Unterhaltung

"Willkommen in meiner Welt!" Der Mond hat frei und Madani singt

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Er singt und spricht mit seinem Publikum - Madani ist der geborene Entertainer. Er wird immer besser.

Er singt und spricht mit seinem Publikum - Madani ist der geborene Entertainer. Er wird immer besser.

(Foto: IMAGO/Future Image)

Atrin Madani, Berliner mit iranischen Wurzeln, und Australier Paul Hankinson machen das einzig Vernünftige: zusammen Musik. Madanis Schmelz in der Stimme und Hankinsons virtuoses Spiel am Flügel locken die Berliner in die Bar jeder Vernunft, wo ihnen eine Show voller Tatendrang und Liebe zum musikalischen Detail geboten wird. Es heißt "Welcome To My World" und entpuppt sich als Programm sehr vieler Welten: Von Hildegard Knef über Take That und Musical-Klassiker bis zu Eigenkompositionen und einem zu Herzen gehenden iranischen Lied zeigt Atrin Madani seine volle Bandbreite. Mit ntv.de spricht er über Heimat, Einsamkeit, den Wohnungsmarkt und die Lust auf die Bühne.

ntv.de: Herr Madani, Ihre Welt - Ihr Programm - ist ja ein echter Ritt durch die Gemeinde. Hildegard Knef ist zum Beispiel dabei. Warum Hildegard Knef? Ist sie aktuell?

Atrin Madani: Ich glaube, so jemand wie Hildegard Knef verliert nie an Aktualität, allein durch die Texte, die sie geschrieben hat. Sie ist unsterblich, durch "Für mich soll's rote Rosen regnen" und "Von nun an ging's bergab". Mein Vater gab mir mal eine Schallplatte, "Der Mond hatte frei" - ist das nicht ein toller Titel? Sie ist jetzt "meine Knef" (lacht). All ihre Hits, die sind für mich das Gefühl von West-Berlin aus den 50er, 60er Jahren. Sie hatte eine unvergleichliche Art zu singen, oder fast eher: zu sprechen. Ich finde sie inspirierend, nach wie vor, und zu wissen, dass ich mal um die Ecke gewohnt habe, wo sie mal gewohnt hat, ist ein schönes Gefühl. Sie reicht in unsere Zeit hinein, hat mit Till Brönner ja noch ein Album aufgenommen.

Manfred Krug ist auch mit im Programm, oder?

Genau. Neulich hatte ich einen ganzen Abend mit seiner Musik und dem Landespolizeiorchester. Wir haben Songs von Krug, die er mit Günter Fischer geschrieben hat, gespielt. Günter Fischer saß auch im Publikum. Uschi Brüning war da, und die Kinder von Manfred. Es war familiär. Damit musste ich ihn jetzt auch in mein Programm aufnehmen.

Knef und Krug hatten tolle Texte - sie wirken so aktuell ...

Mit wem und wo verbringe ich meine Zeit?`

Mit wem und wo verbringe ich meine Zeit?`

(Foto: Barbara Braun)

Absolute Toplieder. Gerade bei Hildegard Knef denke ich das. Wir leben in einer so komischen Zeit, in Zeiten des Umbruchs. Corona, Ukraine, Israel, Gaza, Iran - es ist eigentlich gar nicht mehr zu ertragen. Ich erinnere mich wirklich gerne an die Zeit vor Corona, auch, wenn wir da alle total zugeballert waren (lacht). Wir haben gefeiert, waren häufig unterwegs, und dann auf einmal kam so ein krasser Cut. Ich weiß auch, dass das viele begrüßt haben, ich weiß aber auch, dass viele nicht wussten, was sie mit sich anfangen sollen. Man hatte jedenfalls Zeit, über sich nachzudenken und herauszukristallisieren, wer worauf wirklich Bock hat. Dass nicht jeder bei allem mitmacht, sondern wirklich genau guckt, womit und mit wem verbringe ich meine Zeit.

Haben Sie das auch getan?

Ja. Egal zum Beispiel, wie voll mein Terminkalender jetzt ist, ich wage es nicht zu meckern, weil diese zwei Jahre, dieses "Nichts-machen-dürfen" war eines der schlimmsten Gefühle, das ich je hatte - und jetzt erst so langsam einordnen kann. Meine Karriere fing 2020 gerade an und dann "bämm!" - stopp! Deswegen: All' mein Glück, all' meine Freude, versuche ich in diesen Beruf zu stecken. Ich gehe auf die Bühne und mein größter Wunsch und Traum ist es, dass alle kurz mal für zwei Stunden den Mist da draußen vergessen können.

