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"Gekidnappte" Chloroplasten Schnecke wildert im Erbgut

Eine atlantische Meeresschnecke hat eine Erbanlage ihrer Algenbeute ins eigene Genom übernommen, um Photosynthese betreiben zu können. Diesen überraschenden Befund melden Forscher um Mary Rumpho von der Universität von Maine in Orona in den "Proceedings ("PNAS") der US-Akademie der Wissenschaften. Die Gruppe spricht ausdrücklich von "grünen Tieren". Die "solargetriebenen" Schnecken faszinieren Forscher seit langer Zeit. Die vor der Küste Nordamerikas lebende atlantische Nacktschnecke Elysia chlorotica frisst Meeresalgen der Art Vaucheria litorea. Schon länger ist bekannt, dass das Tier aus den Algen deren kleine Photosynthese-"Fabriken" (Chloroplasten) herauslöst und sich selbst unter ihre Haut einlagert. Damit erscheint das rund drei Zentimeter kleine Tier grünlich und erinnert entfernt an ein Blatt. Zudem muss sie nur in ihrer Jugend fressen - und versorgt sich anschließend zum Teil mit Sonnenlicht über die "gekidnappten" Chloroplasten. Sie überleben also dank Sonnenlicht und Luft - wie eine Pflanze. Das ist erstaunlich, denn die pflanzliche Photosynthese-Maschinerie ist auch auf Proteine angewiesen, die auf die DNA im Zellkern der Alge zurückgehen.

Die Herkunft ist klar

Vor der aktuellen Analyse stellte sich damit die Frage: Überleben die Chloroplasten ganz von alleine innerhalb der fremden tierischen Umgebung - oder hat die Schnecke gar DNA aus dem Kern der Algen übernommen, um eine passende Umgebung für die Photosynthese zu schaffen? Die Antwort von Rumpho und ihren Kollegen ist klar: Elysia hat im Erbgut von Vaucheria gewildert. Die Forscher sequenzierten dafür das sehr kleine Genom der Photosynthese-Fabriken, und wie erwartet stellte sich dabei heraus, dass für den Photosynthese-Betrieb nötige Gene fehlten. Stattdessen fand sich die fehlende Erbanlage psbO im Genom der Schnecke. Ein Vergleich des tierischen mit dem pflanzlichen Gen brachte eine hundertprozentige Übereinstimmung. Damit sei die pflanzliche Herkunft von psbO eindeutig geklärt, heißt es in "PNAS". Diese Übertragung ist unter dem Namen horizontaler Gentransfer bereits vielfach bekannt, kommt allerdings meist bei Bakterien vor. Alle Organismen verwenden die gleichen genetischen Bausteine und den gleichen genetischen Code, daher gibt es keine grundsätzlichen Schwierigkeiten beim Austausch von Erbanlagen. Der direkte Gentransfer zwischen höheren Organismen ist jedoch selten.

"Wir wissen nicht, wie dies möglich ist

"Wir wissen nicht, wie dies möglich ist, sagte Rumpho dem "New Scientist". Möglicherweise finde der DNA-Übergang im Darm der Schnecke statt, wo die Algen auch zerlegt und deren Chloroplasten ins Innere der Tiere aufgenommen werden. Eine weitere Erklärung wäre, dass Viren das fragliche Pflanzengen übertragen haben. Dafür gebe es aber noch keine Hinweise. Das pflanzliche Gen fand sich außerdem in den Geschlechtszellen der Schnecken, die die Erbanlage damit vermutlich auch an ihre Nachkommen weitergeben. So ausgestattet kann auch der Schneckennachwuchs von der Photosynthese profitieren. Zwar gebe es auch andere Tiere, die Photosynthese betreiben könnten, erklärt Rumpho - dies allerdings nur indirekt, wenn ganze Pflanzenzellen geschluckt würden. In diesen Fällen gibt es dann keine Notwendigkeit für den nun beschriebenen Gentransfer. Dass es auf vergleichbarem Weg eines Tages grüne Menschen geben könnte, erwartet die Wissenschaftlerin nicht: "Unser Verdauungssystem zerlegt die Nahrung weitgehend komplett: Zellen, Plastiden und DNA, sagte sie. "Wenn wir Salat essen, werden Chloroplasten und Zellkerne von den Verdauungsenzymen zersetzt. Die Forscherin möchte nun unter anderem herausfinden, warum das tierische Immunsystem die pflanzlichen Bestandteile im Körper nicht abstößt.

Quelle: ntv.de

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