Redelings Nachspielzeit

Ex-Bayerncoach Erich Ribbeck Der umstrittenste Trainer Deutschlands wird 85

Erich Ribbeck trainierte einst auch den FC Bayern.

Erich Ribbeck trainierte einst auch den FC Bayern.

Schon früh feierte Erich Ribbeck den sensationellen 7:4-Sieg seiner Lauterer über den FC Bayern München als "größten Tag in meiner Trainerlaufbahn". Das war vor knapp fünfzig Jahren. Was danach folgte, war eine bemerkenswerte Achterbahnfahrt der Gefühle. Heute feiert Erich Ribbeck Geburtstag!

"Es gibt Trainer, die machen alles richtig und haben nie Erfolg. Und dann gibt es Trainer, die machen alles falsch und werden zweimal Deutscher Meister." Erich Ribbeck hatte schon immer ein gutes Gefühl dafür, dass nicht alles im Leben planbar ist. Manchmal spielen eben auch Glück und der richtige Moment eine nicht unwichtige Rolle beim Lauf der Dinge. Und deshalb sah der Mann aus Wuppertal auch nicht immer alles so bierernst, wie sein Lebensmotto - mit einem Augenzwinkern verbunden - zeigt: "Wo ich bin, klappt nichts - aber ich kann nicht überall sein."

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Am Anfang seiner Trainerkarriere lief beim gebürtigen Wuppertaler alles in ruhigen Bahnen. 1826 Tage war er Trainer bei Eintracht Frankfurt. Kein anderer hat es bis heute in Bundesliga-Zeiten länger bei den Hessen als Fußballlehrer ausgehalten als er. Und auch seine Zeit beim 1. FC Kaiserslautern wird nicht zuletzt wegen des legendären Sieges über den FC Bayern München am 20. Oktober 1973 für immer unvergessen bleiben. Die Bayern führten an diesem Tag bereits 4:1, doch am Ende hieß es 7:4 für den 1. FCK. Die "Roten Teufel" hatten sich an diesem sagenhaften Nachmittag auf dem Betzenberg in einen Rausch gespielt. Lauterns Coach Erich Ribbeck war hinterher ganz aus dem Häuschen: "Das ist der größte Tag in meiner Trainerlaufbahn."

"Abteilung Sandkasten!"

Bei den "Roten Teufeln" stachen vor allem Seppl Pirrung, der drei Tore schoss, und ein gewisser Klaus Toppmöller, der drei Vorlagen gab und ein Tor selbst erzielte, hervor. Zwanzig Jahre später begegneten sich der ehemalige Stürmer und der damalige Trainer des 1. FCK in der Bundesliga in neuen Rollen wieder. Und so kam es nach der Partie zwischen der Frankfurter Eintracht und dem FC Bayern München zu einer kleinen, aber sehr pointierten verbalen Auseinandersetzung zwischen Eintracht-Coach Toppmöller und seinem früheren Trainer und heutigen Bayern-Coach Erich Ribbeck. Weil Toppmöller vor der Partie bluffen wollte, hatte er seine Profis Okocha und Mihajlovic zuerst nicht auf dem Spielberichtsbogen stehen. Ribbeck konnte über diesen Taschenspielertrick seines ehemaligen Stürmers nur müde lächeln: "Das ist für mich die Abteilung Sandkasten, fünftes bis siebtes Lebensjahr." Doch Toppmöller konterte geschickt: "Das hat der Trainer Ribbeck mir in Kaiserslautern vorgemacht!"

Als Ribbeck 1978 den Betzenberg im Guten verließ, grillte seine Familie einen ganzen Ochsen. Den hatte sie zum Abschied vom 1. FCK geschenkt bekommen. Die Party war rauschend, es wurde gesungen, getanzt und gelacht, aber leider nicht ausreichend gegessen - es blieb eine Menge an kulinarischen Genüssen übrig. Als am nächsten Tag bereits früh am Morgen der Möbelwagen vor der Tür stand, fackelte man noch leicht beschwipst nicht lange und packte die Reste des guten Essens einfach hinten zwischen die Wohnzimmerleuchte und die Couchgarnitur - schließlich wartete im neuen Haus bei Köln schon der neue Kühlschrank. Noch am Abend fuhren die Ribbecks weiter in den Urlaub.

Zwei Tage später riefen die Schwiegereltern von Erich an, die inzwischen im Haus nach dem Rechten gesehen hatten. "Ich glaube, ihr habt eine Leiche im Keller", vermeldeten sie hörbar schockiert, "es stinkt bestialisch bei euch!" Nach gutem Zureden trauten sie sich schließlich in den Keller und bemerkten schon beim Drücken des Lichtschalters, dass etwas nicht stimmte. Der Strom war ausgefallen. Eine Katastrophe - vor allem für leicht verderbliche Lebensmittel. Erich Ribbeck: "Jede Hausfrau und jeder Hausmann kann sich vorstellen, was mittlerweile im Kühlschrank los war!" Das Kind war in den Brunnen gefallen.

