Transplantation von Organ und Zellen Abstoßung wird reduziert
11.03.2012, 09:49 Uhr
Mediziner bereiten eine Niere für die Transplantation vor.
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Nierentransplantierte müssen in Zukunft möglicherweise nicht ihr Leben lang Medikamente gegen die Abstoßungserscheinungen einnehmen. Spezialisten untersuchen gerade die Wirkungen, wenn neben dem Organ auch noch Blutstammzellen des Spenders transplantiert werden. Die Ergebnisse sind aussichtsreich.
Nach einer neuen Vorbehandlung im Zuge ihrer Nierentransplantation konnten fünf von acht Patienten ihre immunabwehrunterdrückenden Medikamente nach einem Jahr absetzen. Das berichtet eine Gruppe um Joseph Leventhal vom Northwestern Memorial Hospital in Chicago. Die Ergebnisse der klinischen Phase-II-Studie erscheinen im Journal "Science Translational Medicine".
Nicht alle Details der Behandlung sind dort offengelegt: Mitglieder des Teams haben gemäß den Statuten des Journals finanzielle Interessen erklärt. Sie arbeiten beim Biotechnik-Unternehmen Regenerex. Dieses will die beschriebene Behandlung für weitere Patienten anbieten – gegen Bezahlung und unter Aufsicht der zuständigen US-Medizin- und Gesundheitsbehörde FDA.
Immunsystem kämpft gegen alles Fremde
Das Immunsystem des Menschen ist darauf programmiert, alles Fremde zu bekämpfen. Dies gilt auch für eingepflanzte Spenderorgane, die von vielen körpereigenen Zellen angegriffen und schließlich abgestoßen werden. Mit Medikamenten lässt sich diese Abstoßung bremsen – die Präparate bringen aber zahlreiche Nebenwirkungen mit sich. Hinzu kommen Infektionsrisiken, die ein gedämpftes Immunsystem mit sich bringt. Daher suchen Mediziner seit Jahrzehnten nach Wegen, um dem Immunsystem des Empfängers das transplantierte Organ "vorzustellen", damit es "lernt", dieses zu akzeptieren.

Da die Zahl der Organspender 2011 gesunken ist, soll in Zukunft die Bereitschaft zu einer Spende regelmäßig abgefragt werden.
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Leventhal und seine Kollegen übertrugen während der Behandlung – diese war von der FDA abgesegnet – nicht nur eine Niere des Spenders auf den Empfänger. Hinzu kamen noch Blutstammzellen und eine Gruppe besonderer Vorläuferzellen des Spenders (sogenannte plasmazytoide Zellen). Dies führte zu einem gemischten ("chimären") Bestand von Immunzellen aus jenen des Spenders und jenen des Empfängers im Organismus des Transplantierten. "Er hat also ein gemischtes Immunsystem", erklärt die Fachimmunologin Professor Monika Lindemann vom Institut für Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum Essen. Zu ihren Spezialgebieten gehören Transplantationsimmunologie, Immundefekte und Immungenetik.
"Die zusätzlich übertragenen Zellen aus dem Spender haben allem Anschein nach eine modulierende Wirkung aufs Immunsystem des Empfängers", ergänzt die Medizinerin. Ihrer Einschätzung nach handelt es sich bei den beschriebenen Ergebnissen um "einen guten Erfolg".
Übertragung miit Chemotherapie und Bestrahlung
Zugleich verweist Lindemann darauf, dass die Übertragung von Spender-Niere und Spender-Immunsystem ein drastischer Eingriff in den Körper ist. Dafür sind eine Chemotherapie und eine Ganzkörperbestrahlung nötig. "Einer der drei übrigen Patienten, die die Medikamente nicht absetzen konnten, ist ja auch gestorben. Womöglich wäre das nicht der Fall gewesen, wenn er auf herkömmliche Weise eine neue Niere bekommen hätte", sagte die Essener Ärztin. Sie weist darauf hin, dass zuvor bereits ähnliche Versuche an Tieren und beim Menschen gezeigt hatten, dass der nun beschrittene Weg im Prinzip aussichtsreich ist.
Die neuen Ergebnisse sind bei Weitem besser als die bisherigen, urteilen James Markmann und Tatsuo Kawai vom Massachusetts General Hospital (Boston) in einem begleitenden "Science"-Kommentar. Sie weisen aber darauf hin, dass Leventhal und sein Team nicht genau verraten, welche Blutzellen sie verwenden und wie sie diese aufbereiten. "Das könnte andere Gruppen daran hindern, die Ergebnisse nachzuvollziehen", schreiben sie.
Wenn sich die Resultate in einer größeren Patientengruppe wiederholen ließen, könnte das einen "enormen" Fortschritt, ja geradezu einen Paradigmenwechsel bei Organ-Transplantationen bringen. Allerdings könnte es bei komplizierteren Organen wie Herz, Lunge oder Lunge schwieriger werden, das Verfahren anzuwenden. Dennoch: Wenige Entwicklungen in der Transplantationsmedizin des vergangenen halben Jahrhunderts seien so aufregend wie diese, schreiben die Kommentatoren.
Zahl der Organspenden sinkt
Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) warten 12.000 Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan. Vermittlungsstelle für Organspenden in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Österreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn und Deutschland ist Eurotransplant. Dort werden gemeinsame Wartelisten geführt, um die Erfolgsaussichten zu erhöhen.
Die Zahl der Organspenden in Deutschland ist 2011 deutlich gesunken. Nach DSO-Angaben spendeten im vergangenen Jahr 1200 Menschen nach ihrem Tod Organe, 7,4 Prozent weniger als im Vorjahr. 4054 Menschen habe mit einer Transplantation geholfen werden können, im Jahr zuvor seien es 4326 gewesen, teilte die DSO mit. Ein möglicher Grund für den Rückgang sei die wachsende Zahl von Patientenverfügungen, die eine Organspende ausschließen.
Quelle: ntv.de, dpa