Wirtschaft

Geheime Öltransporte auf See So funktioniert Putins Schattenflotte

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Ein russischer Tanker nimmt im Oktober bei Krasnodar am Schwarzen Meer neues Öl auf.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Seit 5. Dezember gilt ein Preisdeckel für russische Öltransporte auf See. Die EU und die USA wollen damit verhindern, dass Wladimir Putin neues Geld für seinen Angriff auf die Ukraine einnimmt. Der russische Präsident will die Sanktionen mit einer geheimen Tankerflotte umgehen.

Anfang März ist erstmals ein Embargo für russisches Öl in Europa Thema. Neun Monate später tritt es gemeinsam mit einem Ölpreisdeckel in Kraft: Anfang Dezember haben die EU, die G7 und Australien festgelegt, dass ein Fass russisches Öl der Sorte Urals nur noch dann auf dem Seeweg transportiert werden darf, wenn es weniger als 60 US-Dollar kostet.

Es soll der stehende K.o. für das russische Ölgeschäft sein, denn die allermeisten Tanker der Welt fahren unter griechischer, maltesischer oder zyprischer Flagge. Will Moskau sein Öl weiter in die Welt verkaufen, geht das nur noch nach westlichen Preisvorgaben und mit gedeckelten Einnahmen, die nicht ausreichen, um die Kriegskasse zu füllen - das war die Hoffnung.

Doch je näher die Preisgrenze kam, desto häufiger war von einer russischen Tankerflotte zu lesen. Still und heimlich soll Russland in den vergangenen Monaten mehr als 100 alternde Tanker für eine geheime Schattenflotte gekauft haben. Alte Schiffe aus dem Iran oder Venezuela, die eigentlich verschrottet werden sollten, hatte die "Financial Times" berichtet. Mit ihnen will der russische Präsident Wladimir Putin den Ölpreisdeckel umgehen.

Verkäufe brechen ein

Ein lukrativer Plan, denn die Einnahmen vor allem aus dem Ölgeschäft sind gewaltig. Allein seit Kriegsbeginn haben fossile Brennstoffe fast 250 Milliarden Euro in die russische Kriegskasse gespült - das geht aus einer Übersicht hervor, die das Zentrum zur Erforschung von Energie und sauberer Luft (CREA) zusammengestellt hat. Zwei Drittel der Summe entfallen auf Ölprodukte.

Allerdings befinden sich die Verkäufe seit Kurzem im Sinkflug, nicht nur in Europa, sondern auch bei den neuen russischen Großkunden China und Indien: So hatte die Volksrepublik von April bis Ende November täglich etwa 200 Millionen Euro für fossile Brennstoffe an Russland überwiesen. Seit Anfang Dezember ist die Summe um gut die Hälfte geschrumpft.

Auch die indischen Einkäufe haben sich zuletzt halbiert: Statt gut 100 Millionen Euro kauft der Subkontinent derzeit täglich nur noch für etwa 50 Millionen Euro Öl in Russland ein. Wie die "Financial Times" herausgefunden hat, auch nach dem 5. Dezember in mindestens sieben Fällen mit Tankern, die in Europa versichert waren. Denn nicht nur die großen Tankerflotten, sondern auch die wichtigsten Schifffahrtsversicherer befinden sich in europäischer Hand. Moskau hat die Preisobergrenze also in mehreren Fällen akzeptiert, obwohl der russische Präsident Putin angekündigt hatte, zu diesem Preis keine Geschäfte zu machen.

Viele Tanker verschleiern Position

Es gibt einige Hinweise, dass die Ölpreisgrenze funktioniert. Aber die Indizien können auch täuschen, denn die Schattenflotte trägt ihren Namen nicht umsonst: Sie agiert im Hintergrund, verschleiert ihre Daten, schließt mutmaßlich keine Versicherungen ab und kann im internationalen Seeverkehr daher genauso wie die dazugehörigen Zahlungsflüsse nicht so einfach identifiziert und lokalisiert werden.

So berichtet der britische "Guardian", dass Tanker mit Verbindungen zu Russland im Südatlantik bereits seit einiger Zeit immer häufiger ihre Ortungssysteme ausschalten. Auch die "Financial Times" hat mindestens ein Schiff ausfindig gemacht, das mit falschen Positionsdaten arbeitet.

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Beide Berichte deuten darauf hin, dass sich Schattentanker auf hoher See mit anderen Tankern ohne Verbindungen zu Russland verabreden wollen, um das geladene Urals umzuladen. Anschließend kann bei den vermeintlich "sauberen" Tankern im Zielhafen nur noch mit viel Aufwand nachvollzogen werden, ob sie sanktioniertes russische Öl geladen haben oder nicht. Russland habe vom Iran und Nordkorea gelernt, wie man Ölsanktionen umgeht, zitiert der "Guardian" in seinem Bericht Windward, ein Beratungsunternehmen im Bereich der Schifffahrt.

Auch 100 Tanker sind zu wenig

Windward hat nach eigenen Angaben eine Übergabe im Atlantischen Ozean vor der afrikanischen Küste aufgedeckt: Entlarvt wurde der Vorgang demnach, als ein Tanker im Juni auf den Seychellen registriert wurde - der Inselstaat im Indischen Ozean werde für seine Verschwiegenheit geschätzt, heißt es auf unterschiedlichen Schifffahrtsportalen. Auffällig war weiterhin, dass der Tanker Mitte Oktober plötzlich sechs Tage am exakt gleichen Ort vor der Küste Angolas im Südatlantik verbracht haben soll. Das aber wäre für einen Tanker sehr ungewöhnlich, heißt es von Windward.

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Wo auch immer er sich in dieser Zeit tatsächlich befunden hat: Mutmaßlich fand in dieser Zeit die Übergabe des russischen Öls statt. Denn als sich der Tanker nach sechs Tagen wieder bewegte, fuhr er einen Hafen in Malaysia an. Und wie Windward nach einer Auswertung behauptet, hatte er dort plötzlich mehr Tiefgang als beim letzten Stopp an Land, obwohl er offiziell in der Zwischenzeit nicht beladen wurde.

Schifffahrtsexperten würden diesen mutmaßlichen Erfolg der russischen Schattenflotte aber nicht überbewerten. Denn selbst eine ausgelastete und erfolgreiche Ansammlung von mehr als 100 Tankern reicht nicht aus, um alle russischen Ölexporte des Jahres 2022 auf See zu ersetzen, wie sie erklären. Dafür wären mutmaßlich 240 Tanker nötig, zitiert die "Financial Times" einen Branchenanalysten. So viele Tanker muss Russland erst einmal vor der Verschrottung bewahren.

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Quelle: ntv.de

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