"Paris 1924 wäre schneller" Warum die Schwimmer über den Olympia-Pool schimpfen
31.07.2024, 19:09 Uhr
Die Lichtershow kann von den Zahlen nicht ablenken: Das Becken ist zu flach.
(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)
Wasser ist nass und man kann in einem Pool immer gleich schnell darin schwimmen, denkt man als Laie eigentlich. Doch bei den Olympischen Spielen in Paris stimmt das so nicht. Das langsame Becken verdirbt einigen Athleten den Spaß.
Eigentlich, könnte man meinen, purzeln nur so die Rekorde, wenn die besten Sportlerinnen und Sportler für zwei Wochen zusammenkommen. Doch bei den Olympischen Spielen in Paris gibt es zumindest beim Schwimmen eine kleine Überraschung: Die Athleten haben sich zwar mit Medaillengewinnen in die Geschichtsbücher eintragen können, aber nicht mit neuen Bestmarken. Am Ende kommt bislang immer die virtuelle Rekordlinie als Erstes ins Ziel.
Und auch sonst sind die Rennen erstaunlich langsam. Die "Washington Post" hat herausgefunden, dass der Paris-Olympiasieger über 100 Meter Brust, der Italiener Nicolò Martinenghi, in Tokio drei Jahre zuvor nur auf dem achten Platz ins Ziel gekommen wäre. Insgesamt war seine Gold-Zeit die langsamste seit 2004, den Spielen in Athen. Beim Finale über 400 Meter Freistil der Frauen stellte Isabell Gose einen neuen Deutschen Rekord auf. Sie wurde Fünfte, war die Einzige, der ein neuer Rekord gelang.
Nur, woran liegt das? Das Wasser müsste ja theoretisch das gleiche sein. Dass die Schwimmerinnen und Schwimmer, die sich jahrelang vorbereitet haben, plötzlich alle zeitgleich unter Formschwäche leiden, ist auch eher unwahrscheinlich. Da bleibt nur der Veranstaltungsort. Die La Defense Arena, in der die Schwimmwettbewerbe stattfinden, wurde extra für die Spiele hergerichtet. Normalerweise finden dort Konzerte oder Rugby-Partien statt.
Die Halle wurde also angepasst. Aber dadurch, dass das Kunstschwimmen und das Turmspringen nicht im gleichen Becken ausgetragen werden, kann das Becken etwas flacher sein. Zumal die Organisatoren bei einem tieferen Pool auch auf Zuschauer hätten verzichten müssen. Denn je höher der Pool, desto weniger Platz bleibt für die Tribünen in der Arena. Schließlich wird das Becken nicht in den Boden gebuddelt, sondern der Poolgrund ist auf den Boden der Arena aufgesetzt.
"Niemand schert sich um Zeiten"
Bei den meisten Wettbewerben misst das Schwimmbecken normalerweise drei Meter, in Paris sind es nur 2,15 Meter und damit nur knapp über dem Mindestwert. Mit Folgen: "Wenn man schwimmt, erzeugt man unter Wasser Wellen, die auf den Grund gehen, zurückprallen und einen treffen", erklärte der ehemalige britische Olympionike Mark Foster der BBC. "Je mehr Wasser da ist, desto geringer ist die Störung."
Dieser Effekt werde dann auch noch verstärkt. Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, sind dafür die im Boden verbauten Kameras und Bildschirme verantwortlich. Diese reflektierten die Wellen noch weiter. Das mache das Wasser noch unruhiger und sorge für noch mehr Verwirbelungen.
All das führt zu Frust. "Die Qualität, die du schwimmst, ist höher, aber am Ende steht da eine schlechtere Zeit", sagte DSV-Bundestrainer Bernd Berkhahn. Das mache keinen Spaß. "Würden wir hier in Paris im Pool von 1924 schwimmen, wären alle schneller." Das Becken sei dafür verantwortlich, dass man keine Weltspitzenzeiten und keine Weltrekorde sehe, sagt Berkhahn.
Es gibt aber noch andere Fraktionen. Der dreifache Olympiasieger und mittlerweile NBC-Experte Rowdy Gaines erklärte der "Washington Post", dass das Becken möglicherweise etwas langsam sei. Aber das größere Problem sehe er in dem Gerede über den Pool. Das sei eine zu einer Art selbsterfüllende Vorhersage geworden. "Ich denke, vieles davon ist viel Lärm um nichts." Ganz anders sieht es dagegen der britische Silbermedaillengewinner Matt Richards in der BBC. "Niemand schert sich um Zeiten bei Olympia. Es kommt darauf an, wo du auf dem Podium landest. Mir geht es nur um die Platzierung."
Am Mittwoch zeigte sich dann: Ganz unmöglich ist es doch nicht, einen Rekord in Paris zu schwimmen. Der Chinese Pan Zhanle stellte über 100 Meter Freistil in 46,60 Sekunden einen neuen Weltrekord auf. Der Weltmeister blieb gleich vier Zehntelsekunden unter seiner eigenen Bestmarke. Auf Platz sechs schwamm Josha Salchow, der erste Deutsche seit 32 Jahren in einem Olympia-Finale über 00 Meter Freistil. Er verbesserte seinen Deutschen Rekord um fünf Hundertstel auf 47,80 Sekunden.
Quelle: ntv.de