Paukenschlag bei Olympia Alfred fliegt zu 100-Meter-Gold, große Verwirrung um Fraser-Pryce

Überraschungssiegerin: Julien Alfred aus St. Lucia.

Überraschungssiegerin: Julien Alfred aus St. Lucia.

(Foto: AP)

Der Einzug in einen olympischen 100-Meter-Endlauf ist der große Traum von Gina Lückenkemper. Erfüllen kann sie ihn sich auch in Paris nicht. Gold holt die überragende Julien Alfred. Sie schenkt ihrem Land St. Lucia die erste Medaille bei Olympischen Spielen.

Als Julien Alfred über die Ziellinie geflogen war, sich kurz vergewisserte, was eh alle gesehen hatten - dass sie nämlich olympisches Gold über die 100 Meter gewonnen hatte - brach sie noch auf der lilafarbenen Bahn in Tränen aus. In Gedanken war sie ihrem wichtigsten Menschen, auf den sie bereits seit elf Jahren verzichten muss. "Ich denke an Gott, meinen Vater, der mich nicht mehr sehen konnte. Er ist 2013 verstorben. Dad, das ist für dich. Ich vermisse dich. Ich habe es für ihn getan, ich habe es für meinen Trainer getan und für Gott", sagte Alfred bewegt. In 10,72 Sekunden war sie der Konkurrenz davon gesprintet.

Eine Sensation ist der Sieg der 23-Jährigen sicher nicht. Alfred ist Hallenweltmeisterin über 60 Meter und damit bereits hochdekoriert. Doch hatte sich vor dem Finale alles auf zwei andere Namen konzentriert. Weltmeisterin Sha'Carri Richardson aus den USA wollte ihr olympisches Trauma besiegen und schien alle Chancen zu haben. Kurz vor den Sommerspielen hatte sie in Eugene eine 10,71 auf die Bahn getrommelt. Es ist immer noch die beste Zeit des Jahres. Richardson, die derzeit als Protagonistin einer Netflix-Doku für Furore sorgt, hatte damit ihren Anspruch auf Gold untermauert. Und als größte Konkurrentin galt die jamaikanische Sprint-Oma Shelly-Ann Fraser-Pryce. Doch die war bereits völlig überraschend zum Halbfinale nicht angetreten.

Großer Wirbel um Sprint-Oma

Und das Fehlen der 37-Jährigen warf große Fragen auf. Was war passiert? Der Leichtathletik-Weltverband nannte später eine Verletzung als möglichen Grund. Doch lange kursierte noch eine andere Erzählung, sie basierte auf Videos, die in den sozialen Netzwerken kursieren. Offenbar wurde die Altmeisterin und dreimalige Olympiasiegerin an einem Einlasstor zum Stadion abgewiesen und kam demnach zu spät. Sie diskutierte dabei vehement. "Ich habe es mitbekommen, dass sie nicht ins Stadion reingelassen wurde, als sie vor dem Zaun stand. Das habe ich so noch nie erlebt", berichtete Gina Lückenkemper. Die deutsche Sprinterin hatte das Finale hauchzart verpasst. Lediglich 0,02 Sekunden fehlten ihr (11,08). So bleibt der Traum von der Teilnahme am Endlauf unerfüllt.

Am Abend wurde wenigstens die Verwirrung um Fraser-Pryce aufgeklärt: "Sie konnte unglücklicherweise nicht antreten, weil sie sich beim letzten Aufwärmen eine Verletzung zugezogen hat“, sagte Jamaikas Chef de Mission Ian Kelly im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters.

Den Traum gelebt hat dagegen Alfred. Sie dominierte das Rennen von Beginn an, kam perfekt aus den Blöcken, baute sofort Topgeschwindigkeit auf und flog dem Rest des Feldes mit ihren langen Beinen davon. Sie siegte souverän vor Richardson (10,87) und der zweiten US-Amerikanerin Melissa Jefferson (10,92). Ganz so dominant wie einst Usain Bolt war der Sieg von Alfred nicht, aber die jamaikanische Sprint-Legende taugte ihr durchaus als Vorbild. Zur Vorbereitung hatte sie sich am Vormittag nochmal alle Rennen des Weltrekordhalters angesehen. Es half: Die 23-Jährige sprintete Landesrekord und gewann die erste Olympia-Medaille überhaupt für den kleinen Inselstaat aus der Karibik.

Richardson versucht Silber zu genießen

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Die schillernde Starläuferin Richardson konnte ihr olympisches Trauma derweil nur teilweise überwinden. Auch wenn sie sich große Mühe gab, ihre Zufriedenheit mit der Silbermedaille auszudrücken. Immer wieder richtete sie den Blick nach oben, zum Dank und zum Gruß an ihre verstorbene Mutter. Vor drei Jahren in Tokio hatte die 24-Jährige nicht starten dürfen, weil sie zuvor bei den US-Trials positiv auf Marihuana getestet worden war. Sie hatte während der Ausscheidungskämpfe erfahren, dass ihre Mama gestorben war. Sie wollte hernach einfach ihre Gefühle betäuben. Im Vorjahr hatte sie mit WM-Gold ein überragendes Comeback gefeiert.

Richtig bitter endete der Sprint für die Sprintnation Jamaika. Während Fraser-Pryce also das Halbfinale verletzt verpasst hatte, hatte Elaine Thompson-Herah, Olympiasiegerin von Tokio und Rio, bereits vor den Spielen verletzungsbedingt absagen müssen. Und in den Tagen von Paris erwischte es dann auch die dritte Große aus dem jamaikanischen Trio: Shericka Jackson verzichtete nach einer zuletzt erlittenen Verletzung auf den Start über 100 Meter. Die 30-Jährige konzentriert sich stattdessen voll auf ihre Paradestrecke über 200 Meter, auf dieser wurde Jackson zuletzt zweimal in Serie Weltmeisterin. Beste Sprinterin des erfolgsverwöhnten Landes wurde Tia Clayton, als Siebte.

Quelle: ntv.de, tno

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