"Vom Fußball so weit weg wie die Erde vom Mars"

Das erinnert an den Zustand, den Ribbecks Karriere bei den Bayern am Ende seiner sportlich sehr durchwachsenen Amtszeit angenommen hatte. Vier Jahre zuvor hatte er 1988 noch mit Bayer Leverkusen den UEFA-Pokal gewonnen und nun sprach man ihm auf einmal jede Fachkompetenz ab. Werner Lorant meinte damals: "Erich Ribbeck ist vom Fußball so weit weg wie die Erde vom Mars." Als er seinem Team vor einem Auswärtsspiel in Bremen mit Hilfe von Milchdöschen und Kaffeetassen eine Viererkette erklären wollte, musste Kapitän Jan Wouters unterstützend eingreifen. Er ordnete die Hilfsmittel auf dem Tisch neu an und erklärte: "Trainer, Sie haben die Absicherung nach hinten vergessen."

Auch aus seiner Zeit bei Bayer Leverkusen hörte man nichts Gutes. Heiko Scholz soll während einer Trainingseinheit einmal gerufen haben: "Künftig spielen wir mit dem berühmten Doppellibero, einem Libero und einem Absicherungslibero." Bei Bayern endete Ribbecks Tätigkeit schließlich damit, dass Jan Wouters bei einer Mannschaftssitzung kopfschüttelnd meinte: "Trainer, Sie sind der Einzige hier im Verein, der von Fußball nichts versteht."

Und dann kam das Jahr 1998. Ein Journalist hatte noch warnend geunkt: "Man muss verhindern, dass Präsident Egidius Braun in Aachen an seinem Schreibtisch sitzt und wahllos durch die Gegend telefoniert." Doch zu diesem Zeitpunkt war es schon zu spät. Ribbeck, den alte Weggefährten "Robinson Crusoe" nannten, weil er sich komplett auf die schöne Insel Teneriffa zurückgezogen hatte und dort die Bundesliga nur noch per Satellitenfernsehen verfolgte, war zum Bundestrainer ernannt worden.

Ein Missverständnis beim DFB

Er begann seine Amtszeit mit einem legendären Zitat: "Grundsätzlich werde ich versuchen zu erkennen, ob die subjektiv geäußerten Meinungen subjektiv oder objektiv sind. Wenn sie subjektiv sind, werde ich an meinen objektiven festhalten. Wenn sie objektiv sind, werde ich überlegen und vielleicht die objektiven subjektiv geäußerten Meinungen der Spieler mit in meine objektiven einfließen lassen." Es war der Beginn eines einzigen Missverständnisses - das ihm nachhaltig den Ruf als "umstrittenster Trainer" Deutschlands einbrachte.

Hinterher, nach dem beschämenden Vorrunden-Aus der deutschen Elf bei der Europameisterschaft 2000 in Belgien und den Niederlanden, ließ Franz Beckenbauer kein gutes Haar an der Mannschaft: "Wenn ich die WM-Elf von 1990 um Mitternacht wecke, dann gewinnt sie barfuß gegen die heutige Nationalmannschaft." Bereits vor dem Turnier hatte einer der Akteure selbst gesagt: "Der Zustand der Nationalmannschaft ist jämmerlich." Das war Jens Jeremies vom FC Bayern München. Ein paar Tage später erzählte Jeremies eines Nachmittags seinen Kollegen, er habe gerade einem Reporter mindestens achtmal auf seine Fragen mit "Kein Kommentar" geantwortet. Am Abend kam dann heraus, dass eine der acht Fragen, bei denen er auf diese Art und Weise reagiert hat, so lautete: "Hat Ribbeck Ahnung vom Fußball?"

Vermutlich wurde kein DFB-Bundestrainer jemals so sehr niedergemacht wie eben dieser Erich Ribbeck. Die Spieler tauften ihn während der EM in den "Förster vom Silberwald" um - weil er den Wald vor lauter Bäumen nicht sah und eine grau melierte Haarpracht trug.

"Weiß mehr, als manche glauben"

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Zwischenzeitlich versuchte eine Gruppe von Spielern noch vor dem Beginn der Europameisterschaft zu retten, was nicht mehr zu retten war. Die Sache ging unter dem Namen "Mallorca-Revolution" in die deutsche Fußballgeschichte ein. Die Idee der Spieler war die sofortige Ablösung Ribbecks und die Übernahme der Aufgaben durch Lothar Matthäus. Doch dabei stellten sie sich nicht nur allein dilettantisch an - denn Matthäus hatte gar keine Lust auf diesen Job -, sondern auch etwas peinlich, wie Bundes-Torwart-Trainer Sepp Maier hinterher erzählte: "Ich glaube, in dem Zustand, in dem die da waren, hätten sie nicht mal mehr dem Ribbeck sein Schlafzimmer gefunden. Geschweige denn, ihn stürzen können."

Nach dem desaströsen Ende der DFB-Elf bei der EM 2000 in Belgien und den Niederlanden war auch die Trainerkarriere des Erich Ribbeck vorbei. Seine Entlassung nahm er damals allerdings gewohnt gelassen hin: "Ich stehe jetzt so wie ein kleiner Depp da. Aber ich weiß mehr, als manche glauben. Gerade was Fußball betrifft. Aber was soll's!" Heute feiert "Sir Erich" seinen 85. Geburtstag. Alles Gute und Glück auf, lieber Erich Ribbeck!

Quelle: ntv.de

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