Das ist kein Auto Opel Rocks-e - einfach nur SUM, SUM
09.11.2021, 15:57 Uhr
Der stromernde Würfel von Opel, der Rocks-e, wird nicht in Rüsselsheim oder Eisenach gebaut, sondern in Marokko.
(Foto: Opel)
Wo sich so ein Opel Rocks-e einordnet, ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich irgendwo zwischen rollender Handtasche und nachhaltigem Stadtmobil. Nach dem Willen von Opel ist der Auftrag des SUM, junge Menschen für das nachhaltige Automobil zu begeistern.
Mit seinem Elektro-Würfel namens Rocks-e beschreitet Opel neue Wege. In jeder Hinsicht. Zunächst einmal, damit wir das abhaken können: Nein, dieser vollelektrische Würfel zahlt nicht aufs Flottenverbrauchs-Konto von Opel ein, reduziert also nicht den CO2-Rucksack. Es gibt auch keinen Elektrobonus vom Staat und keine Airbags. Genau genommen ist der kleine Rocker auch gar kein Auto. Das sagt selbst Opel ohne falsche Scham. Und das ist wichtig. Denn sonst bekommt man den Lütten in den falschen Hals.
Der Rocks-e ist ein Moped mit Dach und vier Rädern, zugelassen als Leichtkraftrad. Er kann damit ab 15 Jahren mit dem Führerschein Klasse AM gefahren werden. Das bedeutet auch, dass er ein kleines Mofa-Versicherungskennzeichen erhält (was natürlich nicht wirklich cool aussieht), nicht zum TÜV muss, keine Steuern zahlt, aber auch nicht schneller als 45 km/h fahren darf. Blitzerfotos werden wir vom Rocks-e eher selten sehen. Es sei denn, man ballert willentlich durch eine 3er-Zone.
So, und schon sind wir auf der Spur, wo der mit dem französischen Bruder Citroën Ami in Marokko gebaute Rocks-e seine neuen Kumpel finden soll. Als Bindeglied zwischen Mofa und Auto hat Opel vor allem Fahranfänger oder Jugendliche im Visier, die in der City möglichst günstig und trocken von A nach B kommen wollen. Opel Marketingchef Albrecht Schäfer sagt: "Wir wollen mit dem Rocks-e junge Kunden an die Marke Opel heranführen". Sollte das klappen, könnte es demnächst an den weiterführenden Schulen noch enger mit den Parkplätzen werden.
Auch das Vertriebskonzept passt zur neuen Jugendbewegung: Hauptsächlich soll der Baby-Stromer nämlich online verkauft werden. Per Klick zum E-Mobil, so macht es in Frankreich auch Citroën mit dem baugleichen Ami.
Das ist ein SUM
Opel nennt sein neues Projekt "Sustainable Urban Mobility", abgekürzt SUM. Heißt so viel wie nachhaltige städtische Mobilität. Und ja, viel nachhaltiger als mit dem SUM kann man dieser Tage nicht unterwegs sein. Es sei denn, man fährt Fahrrad oder geht gleich zu Fuß. Auf die XXS-Verkehrsfläche von 3,35 Quadratmetern (Länge 2,41 Meter, Breite 1,39 Meter) baut Opel möglichst viel, was nach Auto aussieht. Vier Räder, an jeder Ecke eins, sind schon mal ein guter Anfang. Überhänge gibt es so gut wie keine, der Wendekreis beträgt nur 7,20 Meter. Damit lässt sich der Rocks-e dort einparken, wo andere ihre Mülltonne abstellen. Vorne zwei Kulleraugen mit LED-Technik, die eher vage Andeutung des neuen Vizor-Grills, dazwischen zwei gegenläufig öffnende Türen, die Scheiben rundum so steil wie die Eigernordwand.
