Redelings Nachspielzeit

Redelings über Dickerchen Ettmayer Wie mit einem Kondom an den Füßen

Man kennt sich: Buffy Ettmayer mit Franz Beckenbauer im Jahr 1974.

Man kennt sich: Buffy Ettmayer mit Franz Beckenbauer im Jahr 1974.

(Foto: imago/Sportfoto Rudel)

Er schießt das 10.000 Tor in der Fußball-Bundesliga, hat einen dicken Hintern und beinahe einen Vorvertrag bei den Fischerchören. Johann Buffy Ettmayer ist ein großer Spaßvogel, Entertainer und ein Meister der skurrilen Sprüche.

Johann Buffy Ettmayer hat schon früh erkannt, worauf es neben Toren und Siegen beim Profisport noch ankommt: "Sepp Maier, Ente Lippens und ich - wir sind Viecher. Und die Leute wollen beim Fußball halt auch was zu lachen haben." Die Klaviatur der Unterhaltung beherrscht der ehemalige Bundesligastar bis auf den heutigen Tag perfekt. Über seine Gewichtsprobleme sagte er einmal: "Ich bin der einzige Österreicher, der seinen Rucksack vorne trägt."

Dickerchen?

Dickerchen?

(Foto: imago sportfotodienst)

Fast das ganze Fußballerleben des Johann Ettmayer, den alle nur "Buffy" rufen, wurde von einem Thema beherrscht: seinem Gewicht. Kein Wunder, schließlich heißt "Buffy" auf Tschechisch so viel wie Dickerchen. Ein Spitzname, den ihm sein ehemaliger Trainer Leopold Stasny verpasst hat. Lange kämpfte Ettmayer gegen das Image des behäbigen Profis an, doch irgendwann hatte er genug und ging in die Offensive: "Einen dicken Hintern werde ich immer haben, und mit dem Ruf, dass ich nicht laufen und kämpfen kann, muss ich halt leben."

Dabei war Ettmayer in Wahrheit sogar einer der Flinksten: Vor der Saison 1974/1975 lief er gegen den "schnellen Polizisten" Heinz Stickel zu später Stunde ein Rennen über 100 Meter. Die Prämie von 50 Mark holte sich der stets etwas füllig wirkende Ettmayer in einer hervorragenden Zeit ab. Nach 12,3 Sekunden überschritt er die Ziellinie. So gut der Start in die Spielzeit war, so schlecht ging sie weiter. Die Saison wurde zu Ettmayers persönlichem Debakel. Nach einem spektakulären 5:5 bei Eintracht Frankfurt richtete VfB-Trainer Hermann Eppenhoff das Wort an seinen auf die Tribüne verbannten Star: "Und wenn der Ettmayer noch so gut spielte - erst wenn er den Einsatz bringt, den heute alle meine Spieler gezeigt haben, wird er vom Publikum, von der Presse, der Mannschaft und mir wieder voll akzeptiert!"

"Ich bin kein Leichtathlet, ich bin ein Fußballer"

Ettmayer war sauer. Was hätte er damals dafür gegeben, wenn er doch nur schnell woanders hätte spielen dürfen, beispielsweise in Köln, wo Coach Tschik Cajkovski über ihn sagte: "Es gibt dicke Spieler, die es können, und dünne, die es nicht können. Ettmayer ist ein Spieler, der einfach spielen muss." Eine Meinung, die der Österreicher natürlich teilte: "Ich habe keinen Revue-Körper, aber ich kann Fußball spielen. Ich kenne aber viele Spieler, die haben einen Revue-Körper und können’s nicht!" Er selbst sah seine Rolle eh ein bisschen anders: "Ich bin wohl dazu prädestiniert, eine Show abzuziehen. Doch den King will ich gar nicht spielen." Und in einem Satz zusammengefasst: "Ich bin kein Leichtathlet, ich bin ein Fußballer."

Was Ettmayer neben seinen Toren beim Publikum so beliebt machte, waren seine Sprüche. Obwohl er Schuhgröße 43 hatte, trug er seine Fußballtreter stets zwei Nummern kleiner: "Ich wollte immer ein Kondom an den Füßen haben, sonst hast du ja kein Gefühl." Und als beim VfB sein Trainer Albert Sing zu ihm sagte: "Es gibt Bilder, da warst du dünner", konterte Ettmayer launig: "Die sind wahrscheinlich mit einer Schmalfilmkamera gemacht!" Mit Sing verband Ettmayer sowieso ein sonderbares Verhältnis.

