Globaler Trend zur Abschottung IWF: Populismus gefährdet Weltwirtschaft
04.10.2016, 16:35 Uhr
Mehr noch als über die direkten Auswirkungen des EU-Austritts Großbritanniens sorgt sich der IWF über den globalen Trend, der hinter dem Votum steckt.
(Foto: dpa)
Mit Protektionismus reagieren viele Politiker auf Unsicherheit, Arbeitslosigkeit und Ungleichheit. Doch so werde alles noch schlimmer, warnt der IWF. Für Deutschland und die Eurozone enthält die neueste Konjunkturprognose dennoch eine gute Nachricht.
Das britische Votum für den EU-Austritt sowie protektionistische Tendenzen in den USA und Europa bergen nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) erhebliche Risiken für die Weltwirtschaft. Die Brexit-Entscheidung vom Juni bewertet der Fonds im neuen Konjunkturausblick als Teil einer globalen Bewegung zugunsten wirtschaftlicher Abschottung.
Beim Handel "die Uhr zurückzudrehen, verstärke und vertiefe nur die derzeitige Flaute der Weltwirtschaft", warnt der IWF. Trotz der Risiken halten die Washingtoner Experten an ihren bisherigen Prognosen für das globale Wachstum fest. Wie bereits in einer vorherigen Schätzung vom Juli sagen sie ein Wachstum der Weltwirtschaft im laufenden Jahr um 3,1 Prozent und im kommenden Jahr um 3,4 Prozent voraus.
Sechs Jahre nach der Finanzkrise stehe die globale Konjunktur weiterhin auf schwachen Füßen, was sich in hohen Arbeitslosenzahlen, stagnierenden Löhnen und wachsenden wirtschaftlichen Ungleichheiten niederschlage, resümiert der IWF. Daraus wiederum erwachse die zunehmende Popularität protektionistischer Programme, wie sie sich auch im US-Präsidentschaftswahlkampf zeige. Solche Tendenzen könnten aber Unternehmen dazu veranlassen, sich mit Investitionen zurückzuhalten und so die Schaffung neuer Jobs zu begrenzen.
Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat angekündigt, sämtliche von den USA abgeschlossenen Handelsabkommen neu verhandeln zu wollen. Die Demokratin Hillary Clinton hat sich gegen das bereits fertig ausgehandelte TPP-Abkommen mit elf Staaten aus dem pazifischen Raum positioniert.
Deutschland wächst ein wenig schneller
Zum britischen EU-Austrittsvotum vom Juni wiederum stellt IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld fest, die Reaktion der Märkte sei zwar "auf beruhigende Weise in geordneten Bahnen" verlaufen. Doch seien die letztlichen ökonomischen Auswirkungen der Brexit-Entscheidung noch "sehr unklar".
Zudem könne auch in den übrigen EU-Ländern der Druck auf die Politik wachsen, einen "populistischen, stärker nach innen gerichteten" Kurs einzuschlagen, warnt der IWF. Für die Eurozone korrigierte er seine Prognose gleichwohl leicht nach oben: Für 2016 liegt sie bei 1,7 und für nächstes Jahr bei 1,5 Prozent. Im Vergleich mit der letzten Prognose vom Juli wurden die Zahl damit um jeweils 0,1 Punkte nach oben geschraubt.
Für Deutschland erwartet der Fonds ein Wachstum von 1,7 Prozent in diesem Jahr und von 1,4 Prozent im kommenden Jahr, womit die Prognosen um 0,1 beziehungsweise 0,2 Punkte verbessert wurden.
Die Prognose aus Washington liegt damit etwas unter jener der fünf führenden deutschen Wirtschaftsinstitute. Diese rechnen für das laufende Jahr mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,9 Prozent. Für 2017 erwarten die Institute aber ebenso wie der IWF 1,4 Prozent.
Quelle: ntv.de, mbo/AFP