Nur noch Augenzwinkern ist möglich Glücklich trotz Ganzkörperstarre
24.02.2011, 10:49 Uhr
Das soziale Umfeld und die Art der Pflege von Patienten mit Locked-in-Syndrom spielt eine große Rolle für deren seelischen Zustand.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Obwohl sich sogenannte Locked-in-Syndrom-Patienten gar nicht mehr bewegen können, bezeichnen sich einige von ihnen als glücklich. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, an der 65 Betroffene teilnahmen. Insgesamt wurden 168 Ganzköprergelähmte angefragt.
Viele Patienten mit einem so genannten Locked-in-Syndrom bezeichnen sich einer Studie zufolge als glücklich, obwohl sie vollständig gelähmt sind. Mediziner der belgischen Universität Lüttich befragten 168 Mitglieder des französischen Verbands für das Locked-in-Syndrom (ALIS) zu ihrer Krankheitsgeschichte, ihren Lebensbedingungen und ihrem Gefühlsleben, wie sie in ihrer veröffentlichten Studie in der Online-Zeitschrift "BMJ Open" berichteten. Von 65 Patienten, die umfassend antworteten, bezeichneten sich demnach 72 Prozent als glücklich und nur 28 Prozent als unglücklich. Vier Prozent der in ihrem Körper "eingeschlossenen" Patienten wollten aus dem Leben scheiden.
Die Auswertung des Fragebogens habe gezeigt, dass "bestmögliche Pflege" sich auf lange Sicht wohltuend auf das Befinden und die Lebensdauer der Patienten auswirke, stellten die Mediziner um den Neurologen Steven Laureys fest. Wer am "Eingeschlossensein" erkranke - das Syndrom wird in den meisten Fällen durch einen Stammhirninfarkt ausgelöst - solle darüber informiert werden, dass er bei guter Pflege "eine beträchtliche Chance" habe, trotz der Ganzkörperlähmung wieder glücklich zu werden. Deshalb sei das Ergebnis der Studie auch in der Diskussion um Sterbehilfe für Locked-in-Patienten zu berücksichtigen.
Soziales Umfeld beeinflusst Gefühle
Den Medizinern zufolge antworteten von 168 nur 91 Patienten, und von diesen füllten nur 65 den Fragebogen vollständig aus. Von den Patienten, deren Antworten ausgewertet wurden, lebten zwei Drittel mit einem Partner zusammen, und 70 Prozent von ihnen waren gläubig. Die Untersuchung wurde in der Zeitschrift der britischen Vereinigung British Medical Association (BMA) veröffentlicht.
In Frankreich hatte in den 90er Jahren der am Locked-in-Syndrom erkrankte Journalist Jean-Dominique Bauby mit seinem Bestseller "Schmetterling und Taucherglocke" für Aufsehen gesorgt. Der frühere Chefredakteur der Frauenzeitschrift "Elle" war nach einem Schlaganfall im Dezember 1995 von Kopf bis Fuß gelähmt; er konnte nicht mehr sprechen, selbständig essen und atmen. Kontakt zur Außenwelt hielt Bauby durch Zwinkern mit dem Augenlid. Auf diese Weise diktierte er im Krankenhaus sein Buch, das in viele Sprachen übersetzt wurde. Bauby starb im März 1997 mit 46 Jahren. Seine Leidensgeschichte wurde unter anderem von dem amerikanischen Regisseur Julius Schnabel verfilmt, der dafür beim Filmfest in Cannes 2007 den Preis für die beste Regie erhielt.
Quelle: ntv.de, AFP