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Der rettende Luftsack So entstand der Airbag

1966 begann Mercedes mit der Entwicklung des Airbags. Hunderte Unfallversuche und mehr als 2500 Tests mit dem Aufprallschlitten später konnten die ersten Autos mit Airbag Ende 1980 ausgeliefert und das System Anfang 1981 in der S-Klasse (W 126) offiziell präsentiert werden.

1966 begann Mercedes mit der Entwicklung des Airbags. Hunderte Unfallversuche und mehr als 2500 Tests mit dem Aufprallschlitten später konnten die ersten Autos mit Airbag Ende 1980 ausgeliefert und das System Anfang 1981 in der S-Klasse (W 126) offiziell präsentiert werden.

(Foto: Mercedes Benz AG/dpa-tmn)

Airbags im Auto gehören zum Sicherheitsstandard. So wie man sie heute kennt, gehen die aufblasbaren Luftsäcke auf ein Patent von vor 50 Jahren zurück. serienreif wurden sie erst Jahre später. Heute finden Airbags auch außerhalb von Autos Verwendung.

Reifen quietschen, Glas zerbricht und es knallt. Moderne Systeme blasen Airbags gleich an mehreren Stellen auf. Damit bei einem Autounfall der Aufprall von Kopf und Oberkörper abgebremst wird, entwickelten Tüftler vor 50 Jahren den Airbag als rettenden Luftsack.

Duff: Der Fahrerairbag entfaltet sich blitzschnell aus dem Lenkrad und fängt im Zusammenspiel mit dem Gurtsystem die nach vorn gerissene Person auf.

Duff: Der Fahrerairbag entfaltet sich blitzschnell aus dem Lenkrad und fängt im Zusammenspiel mit dem Gurtsystem die nach vorn gerissene Person auf.

(Foto: Mercedes Benz AG/dpa-tmn)

Die Funktionsweise: Sensoren registrieren starke, unfalltypische Verzögerungen und veranlassen, dass eine Treibladung - mit Knall - zündet. Ein Gasgemisch bläst blitzartig eine Textilhülle auf - den Airbag. Zusammen mit dem Dreipunktgurt wird die Bewegung des vorschnellenden Oberkörpers gedämpft. Das zusammengedrückte Gasgemisch entweicht durch Öffnungen - zurückbleiben ein schlaffer Sack und ein möglichst unverletzter Fahrer.

Das Prinzip geht aber noch viel weiter zurück. Walter Linderer hatte die Idee von einem "aufblasbaren Behälter in zusammengefaltetem Zustand, der sich im Falle der Gefahr automatisch aufbläst". Diesen Einfall zum Airbag ließ er sich im Oktober 1951 patentieren. Auch der US-Amerikaner John W. Hedrik meldete 1953 ein Patent in den USA an. Dort gab es in den 1950er-Jahren auch Versuche.

Das erste Serienmodell mit Airbag fährt in den USA vor

Hohe Opferzahlen bei Verkehrsunfällen führten Anfang der 1970er-Jahre in den USA zu Gesetzen für mehr Insassenschutz in Autos. Eine Antwort von General Motors (GM) war das "Air Cushion Restraint System" (ACRS). Diesen Airbag für Fahrer und Beifahrer bot GM ab dem Modelljahr 1974 gegen Aufpreis in einigen Marken wie Cadillac und Buick an. Dabei ging es auch darum, den von einigen Autofahrern als unbequem empfundenen Dreipunktgurt zu ersetzen, sagt Wolfgang Blaube aus Hamburg. "Nur ein Beckengurt und Kniepolster gehörten zum System", sagt der Motorjournalist und erste Vorsitzende der Automobilhistorischen Gesellschaft. Das ist der entscheidende Unterschied zum später von Daimler-Benz lancierten und heute noch gültigem Prinzip des Airbags als Ergänzung zum Dreipunktgurt.

Dieser erste Airbag in einem Serienauto verschwand nach zwei Jahren wieder aus dem GM-Programm. "Zum einen war die Wartung recht aufwendig und kostspielig", sagt Blaube. "Nicht wenige Besitzer ließen das System mit der Zeit deaktivieren und Dreipunktgurte einbauen." Zum anderen war es nicht wirtschaftlich für GM, denn hohe Bestellzahlen sind nicht bekannt, wie Blaube das Aus für den US-Luftsack skizziert.