Ben Redelings ist "Chronist des Fußballwahnsinns" (Manni Breuckmann) und leidenschaftlicher Anhänger des VfL Bochum. Der Autor, Filmemacher und Komödiant lebt in Bochum und pflegt sein Schatzkästchen mit Anekdoten. Seine kulturellen Abende "Scudetto" sind legendär. Für n-tv.de schreibt er stets dienstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Sein Motto ist sein größter Bucherfolg: "Ein Tor würde dem Spiel gut tun".

Als der neue Übungsleiter zum VfB kam, verordnete er seinen Schützlingen im Trainingslager in Origlio im Frühjahr 1975 eine Sing-Therapie. Allabendlich wurden in der Schweiz Lieder geschmettert, bis sich die Balken bogen. Songs wie "Horch, was kommt von draußen rein" mussten die Profis unter Sings Kommando gemeinsam intonieren. Damals sagte Ettmayer: "Ich treffe keinen Ball mehr, kann aber sehr gut singen und habe schon einen Vorvertrag bei den Fischerchören."

Zwischendurch vertrugen sich die beiden öffentlichkeitswirksam wieder, doch schnell krachte es erneut. So sagte Ettmayer nach einer Partie einmal: "Das habe ich doch gleich gewusst! Schon vor dem Spiel habe ich zehn Mark verwettet, dass ich nicht die 90 Minuten durchspiele. Das ist doch alles Theater! In der Öffentlichkeit Bussi geben und hintenrum dann so etwas!" Später setzte Sing seinen Schützling wieder ein. Und prompt schoss Ettmayer ein Tor. Vor den Augen des begeisterten Publikums rannte er augenblicklich zu seinem Trainer und fragte: "Zählt das Tor?" Sing reagierte verwirrt: "Wieso denn nicht?" Und Ettmayer lächelnd: "Weil ich es geschossen habe, der Dicke!" Das 10.000. Bundesliga-Tor, das Buffy Ettmayer am 26. Januar 1974 mit dem VfB Stuttgart in der Partie gegen Eintracht Frankfurt schoss, schilderte er einmal auf seine unvergleichliche Art und Weise: "Ich habe links abgerotzt, genau in den Bügel. Den Ball brauchte der Goalie nicht aus dem Tor holen, der kam vor lauter Wucht alleine raus."

Etwas hat sich bei Buffy bis heute nicht geändert. Sein üppiges Gewicht und das Reden darüber: "Letzte Woche war ich noch ein Meerschweinchen, jetzt sehe ich aus wie eine Sau. Der Grund: Ich habe 200 Gramm zugenommen." Auf die Frage eines Journalisten, ob er am Morgen schon auf der Waage gewesen sei, antwortete Ettmayer: "Schon aus Protest nicht. Weil ich immer noch einer der Schnellsten von null auf hundert bin - kilomäßig." Der Journalist hakte nach: "Ihr momentanes Gewicht kennen Sie aber?" Ettmayer: "Nein, bringt ja auch nichts. 365-mal im Jahr will ich abnehmen, am 1. Januar stelle ich dann immer fest, dass wieder was dazugekommen ist." Ein anderes Mal sagte er: "Wenn ich heute auf eine Waage steige, sagt die sofort: Bitte nicht in Gruppen benutzen!"

Buffy Ettmayer ließ es sich eben auch nach seinem Karriereende weiter gut gehen - und konnte eigentlich doch gar nichts dafür: "Was soll ich machen? Ich habe halt daheim in meinem Kühlschrank so furchtbar schräge Fächer. Wenn ich in der Nacht aufstehe und die Tür aufmache, rutschen mir die Wurstsemmerln einfach von selber entgegen."

Mit Auszügen aus Ben Redelings' aktuellen Buch: "Die Bundesliga, wie sie lebt und lacht: Zum Schießen komische Momente von Ahlenfelder bis Zebec" bei Amazon bestellen. Außerdem ist er gerade live mit seinen Programmen unterwegs: Infos und Tickets zur Tour.

Quelle: ntv.de

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