Wirtschaft

Ehegattensplitting und Minijobs Reform könnte 100.000 Jobs für Frauen schaffen

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Ehegattensplitting bringt gegenüber der Einzelveranlagung meistens einen erheblichen Steuervorteil, macht Erwerbsarbeit für Frauen aber auch unattraktiv.

(Foto: picture alliance / dpa Themendienst)

Viele Frauen machen eine teure Ausbildung, kommen aber nie richtig am Arbeitsmarkt an. Warum? Weil Berufstätigkeit für sogenannte Zweitverdienerinnen oft finanziell unattraktiv ist. Die Hürden bei der Arbeitsaufnahme sind Experten zufolge weder gerecht noch zeitgemäß.

Die Bertelsmann-Stiftung fordert in ihrer jüngsten Studie eine dringende Reform von Ehegattensplitting und Minijob-Regelung, damit Arbeit für Ehefrauen mit niedrigerem Lohn als ihre Ehemänner endlich attraktiver wird. Laut den Studienautoren könnte eine Kombi-Reform die finanziellen Hürden für (Mehr-)Arbeit abbauen und mehr als 100.000 Frauen in eine gleichwertige Beschäftigung bringen.

Die Studie, die von Arbeitsmarktforschern des Ifo-Instituts angefertigt wurde, simuliert, wie sich Veränderungen der Besteuerungsregeln auf das verfügbare Einkommen eines Haushalts auswirken. Im Fokus stehen die Frauen. Den Autoren zufolge haben 6 Millionen von 7,6 Millionen Ehefrauen - rund drei Viertel - im Alter von 25 bis 60 Jahren ein geringeres Einkommen als ihre Partner. Weil das Steuer- und Sozialversicherungssystem in Deutschland falsche Anreize setze, sei Arbeit für diese sogenannten Zweitverdienerinnen finanziell nicht attraktiv genug, heißt es.

Grund hierfür sei unter anderem das sogenannte Ehegattensplitting. Hierbei werden Partner, die unterschiedlich viel verdienen, mit Steuerklasse 3 und 5 veranlagt. Finanziell sinnvoll ist dies bei einem Einkommensverhältnis 60:40. Das Haushaltseinkommen wird dabei gewissermaßen umgeschichtet. In der Steuerklasse 3 des Hauptverdieners reduzieren sich die Steuerabzüge (aufgrund von Freibeträgen), während sie sich in der Steuerklasse 5 der Zweitverdienerin erhöhen. Unterm Strich führt das dazu, dass beide demselben Steuersatz unterliegen. Am Ende steht dem gemeinsamen Haushalt dafür mehr Geld zum Lebensunterhalt zur Verfügung. Die Falle besteht darin, dass es sich in manchen Konstellationen jedoch nicht mehr lohnt, dass der Partner mit dem geringeren Einkommen arbeitet.

Neben der "Zweitverdienerinnen-Falle" stecken viele Frauen, die berufstätig sein möchten, zudem in der "Minijob-Falle". Ein Beispiel der Autoren veranschaulicht es: Verdient der Ehemann 48.000 Euro brutto im Jahr, würde die Ehefrau bei einem Stundenlohn von 10 Euro und einem steuer- und abgabenfreien Minijob mit rund 10 Wochenstunden 5400 Euro im Jahr hinzuverdienen. Wählt sie stattdessen einen Teilzeitjob mit 20 Wochenstunden, bei gleichem Bruttostundenlohn, blieben der Familie nicht einmal mehr 1000 Euro zusätzlich. Unterm Strich lohnt es sich für die Frau also nicht, mehr zu arbeiten.

"Arbeit muss sich für alle lohnen"

Um Ehefrauen einen gerechten Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren, plädieren die Autoren dafür, die Fehlanreize durch diese Regelungen zu beseitigen. Statt eines Ehegattensplittings fordern sie ein reales Splitting durch separate Veranlagung der Eheleute – inklusive eines begrenzten Betrags in Höhe von 13.805 Euro, der die Unterhaltspflichten widerspiegelt und auf die Frau übertragen werden kann. "Durch eine Reform des Ehegattensplittings verändern sich die Anreize zur Arbeitsaufnahme bzw. Ausweitung insbesondere für Zweitverdienerinnen. Für diese ist es keine Steuererhöhung und niemand wird zu irgendetwas gezwungen", sagt Studienauto Andreas Peichl ntv.de. Auch werde Teilzeit nicht unattraktiver gemacht, " sondern es werden nur die relativen Anreize so verändert, dass es am Ende zu mehr Beschäftigung kommt".

Dazu gehört für die Autoren auch, dass Minijobs in reguläre sozialversicherungs- und steuerpflichtige Beschäftigung umgewandelt werden. Beides zusammen bringe die größten Beschäftigungseffekte für Frauen, heißt es. Eine Kombi-Reform könnte ihren Berechnungen zufolge 124.000 Menschen in Arbeit bringen, davon 108.000 Frauen.

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"Arbeit muss sich für alle lohnen, insbesondere für Frauen und Mütter", sagt Manuela Barišić, Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann-Stiftung. "Nur eine kombinierte Reform hilft, die sich gegenseitig verstärkenden negativen Effekte von Ehegattensplitting und Minijob-Regelung zu beheben." Eine doppelte Reform wäre laut den Autoren nicht nur aufkommensneutral für den Staat, sondern würde auch die unteren 40 Prozent der Einkommen entlasten.

Hürden beim Zugang zum Arbeitsmarkt abzubauen, ist nicht aber nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern birgt noch andere Vorteile, wie Experten immer wieder betonen: Vor allem wegen des Fachkräftemangels und der Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Rente sollte der Zugang zum Arbeitsmarkt für Frauen attraktiver gemacht werden. "Ein erheblicher Teil des Arbeitskräftepotenzials von Frauen wird aktuell nicht voll ausgeschöpft. Im Zuge des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels kann Deutschland sich dies nicht mehr leisten. Eine kombinierte Reform könnte auch helfen, Geschlechterunterschiede auf dem Arbeitsmarkt zu reduzieren," sagt Barišić.

Quelle: ntv.de, ddi

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