach oben in die Ecke!" Da hing der Fernsehapparat. Der Kneipier war im Gegensatz zu seinen Gästen überhaupt nicht angetan von Roberts' Aktion: "Wir haben dich gesehen. Du bist gefeuert!"

Auch Nacktflitzer nerven

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Einen der ersten weiblichen Flitzer beim Fußball bekam ebenfalls ein Spieler des FC Middlesbrough zu Gesicht - ein prominenter noch dazu. Im Winter 1999 wurde der alternde Star des Weltfußballs Paul Gascoigne mal nicht mit einem baumelnden Geschlechtsteil konfrontiert. Denn ihm erschien mitten auf dem Platz ein Nikolaus, der nur wenige Zentimeter von ihm entfernt weibliche Rundungen aufblitzen ließ. Da strahlten Flitzer und Star gleichermaßen um die Wette und auch der Ordnungsdienst wurde plötzlich von einem kollektiven Wadenkrampf geplagt.

Ein ähnliches Erlebnis hatte die italienische Nationalmannschaft bei ihrer Vorbereitung auf die EM 2008. Lisa Dalla Via und Marianne Puglia rannten auf den Platz, zogen sich bis auf einige Bikini-Fetzen nackig aus und verteilten Küsschen. Gennaro Gattuso, Marco Materazzi, Mauro Camoranesi, Luca Toni und Co. starrten lächelnd den hüpfenden Damen hinterher.

Am Dienstag in Mönchengladbach hatten die drei Flitzer allerdings Glück, dass es zum Zeitpunkt ihrer Aktion schon ein eindeutiges Spielergebnis gab und die allermeisten Menschen angesichts des entspannten Charakters des Spiels das späte Spektakel auf dem Rasen als Zuckerl für den Heimweg akzeptierten. Doch allen zukünftigen Flitzern sollte eins klar sein: Mittlerweile nervt die zunehmende Sucht nach Aufmerksamkeit viele Zuschauer nur noch. Den Bogen sollte also niemand überspannen - egal ob alt oder jung, männlich oder weiblich und vor allem ob nackt oder angezogen.

Quelle: ntv.de

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