Daimler-Benz treibt die Luftnummer für mehr Sicherheit voran

In Deutschland forcierte Daimler-Benz die Entwicklung, die man 1966 startete. Die technische Realisierung wurde 1971 als "Aufprallschutzvorrichtung für den Insassen eines Kraftfahrzeugs" patentiert. Das System war aus patentrechtlicher Sicht vorbekannt, so Mercedes. Doch bei diesen ersten Daimler-Patentanmeldungen sei es um technische Verbesserungen im Rahmen der Serientauglichkeit gegangen.

Die waren entscheidend, damit dieses System auch praktisch in Fahrzeugen eingesetzt werden konnte, sagt Sprecherin Julia Höfel von Mercedes-Benz Classic. Viele weitere Patente folgten. Erfunden hat man ihn nicht, aber den serientauglichen Grundstein für den Airbag von heute gelegt.

Aufblasen ja - platzen nein

Einige Probleme waren noch nicht gelöst, wie etwa das nötige schnelle Aufblasen des Airbags innerhalb von 30 Millisekunden. "Der Durchbruch bei der schnellen Gaserzeugung kam mit dem Feststoff-Treibsatz, wie er in Raketenantrieben verwendet wurde", sagt Professor Rodolfo Schöneburg von Mercedes. "Der Airbagtreibstoff basierte auf einer Mischung aus Natriumazid", so der Leiter Fahrzeugsicherheit, Betriebsfestigkeit und Korrosionsschutz.

Bayer-Chemie entwickelte den Airbag-Gasgenerator, der nach der Zündung schnell nahezu reinen Stickstoff erzeugte, ein für Insassen unschädliches Gas.

Erst Jahre später kommt die serienreife Lösung

Außerdem durfte der Luftsack beim Aufprall nicht platzen. Polyamid gilt seitdem als ideales Material, heute ist es leichter und dünner als vor 40 Jahren. Zudem musste der Fahrerairbag in einem sich drehenden Lenkrad sicher untergebracht und gesteuert werden. Auch mussten Sensoren etwa zwischen einem Unfall ab 20 km/h und einem leichten Parkrempler unterscheiden - eine Menge Aufgaben. Auch Bosch war bei der Entwicklung beteiligt, so entstand das weltweit erste elektronische Airbag-Steuergerät in Serie.

Die Lösung brauchte am Ende rund 15 Jahre nach Forschungsbeginn. Sie wurde in Form des ersten deutschen Serienautos mit Airbag als Sonderausstattung 1981 erstmals öffentlich vorgestellt. Premiere feierte der Luftsack in der S-Klasse (W 126) zusammen mit dem sogenannten Gurtstrammer (später: Gurtstraffer). Dieser nutzt dasselbe Signal wie der Airbag. Hier sorgt Pyrotechnik dafür, dass sich der Gurt beim Unfall an den Körper der Insassen zieht.

Mercedes sprach von SRS (Supplemental Restraint System), ein ergänzendes Rückhaltesystem. Das gilt bis heute. Denn die Schutzwirkung entfacht ein Airbag immer nur in Zusammenarbeit mit dem Gurtsystem. Ohne Gurt steigt das Verletzungsrisiko dramatisch, Airbags allein können Insassen nicht zurückhalten und schützen.

Heute entfaltet sich der Airbag etwas sanfter

Blitzschneller Helfer in der Not: Der Fahrerairbag entfaltet sich in Sekundenbruchteilen.

Blitzschneller Helfer in der Not: Der Fahrerairbag entfaltet sich in Sekundenbruchteilen.

(Foto: Mercedes Benz AG/dpa-tmn)

Vor 40 Jahren füllte ein einstufiger Gasgenerator den noch bis zu 70 Liter großen Airbag, mittlerweile geschieht das zum Teil mehrstufig, sanfter und zielgerichteter. "Ein Airbag muss sich für die gewünschte Schutzwirkung in Bruchteilen einer Sekunde entfalten. Gleichzeitig soll er Insassen, die sich genau im Moment des Unfalls nach vorne beugen, möglichst wenig gefährden", sagt Professor Schöneburg.