Quadratisch, praktisch, gut? Die Fahrertür ist hinten angeschlagen, öffnet also nach vorne. Im Volksmund heißen solche Zugänge "Selbstmördertüren", das hatten früher viele Kleinwagen. Kurbelfenster gibt es nicht, die untere Hälfte der Seitenscheibe klappt einfach hoch, so wie früher bei der Ente. Klaustrophobie kommt nicht auf im Opel-Quadrat. Dafür sorgen schon das serienmäßige Panorama-Glasdach und die unendliche Weite vor dem Lenkrad. Auch hinter dem Steuer ist erstaunlich viel Platz, selbst für Menschen mit Gardemaß. Zwei davon passen rein und sitzen leicht versetzt auf sehr sparsam gepolsterten Mini-Sitzen, die wirklich nur für die City-Tour konzipiert sind. Der Einkauf findet im Fußraum auf der Beifahrerseite Platz, der Rest verschwindet in großen Tür-Taschen oder in einer der vielen Ablagen.
Absoluter Minimalismus
Aber man sollte nicht drum rumreden: Im Rocks-e ist alles auf absoluten Minimalismus ausgelegt. Eine Klimaanlage gibt es nicht, die laute Lüftung heizt den Innenraum um maximal sechs Grad auf, da kann man im Winter schon mal Eisbeine bekommen. Ein Infotainment-System glänzt ebenfalls durch Abwesenheit. Lediglich ein kleines Schwarz-Weiß-Display informiert über Tempo und Ladezustand. Das war es an Unterhaltung. Wer Musik hören will, kann selbst singen oder verbindet sein Handy mit dem USB-Port und klickt es in die optionale Halterung. Dazu ein Bluetooth-Lautsprecher - fertig ist die rollende Party-Box.
Vieles ist ganz einfach hier drin: der Kunststoff, die Bedienung, die Ausstattung. Wer nach oben blickt, sieht die unverkleideten Vierkanteisen des Gitterrohrrahmens. Doch für 7995 Euro erwartet keiner ernsthaft ein Leben in Saus und Braus. Die Varianten "Tekno" oder "Klub" (plus 800 Euro) machen die triste Plastiklandschaft mit gelben (Tekno) oder grauen (Klub) Farbakzenten etwas freundlicher. Radkappen im X-Design, eine Freisprecheinrichtung und eben die Smartphone-Halterung sind dann auch an Bord.
Für den Komfort kein Blumentopf
Wie fährt sich jetzt so ein Moped mit Dach? Zunächst zu den technischen Fakten: Mit bescheidenem 5,5-kWh-Akku soll der Rocks-e immerhin 75 Kilometer weit kommen, das Aufladen an einer Haushaltssteckdose dauert 3,5 Stunden (ein Ladekabel ist im Rocks-e montiert), die Leistung des E-Motors beträgt süße 8 PS. Doch die müssen auch nur 471 Kilogramm zum Rollen bringen und stehen direkt aus dem Stand stramm. Deshalb bewegt sich das Kleinstmobil auch keineswegs wie eine Wanderdüne. Beim Ampelstart geht es tatsächlich recht flott voran, sogar mit mehr Bewegungsdrang als gedacht. Untermalt von einer Geräuschkulisse, die im Grenzbereich von 45 km/h an einen eskalierten Föhn auf höchster Stufe erinnert.
Eine Federung wird mitgeliefert, aber offenbar nicht angeschlossen. Sagen wir es, wie es ist: Der Bursche gewinnt mit seinem Komfort keinen Blumentopf. Er ist knackig hart, liegt dafür aber auch wie das sprichwörtliche Brett auf der Straße. In Summe heißt das: Fahrspaß ist hier ein höchst relativer Begriff. Deshalb noch einmal zur Einordnung: Dies ist kein Auto. Man muss sich dem Rocks-e von unten nähern, nicht von oben. Aus der Position eines Rollerfahrers erschließt sich das Konzept. Denn dann wird der Kleine zur wetterfesten, etwas sichereren und bezahlbaren Alternative auf vier Rädern. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Quelle: ntv.de, Thomas Hirschberger, sp-x