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Baubranche hat nichts zu tun Warum in Deutschland nicht mehr saniert wird

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Die Baubranche hat derzeit wenig zu tun.

Die Baubranche hat derzeit wenig zu tun.

(Foto: picture alliance/dpa)

Knapp 35 Prozent der gesamten Endenergie wird in Gebäuden verbraucht. Der Gebäudesektor ist somit entscheidend für die Energiewende. Doch die Quote energetischer Sanierungen befindet sich im Sinkflug.

Wer es mit Energiesparen und Klimaschutz ernst meint, kommt an einem Sektor nicht vorbei: Knapp 35 Prozent unserer gesamten Endenergie wird in Gebäuden verbraucht. Beim Heizen, beim Duschen, beim Abwaschen. Dabei gilt: Wo viel verbraucht wird, lässt sich auch viel einsparen. Für Neubauten gelten deswegen bereits strenge energetische Vorschriften, die energetische Sanierung von älteren Häusern wird gefördert.

Tatsache allerdings ist: Die Sanierungsquote befindet sich im Sinkflug: 2022 lag sie laut dem Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG) immerhin noch bei 0,88 Prozent. Vergangenes Jahr fiel sie auf 0,7 Prozent. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wird sie voraussichtlich weiter sinken.

Vor dieser Entwicklung hatte der Verband die Politik bereits vergangenen Sommer in einem Brandbrief gewarnt - leider ohne Erfolg, wie BuVEG-Chef Jan Peter Hinrichs im Gespräch mit ntv.de erklärt. "Es gab einen großen Baugipfel, wo viele Dinge ins Schaufenster gestellt wurden. Aber nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts hatte die Regierung andere Sorgen und hat einen großen Teil des 14-Punkte-Plans einfach gestrichen. Darunter war bedauerlicherweise auch die Verbesserung der Sanierungsförderung. Das Ergebnis sieht man in den Zahlen: Es werden kaum noch Anträge für energetische Sanierungen gestellt. Gerade die hätten allerdings den starken Rückgang im Neubau kompensieren können. Ich gehe fest davon aus, dass wir im Sommer schwere Probleme im gesamten Bau bekommen werden."

Kosten, Zinsen, Inflation

Deutschland will bis 2050 erreichen, dass alle Gebäude möglichst wenig Energie verbrauchen. Konkret sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 66 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden. Das aktuelle Tempo ist dafür viel zu langsam: Damit bräuchte Deutschland noch etwa 100 Jahre, um den gesamten Bestand von 21 Millionen Gebäuden zu sanieren. Eine große Herausforderung sind speziell die 15 bis 16 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser.

Das Problem sind in vielen Fällen wenig überraschend die Kosten. Eine komplette energetische Sanierung kostet schnell viele Zehntausend Euro. Eine zusätzliche Belastung für Hausbesitzer sind hohe Zinsen und teure Baumaterialien.

Dass die Ampel bei der Förderung nicht nachgelegt hat, wäre vor zwei Jahren vielleicht noch zu verkraften gewesen. Damals boomte der Neubau, die Baubranche hatte kaum Luft für energetische Sanierungen. Jetzt, wo durch Zinsen und Inflation der Neubau aber ebenfalls eingebrochen ist, sitzen viele Firmen plötzlich auf dem Trockenen. Zusätzlich zum Klimaschutz leidet also auch die Wirtschaft - und der Wert der Immobilie, wie Hinrichs erklärt: "Wenn nicht saniert wird, sieht man eine krasse Immobilienabwertung." Vor allem auf dem Land können es ihm zufolge 20 bis 30 Prozent Wertverlust sein. Die Zeiten, in denen man Haus oder Wohnung nur nach Lage kaufen konnte, seien vorbei, sagt Hinrichs.

Das Problem ist, dass der sinkende Immobilienwert in vielen Fällen gar kein Anreiz ist, sich mit einer energetischen Sanierung zu beschäftigen. Denn die allermeisten Eigenheimbesitzer wollen in ihren Häusern wohnen und sie nicht verkaufen. Der Wert wird in vielen Fällen erst dann entscheidend, wenn Haus oder Wohnung vererbt werden soll, sagt Hinrichs.

Maßnahmen von der Steuer absetzen

Der BuVEG-Chef setzt sich deswegen weiterhin für zusätzliche Förderung ein, die so gut und simpel ist, dass eine Sanierung selbst dann sinnvoll erscheint, wenn das Eigenheim nicht verkauft werden soll. Hinrichs schlägt vor, einzelne Maßnahmen unkompliziert von der Steuer absetzen zu können. In einigen Fällen klappt das bereits. Das Finanzamt will lediglich eine Rechnung und eine Bescheinigung der Baufirma sehen, dass alle Maßnahmen nach den gesetzlichen Vorgaben erfolgt sind. Das gilt auch für Materialien, die man selbst eingekauft und dem Unternehmen zur Verfügung gestellt hat.

Bisher dürfen allerdings über einen Zeitraum von drei Jahren nur 20 Prozent oder maximal 40.000 Euro beim Finanzamt geltend gemacht werden. Zu wenig, findet Hinrichs.

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Immerhin: Auch der Bundesregierung scheint aufgefallen zu sein, dass die niedrige Sanierungsquote ein Problem ist. Das Finanzministerium möchte bei der Förderung nachbessern. Allerdings ist keine Erhöhung geplant. Das Ministerium von FDP-Chef Christian Lindner will laut Table.Media lediglich technische Mindestanforderungen für energetische Maßnahmen wie den Einbau von digitalen Systemen zur Betriebs- und Verbrauchsoptimierung, die Erneuerung der Heizungsanlagen oder den sommerlichen Wärmeschutz aktualisieren. "Die Maßnahmen zielen darauf ab, verschiedene Förderziele besser aufeinander abzustimmen und die Lenkungswirkung zu erhöhen", heißt es. Reicht das, um den Sinkflug der Sanierungsquote umzukehren?

"Wieder was gelernt"-Podcast

Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?

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Quelle: ntv.de

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