Andere Hersteller zogen nach und bauten Airbags in den Folgejahren ein. Heute sind sie längst serienmäßig, viel kleiner und an ganz vielen Stellen zum Schutz der Passagiere zu finden. In der aktuellen Mercedes S-Klasse kommen bis zu 18 Airbags bei Unfällen zum Einsatz.

Neben den Airbags zählen zum modernen Insassenschutz Pre-Safe-Systeme, die Unfallgefahren erkennen und das Auto darauf vorbereiten sollen. Dazu gehören das elektrische Vorstraffen von Sicherheitsgurten oder das Schließen von Schiebedächern und Seitenfenstern vor dem Aufprall.

Autos der Zukunft vermeiden Unfälle - sind Airbags noch nötig?

Auch in den nächsten Jahren hält Professor Schöneburg Airbags für notwendig. Trotz Assistenzsystemen und Car-to-x-Kommunikation, bei der sich Fahrzeuge untereinander warnen können, werden nicht alle Unfälle vermieden - allein schon, weil viele ältere Fahrzeuge damit nicht ausgestattet sind.

Airbags und Rückhaltesysteme hält auch Professor Lutz Eckstein als Sicherheitssysteme in Zukunft für wichtig. "Wir befinden uns derzeit an der Schwelle zum automatisierten Fahren und müssen daher den Insassenschutz weiter entwickeln", sagt der Direktor des Instituts für Kraftfahrzeuge (IKA) der RWTH Aachen.

Dazu zähle die genaue Bestimmung der Körperhaltung der Passagiere. "Schon beim automatisierten Fahren nach Level 3 muss selbst der Fahrer nicht mehr gerade hinterm Lenkrad sitzen", so der Professor. Dabei erkennt das System mittels berührungsloser Sensoren oder Wärmebildkameras die Haltung der zu schützenden Person und kann den Airbag bei einem eventuellen Unfall gezielt ausrichten und aufblasen. Das erhöht die Wirksamkeit des Airbags und somit den Insassenschutz.

Moderne Autos böten eine Vielzahl von Airbags, die Insassen gut schützten. "Defizite gibt es noch für den Außenbereich, als Schutz vor anderen Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer oder Fußgänger. Da steckt noch Entwicklungspotenzial", sagt Professor Eckstein. Ebenso wichtig seien aber auch Assistenzsysteme, die einen Aufprall verhindern oder zumindest die Energie vermindern.

Worauf beim nächsten Autokauf zu achten ist

Constantin Hack vom Auto Club Europa (ACE) rät beim Autokauf, möglichst alle zur Verfügung stehenden Airbags zu bestellen. "Je mehr, desto besser", sagt er. Es gebe keinen Grund, auf einen Airbag zu verzichten, höchstens einen finanziellen. "Denn leider lässt sich nicht vorhersagen, wann und wo ein Unfall bei einem Auto auftritt."

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Fahranfängern rät er, beim ersten Auto nicht nur auf niedrigen Verbrauch und niedrige Versicherungskosten, sondern auch auf die Sicherheitsausstattung zu achten. "Frontairbags zählen mittlerweile zur Serienausstattung, Seitenairbags sollten mindestens dabei sein, bei Fahrten mit Kindern noch Seitenairbags im Fond", sagt Hack. Budget begrenzt? Dann vielleicht lieber den Gebrauchten mit vielen Airbags einem Neuwagen mit weniger Sicherheitsausstattung vorziehen.

Selbst außerhalb des Autos finden Airbags immer häufiger Verwendung. Spezielle Westen für Motorradfahrer pusten bei einem Sturz innerhalb weniger Millisekunden einen rettenden Luftsack auf. Für Radfahrer bieten Hersteller spezielle Halskrausen an, aus denen bei einem Sturz sich ein Airbag als Kopfschutz entfaltet.

Quelle: ntv.de, Fabian Hoberg, dpa

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