Wirtschaft

30 Prozent Plus in zwei Wochen Chinas Aktienboom ist auf Sand gebaut

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Nach dem großen Börsenknall macht sich Ernüchterung breit.

Nach dem großen Börsenknall macht sich Ernüchterung breit.

(Foto: picture alliance / dpa)

Mit gigantischen Geldspritzen hat Chinas Präsident Xi Jinping die größte Börsen-Rally in Asien seit 2008 angefacht. Doch wenn er das Monster nicht weiter füttert, ist die Party bald vorbei. Es bleibt nur eine Option.

Als Aktienhändler an den chinesischen Börsen braucht man in letzter Zeit extrem flinke Finger. Nach der Ferienwoche um den Nationalfeiertag schnellte am Dienstag der CSI 300, der die wichtigsten Titel der beiden größten Festlandbörsen Shanghai und Shenzhen misst, zur Eröffnung erst um fast 11 Prozent nach oben. Doch die Euphorie währte nicht lange: Am Ende des Tages ging der Index mit gerade noch gut sechs Prozent Plus aus dem Handel. Und genauso schnell ging es dann heute wieder runter: um knapp über 7 Prozent - der größte Absturz seit 2020.

Die Achterbahn-Börse ist ein Alarmsignal, dass die Aktienrally im Reich der Mitte auf äußerst wackeligen Füßen steht. Noch wetten Investoren darauf, dass die beste Börsenwoche in China seit der Finanzkrise 2008 weitergeht. Am 24. September hatte die chinesische Zentralbank das größte Konjunkturpaket seit der Covid-Pandemie geschnürt. Neben den Leitzinsen senkten die Notenbanker auch die Zinsen für laufende Hypotheken und die Mindestanzahlung bei Immobilienkäufen. Seitdem hat etwa der CSI 300 in nur zwei Wochen mehr als 30 Prozent zugelegt. Faktisch in nur knapp einer Woche, denn seit dem 1. Oktober waren die Handelssäle ja bis Dienstag geschlossen.

Doch wie sich nun zeigt, macht sich nach dem großen Knall immer mehr Ernüchterung breit. Alle Anleger hoffen darauf, dass Chinas Wirtschaftsplaner weitere Konjunkturpillen nachlegen. Doch Pekings Bürokraten haben nicht wie erwartet geliefert. "Das passiert, wenn man das Monster füttert", zitiert die "Financial Times" eine Analystin. "Jeden Tag muss man die Essensmenge erhöhen. Sonst wendet es sich gegen dich."

Chinas Wirtschaftsplaner füttern das Monster

Das nervöse Auf und Ab ist das bislang deutlichste Zeichen, dass die Siegesserie an den Märkten nur ein Strohfeuer sein könnte. Hoffnung ist momentan die einzige Triebfeder des Börsenfiebers. Nur das Versprechen auf immer neue Konjunkturspritzen hält es noch in Gang. Denn eigentlich läuft es in China alles andere als gut.

Er habe "volles Vertrauen", dass Chinas Wirtschaft in diesem Jahr die offiziell vorgegebene Messlatte von 5 Prozent Wachstum erreichen werde, sagte Pekings oberster Planer am Dienstag. Doch mehr als Wunschdenken hatte er nicht im Gepäck. Vor allem keine weiteren Ausgabenprogramme, auf die die Investoren gehofft hatten.

Selbst wenn die Volksrepublik die selbst gesteckte Zielmarke erreichen sollte, läge das Wachstum damit immer noch auf dem niedrigsten Stand seit Jahrzehnten. Die Zeiten, in denen das Reich der Mitte Jahr für Jahr um gut zehn Prozent zulegte, sind längst vorbei. Die Immobilienkrise hat das Land fest im Griff: Noch immer ächzen Banken unter einem gigantischen Berg fauler Kredite, nachdem sie im Bausektor auf Geheiß der Partei eine Kreditblase aufgepumpt hatten, und stehen überall in China ganze Geisterstädte leer. Seit der Covid-Pandemie ist Chinas Wirtschaftsmotor nie mehr richtig in Gang gekommen.

Es scheint ganz so, als käme nach der Immobilienblase nun die Börsen-Bubble. Analysten von Morgan Stanley warnen schon vor einem Überhitzen. "Die Nachhaltigkeit dieser China-Rally wird davon abhängen, ob den Worten auf der fiskalischen Seite Taten folgen", zitiert Bloomberg einen Investmentmanager in Hongkong. Doch genau da halten sich die Entscheider in Peking noch bedeckt. Sie haben lediglich angekündigt, weiter Anleihen mit ultralanger Laufzeit auflegen zu wollen. Doch wann und wie viel Geld ausgegeben werden soll, steht in den Sternen.

Historischer Crash-Kurs in Shanghai

Die Weltbank warnt inzwischen, die Konjunkturhilfen der vergangenen Wochen seien "kein Ersatz für weitreichendere, strukturelle Reformen, die nötig sind, um das längerfristige Wachstum anzuschieben". Sie geht zwar in diesem Jahr noch weiter von 4,8 Prozent Wachstum aus, 2024 sollen es aber nur noch 4,3 Prozent sein. Schon im vergangenen Jahr prognostizierte auch der Internationale Währungsfonds (IWF), dass Chinas Wachstum sich mittelfristig unter 4 Prozent einstellen werde.

Klar ist, dass es ohne weiteres Schuldenmachen nicht geht: "Nur falls beträchtliche und anhaltende fiskalische Maßnahmen auf die Tagesordnung kommen, wird Chinas Wirtschaft weiteren Schwung gewinnen", zitiert Bloomberg den China-Chefvolkswirt von Jones Lang LaSalle. Doch die Finanzwelt ist sich uneinig, ob der Rettungsplan gelingt. Und ob es daher nun Zeit ist, noch in Chinas Börsenwunder einzusteigen oder dem Land den Rücken zu kehren.

Denn schon früher haben sich Aktienbooms im Reich der Mitte als trügerisch erwiesen: Schon 2014, als China ebenfalls in der Wachstumsflaute steckte und die Partei deshalb Konjunkturspritzen verteilte, verdoppelte die Shanghai-Börse in einem halben Jahr ihren Wert. Und crashte dann ab Mitte 2015 in wenigen Wochen spektakulär um 40 Prozent.

Hinzu kommen geostrategische Verschiebungen und Risiken, die sich nicht ignorieren lassen, allen voran die US-Präsidentschaftswahl in einem Monat. Sollte Donald Trump ins Weiße Haus einziehen und seinen 60-Prozent-Zoll auf alle Importe aus China wahr machen, dürfte das die Börsen in Shanghai und Shenzhen kaum kalt lassen. Xi Jinping bleibt also wohl keine andere Wahl, als den Geldhahn weiter aufzudrehen.

Quelle: ntv.de

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