Größter künstlicher Stern In Jülich geht die Supersonne auf
23.03.2017, 07:16 Uhr
An einem 15 Meter hohen Stahlgerüst befestigt: Die 149 Xenon-Kurzbogenlampen sind alle auf einen Fleck ausgerichtet.
(Foto: picture alliance / Caroline Seid)
Sie sind 10.000 Mal so intensiv wie die Sonnenstrahlen, die wir kennen: Mit 149 Hochleistungsstrahlern arbeiten Wissenschaftler in Jülich an einem Solar-Treibstoff. So soll der Flugverkehr umweltfreundlicher werden.
Sie scheint nicht vom Himmel, sondern in einem Gebäude: "Synlight" heißt die künstliche Supersonne, die jetzt in Jülich bei Aachen steht. Sie ist so stark, dass man Abstand halten muss. Selbst das indirekte Licht, das von den Wänden der Halle reflektiert wird, könnte der Mensch nur etwa eine Sekunde lang aushalten. 149 Xenon-Kurzbogenlampen wurden hier zusammengesetzt. Gebündelt auf einen kleinen Fleck ist ihre Lichtintensität 10.000 Mal so groß wie die der Sonnenstrahlen, die die Erde erreichen. Dafür ist allerdings Strom aus der Steckdose nötig. An diesem Donnerstag geht die künstliche Supersonne des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR) in Betrieb.
Mit "Synlight" wollen Wissenschaftler des DLR-Instituts für Solarforschung Treibstoffe entwickeln, die sich mit Sonnenenergie herstellen lassen. Im Hinterkopf haben sie dabei nicht etwa Autos, sondern Flugzeuge. "Bei den Autos glauben wir, dass Elektromobilität eine super Sache ist. Für große Flugzeuge ist es im Augenblick nicht vorstellbar, dass man sie elektrisch antreibt, also mit Batterien ausstattet", erklärt DLR-Projektleiter Kai Wieghardt. Ein Ziel der Anlage ist daher die effiziente Herstellung von Wasserstoff, der als besonders umweltfreundlicher Treibstoff der Zukunft gilt. Wenn Wasserstoff mit Kohlendioxid reagiert, entsteht klimaneutrales Benzin, weil keine zusätzlichen Brennstoffe aus dem Boden geholt werden.
Draußen spielt das Wetter nicht mit
Da Wasserstoff nur als chemische Verbindung vorkommt - beispielsweise im Wasser gebunden an ein Sauerstoffatom -, soll er in Jülich mit der Supersonne abgespalten werden: Metall wird mit dem Sonnensimulator auf 800 Grad Celsius erhitzt und mit Wasserdampf bespritzt. Das Metall reagiert mit dem Sauerstoff, der Wasserstoff bleibt übrig. Beim weiteren Erhitzen (die Anlage schafft 3500 Grad) wird der Sauerstoff wieder vom Metall getrennt. In Laborversuchen soll auch untersucht werden, welches Metall sich am besten dafür eignet.
Unter freiem Himmel haben die Forscher wegen Wolken und Luftzirkulation nie anhaltend gleiche Strahlungsverhältnisse. Die aber sind für reproduzierbare Versuche nötig. Und bisherige Laboranlagen sind viel zu klein, um aus den Ergebnissen Wahrscheinlichkeiten für die Praxis berechnen zu können. Das soll mit dem großen Sonnensimulator in Jülich anders werden. Mit rund 350 Kilowatt hat die künstliche Sonne nach DLR-Angaben etwa das Zehnfache der Leistung herkömmlicher Laboranlagen zu bieten - und mehr als alle Labor-Hochleistungsstrahler weltweit. Die Anlage besteht aus 149 Lampen, die normalerweise für Großkino-Projektoren verwendet werden. "Wir verwenden die Lampen, weil ihr Licht dem der Sonne am ähnlichsten ist", sagt Projektleiter Wieghardt. Die innen verspiegelten Lampenschirme haben einen Durchmesser von einem Meter. Sie sind auf einer 14 Meter hohen und 16 Meter breiten Fläche wabenförmig angeordnet.
Sonne als schier endloser Energielieferant
Die Forschungsarbeiten in der Sonnensimulation werden nach DLR-Einschätzungen "etliche Jahre" dauern – um letztlich das schier endlose Energie-Reservoir der Sonne in solarthermischen Kraftwerken nutzbar zu machen. "Die Sonne schickt uns das 10.000-fache des Weltenergieverbrauchs auf die Erde. Das ist ein Vielfaches der natürlichen Ressourcen, die es an Brennstoffen und Treibstoffen noch gibt", sagt Wieghardt.
Der Sonnensimulator selbst ist allerdings ein Energiefresser: In vier Stunden Betrieb verbraucht die Anlage so viel Strom wie ein vierköpfiger Haushalt in einem Jahr. Ein relativer Wert, wie Wieghardt meint. Denn ein Ziel sei es, mit "Synlight" die Effizienz von Solarkraftwerken zu verbessern. Wenn dadurch nur ein Solarkraftwerk ein Prozent effektiver werde, würde sich der Energieaufwand nach Einschätzung der Forscher schon bezahlt machen.
Auf umweltfreundliche Weise Wasserstoff herzustellen, ist übrigens auch auf anderem Wege möglich: über Windstrom, der dann zur Elektrolyse, also zur Aufspaltung des Wassers genutzt wird. Dieses Verfahren sei technisch ausgereift, teilt das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) mit. Wichtigste Stellschraube für die Wissenschaft sei die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit. Dass sie dieses Ziel mit ihrer Supersonne erreichen, davon gehen die Solarforscher in Jülich aus.
Quelle: ntv.de, asc/dpa