Vor Abstimmung der EU USA erhöhen Druck bei Nord Stream 2
07.02.2019, 12:47 Uhr
Ein Arbeiter verschweißt Rohre für die Gaspipeline Nord Stream 2.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Gas-Pipeline Nord Stream 2 missfällt den USA. US-Botschafter rufen deshalb EU-Länder dazu auf, das deutsch-russische Projekt stärker zu regulieren. "Russlands Macht und Einfluss werden sich durch die Ostsee hindurch bis nach Europa ausbreiten", heißt es. Allerdings könnten die USA noch einen Grund für ihre Bedenken haben.
Die USA drängen die EU-Staaten dazu, das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 über eine Reform von EU-Richtlinien doch noch zu kippen. Die US-Botschafter in Deutschland, in Dänemark und bei der EU haben Partnerländer Deutschlands aufgerufen, Gesetzesvorschläge zur Regulierung der deutsch-russischen Gas-Pipeline zu unterstützen.
"Nord Stream 2 würde die Anfälligkeit Europas für russische Erpressungen im Energiebereich weiter erhöhen", schrieben Richard Grenell und seine Amtskollegen Carla Sands und Gordon Sondland in einem Gastbeitrag für die Deutsche Welle. Dass die EU von russischem Gas abhängig sei, berge Risiken für Europa und den Westen insgesamt.
"Nord Stream 2 wird mehr als nur russisches Gas liefern. Russlands Macht und Einfluss werden sich durch die Ostsee hindurch bis nach Europa ausbreiten", heißt es in dem Text der Botschafter. Die Pipeline werde es Moskau ermöglichen, die Souveränität und Stabilität der Ukraine weiter zu untergraben. Zudem könnten mit den Milliardeneinnahmen aus Europa Desinformationsfabriken finanziert werden, die sich gegen demokratische Institutionen in Europa und den Vereinigten Staaten richteten. Die Bedenken der USA könnten allerdings noch einen anderen Grund haben: Beobachter vermuten auch, dass die USA ihr teureres Flüssiggas nach Europa liefern wollen.
In der EU soll an diesem Freitag über eine Revision der sogenannten Gas-Richtlinie abgestimmt werden. Sie würde es der EU-Kommission ermöglichen, zumindest Teile der bereits im Bau befindlichen Ferngasleitung zu regulieren. Nord Stream 2 müsste dann neue Bedingungen erfüllen, die den Gewinn schmälern und das Projekt womöglich unwirtschaftlich machen könnten. So ist zum Beispiel vorgesehen, dass ein Gaslieferant nicht gleichzeitig Betreiber einer Leitung sein darf. Bei Nord Stream 2 hat der russische Staatskonzern Gazprom beides in der Hand.
Stellt sich Frankreich gegen das Projekt?
Ein Erfolg der Regulierungspläne galt eigentlich als unwahrscheinlich. Bislang wurde Deutschland bei dem Pipeline-Projekt von Frankreich unterstützt. Laut der "Süddeutschen Zeitung" will Frankreich nun aber am Freitag dagegen votieren, was die Mehrheitsverhältnisse entscheidend verändern könnte. Das Projekt werfe "strategische Probleme" im angespannten Verhältnis zu Moskau auf, zitierte die Zeitung aus französischen Regierungskreisen. "Wir wollen nicht die Abhängigkeit von Russland verstärken und dabei noch den Interessen von EU-Ländern wie Polen und der Slowakei schaden", hieß es demnach in Paris.
Als eine mögliche Erklärung für die neue französische Positionierung gilt der zuletzt noch einmal gestiegene Druck der USA. In Washington wurden so neue Russland-Sanktionen in Erwägung gezogen, die auch den in Russland sehr aktiven französischen Ölkonzern Total treffen könnten. Eine Vermutung lautet, dass die USA Frankreich mit solchen Gedankenspielen zumindest indirekt erpresst haben könnten. Paris würde mit der Ablehnung der Pipeline in Kauf nehmen, dass es zu einem schweren Streit der für die EU zentralen Partner Deutschland und Frankreich kommt. Seit seinem Amtsantritt hatte Staatspräsident Emmanuel Macron stets die enge Partnerschaft mit Bundeskanzlerin Angela Merkel betont.
Die EU-Kommission hatte die Änderung der Gasrichtlinie schon im November 2017 vorgeschlagen. Seitdem liegt sie wegen der Blockade Deutschlands und einiger anderer EU-Länder auf Eis. Sollte es am Freitagnachmittag bei einer Abstimmung im Kreis der zuständigen EU-Botschafter jedoch grünes Licht geben, könnte die neue Richtlinie bereits vor der Europawahl endgültig beschlossen werden. Im Europaparlament gibt es eine klare Mehrheit dafür.
Mit Nord Stream 2 sollen jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland an Drittstaaten wie der Ukraine oder Polen vorbei durch die Ostsee nach Deutschland transportiert werden können. Ende 2018 waren bereits 370 Kilometer der 1200 Kilometer langen Rohrleitung verlegt. Die baltischen Staaten und Polen sehen die Trasse als Gefahr für ihre Sicherheit. Die Ukraine befürchtet den Verlust von Milliardeneinnahmen als Transitland für russisches Gas.
Erst jüngst hatte der US-Botschafter Grenell in einem für Diplomaten ungewöhnlichen Schreiben an deutsche Unternehmen vor einem "erheblichen Sanktionsrisiko" für diejenigen gewarnt, die am Bau der russischen Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 beteiligt sind.
Quelle: ntv.de, jpe/dpa/AFP/rts