Rennauto als Concept präsentiertAudi will von der Formel 1 lernen

Die Formel 1 ist mehr als eine ultrateure Rennserie für Audi. Der Ingolstädter Autobauer will mit Vollgas aus der Krise kommen, neue Kunden begeistern und einfachere Angebote machen. Ab März will Audi in der Formel 1 mitfahren - wie soll der Rennwagen aussehen?
Dramatische Musik, Vorhang auf, das Licht geht an - und da steht der Hoffnungsträger mitten im Brand Experience Center von Audi am Münchner Flughafen. Oder zumindest ein ziemlich konkreter Ausblick darauf. Das sogenannte "R26 Concept" liefert an diesem Abend einen ersten konkreten Eindruck des Rennwagens, mit dem die Ingolstädter ab März in der Formel 1 mitfahren wollen: minimalistische Grafikflächen, geradlinige Schnitte, drei markante Farben. Titanium-Grau für Performance und Präzision. Carbon-Schwarz für technische Eleganz. Und ein neu angemischtes "Audi Rot" als Erkennungszeichen. Chefdesigner Massimo Frascella sagt: "Das Formel-1-Projekt wird zum Vorreiter für den neuen Markenauftritt, der künftig sowohl im F1-Team als auch bei Audi insgesamt ausgerollt wird."
Die momentane Wirklichkeit belegt, wie dringlich der mutige Aufbruch ist. Hohe Belastungen durch US-Zölle verstärken die wirtschaftlichen Probleme zusätzlich. Zudem fehlt, anders als bei den Wettbewerbern, eine eigene Fertigung in den Vereinigten Staaten. In China machen einheimische Konkurrenten vor allem im boomenden Elektroauto-Segment den Deutschen das Leben schwer - und auch in Europa gewinnen Konkurrenten mehr und mehr Boden. Das alles zwingt das Unternehmen, radikal neu zu denken; auch bei den Kundenangeboten. Alles unter der Parole "Klarheit" des Audi-Chefs Gernot Döllner.
Klarheit, möglichst schnell
Der beschwört auch an diesem Formel-1-Abend das neue Leitprinzip "Strive for Clarity", das Streben nach Klarheit. Es dient als zentrale Anweisung für die gesamte Belegschaft. Das Farbenspiel des Rennwagens ist in dem Zusammenhang mehr als Marketing. Wer künftig einen Audi kauft, soll Anklänge an die Designsprache im Showroom wiederfinden. Die neue Ästhetik durchdringt alles: vom Exterieur kommender Modelle über den Innenraum bis zur Benutzeroberfläche.
Wie in der Formel 1 gilt für das Angebot an die Autokundschaft aber auch: weniger ist mehr. Wer heute einen Audi konfiguriert, wühlt sich durch ein Dickicht aus Dutzenden Motor- und Getriebevarianten. Künftig gibt es deutlich weniger Varianten. Stattdessen: klar definierte Pakete, einfache Entscheidungen und eine viel kürzere Aufpreisliste.
Enddatum für Verbrenner lehnt Audi-Chef Döllner ab
Nicht ganz so klar ist derzeit die Zukunft des Antriebsmix: Ein fixes Enddatum für den Verbrenner lehnt Döllner ab. Das Signal: Audi lässt die Wahl zwischen Verbrenner, Plug-in-Hybrid und Elektro. Passt zur Königsklasse des Rennsports, die ab 2026 ja auch auf Hybride und CO₂-neutrale Kraftstoffe setzt. Da lassen sich vielleicht auch Erkenntnisse aus dem Rennbetrieb in die Serie bringen - wie einst bei Alu-Leichtbau oder Quattro-Antrieb.
Apropos Antrieb: Nach einigem Stottern ist inzwischen auch der Motor von Modellneuheiten wieder schneller angelaufen, wenn auch noch nicht mit Formel-1-Speed. Nach dem neuen Q3 plant Audi im Einstiegssegment die Erweiterung der E-Palette durch ein elektrisches Pendant zum Audi Q2 oder einen Audi A3 e-tron -eventuell auch beide. Die Mittelklasse wird emotionalisiert durch ein RS-Modell des A5 - Nachfolger des A4 - mit hybridisiertem V6-Antrieb. Gleichzeitig wird der rein elektrische A4 neben dem Verbrenner eingeführt, um der Konkurrenz von BMW und Mercedes entgegenzutreten.
Oberhalb der Mittelklasse erscheinen echte Kraftpakete: Sowohl der Verbrenner- als auch der elektrische A6 erhalten 2026 RS-Varianten mit Allradantrieb. Zudem kommt der RS Q6 e-tron. In der Oberklasse wird die Premiere und der Marktstart des lang erwarteten Q7-Nachfolgers erwartet, sowie der völlig neue Audi Q9, der als gestreckter Q7 auf derselben Plattform basieren wird. Allerdings ist dieses Modell wohl vorerst nur für die USA und China gedacht.
Problem Flaggschiff
Das große Problem bleibt das Flaggschiff. Der aktuelle A8 läuft Ende 2026 aus, dann ist er neun Jahre alt. Ein weiteres Facelift ist ausgeschlossen, die Plattform ist zu alt. Der geplante elektrische A8 aber hätte dieselbe Plattform wie ein luxuriöser Siebensitzer von Porsche nutzen sollen. Doch Zuffenhausen hat das "K1"-Projekt auf unbestimmte Zeit verschoben. Nun muss Audi eine andere Lösung finden. Eine Verbrenner-Alternative wäre wohl kaum vor 2030 zu schaffen.
Ab März 2026 sollen solche Probleme möglichst von sportlichen Erfolgsmeldungen verdrängt werden. Dann feiert Audi in Melbourne sein Debüt in der Formel 1. Und jedermann soll den Wandel "hin zu einem schlankeren, schnelleren und innovativeren Audi" sehen, sagt Döllner. Die Formel 1 erreicht schließlich 1,6 Milliarden TV-Zuschauer und über 820 Millionen Fans weltweit.
"Wir wollen gewinnen"
Die entscheidende Botschaft liegt dabei in Neuburg an der Donau. Dort entwickelt Audi den kompletten Antrieb für die Formel 1 - der einzige operative F1-Standort auf deutschem Boden. Das ist Döllners stärkster Beleg für den Aufbruch. Der Hybridantrieb kombiniert einen 1,6-Liter-V6-Turbomotor mit elektrischem Antrieb, rund 50 Prozent der Leistung kommen elektrisch. 22 hochmoderne Prüfstände, ein neues Gebäude mit 3.000 Quadratmetern, über 300 Mitarbeiter. "Vorsprung durch Technik" - Made in Germany. Bis Anfang 2026 gibt es allerdings keine Möglichkeit, die neuen Antriebe auf einer Rennstrecke zu testen. Alles muss im Simulator funktionieren, in digitalen Modellen, auf dem Prüfstand.
Sicherheit beim Aufbruch ins Unbekannte sollen alte Bekannte geben: Audi hat dazu das Sauber-Team vollständig übernommen. Und ein drittes Technikbüro in Bicester, England, verschafft Zugang zum "Motorsport Valley". An der Spitze stehen mit dem früheren Ferrari-Teamchef Mattia Binotto und Jonathan Wheatley, der über 18 Jahre bei Red Bull war, zwei erfahrene Manager.
Bei der Präsentation in München hat Audi außer dem Konzept für den Formel-1-Rennwagen auch noch ein halbes Dutzend Siegerfahrzeuge aus früheren Jahrzehnten im Tourenwagen-, Langstrecken- oder Rallye-Sport aufgefahren, nebst den glorreichen Siegern in diesen Autos wie Stig Blomqvist, Hans-Joachim Stuck oder Tom Kristensen. Auch dahinter steckt für Döllner eine Botschaft der Klarheit: "Audi hat noch nie in einer Rennserie mitgemacht, um nur teilzunehmen. Wir wollen gewinnen."