Sie haben die Zeit genutzt und komponiert.

Ja, "Friday in Berlin" - dieser Song ist wirklich aus einer enormen Traurigkeit entstanden. Aus einer Einsamkeit. Das war wirklich wie in einem Film Noir: Ich bin mit Mantel und hochgeschlagenem Kragen durch das verregnete Berlin gelaufen, durch Schöneberg, alles war völlig bescheuert (lacht). Und dann stehe ich da plötzlich vor dieser Gedenktafel und denke: Stimmt ja, der Bowie hat auch mal hier gewohnt. Und auch Marlene Dietrich, Else Lasker-Schüler, Claire Waldorf. Alle waren mal in diesem Schöneberg vorm Zweiten Weltkrieg. Was für eine Kultur!! Wie schön wäre es, wenn man anstatt zu Waffen zu Kunst greifen würde.

Das ist uns während Corona ja besonders klar geworden, dass die Kunst fehlt ...

Jetzt ist die Kunst zum Glück wieder da! Zieht sie euch rein! Es ist tatsächlich ganz einfach. Geht ins Museum. In Galerien. Kommt in mein Konzert (lacht)! Es gibt die, die alles für die Kunst geben, die haben kaum Geld und gehen trotzdem ins Theater. Ich möchte aber niemandem einen Vorwurf machen, wenn er das nicht tut. Jeder muss selbst wissen, wie er mit seinem Geld umgeht. Und manche wollen lieber in den Urlaub fahren oder essen gehen. Alles schön und gut. Ich habe das im Sommer 2022 extremst gemerkt: Da war ein einziger Mann bei meinem Konzert im A-Trane. Aber ich dachte: Na super, wenigstens eine Person, die man begeistern kann. Es hat lange gebraucht, aber jetzt kommen die Menschen zurück. Gott sei Dank.

Haben Sie Nachholbedarf?

Nein, so würde ich das nicht nennen. Ich hab' einfach Bock. Ich will anderen eine gute Zeit geben. Ich bin aber gleichzeitig jemand, der seinen Mund aufmacht und Dinge anspricht, auf meine Art und Weise. Das kann ja jeder machen, wie er möchte. Jazz war und ist schon immer eine politische Musik gewesen, und gerade wir Künstler müssen für Freiheit und Demokratie einstehen. Es macht mich stärker, wenn mir alte Menschen jetzt erzählen: "Weißt du, im Zweiten Weltkrieg, da haben wir uns festgehalten an Musik, Varieté, Theater, Musicals."

Ich hoffe allerdings, dass nicht noch ein Krieg entsteht ...

Das hoffe ich natürlich auch. Aber wir können uns vereinen. Durch Musik.

Ich bin sicher, dass man bei Ihrem Programm auf jeden Fall für einen Moment vergessen kann, was gerade draußen los ist.

Also das wird passieren, versprochen! Natürlich muss ich trotzdem darüber sprechen, was draußen los ist. Ich kann das nicht ganz ausblenden.

Die Situation im Iran zum Beispiel ...

Ja. Seit 1979 kann man den Iran quasi vergessen - mein Vater kann nicht wieder einreisen, was für ihn bestimmt zehnmal schlimmer ist als für mich, und es sieht so aus, als würde das nie wieder möglich sein. Ich war seit 2009 nicht dort, seit meine Großmutter gestorben ist. Aber das ist nicht das größte Problem: Es ist einfach nicht auszumalen, was anderen dort passiert, hauptsächlich Frauen.

Sie haben einen Bachelor in Jazzgesang - würden Sie jungen Leuten empfehlen, Musiker zu werden, Künstler?

Man darf sich hin und wieder in andere Welten versetzen lassen ...

Man darf sich hin und wieder in andere Welten versetzen lassen ...

(Foto: Barbara Braun)

Ich würde immer empfehlen, das zu machen, was glücklich macht. Es gäbe für mich nichts Schlimmeres, als von Montag bis Freitag denselben Ablauf zu haben. Nine to five im Büro, ich würde durchdrehen. Ich kann mir mein Leben gestalten, wie ich will. Natürlich bringt das dann gewisse Unsicherheiten mit sich, dass man mal mehr und mal weniger verdient. Aber man kann ja nicht alles im Leben haben.

Vielleicht, wenn man ein bedingungsloses Grundeinkommen hätte. Dann hätte man die finanzielle Sicherheit und trotzdem könnte man machen, was man will.

Aber das geht ja nicht. Also: Alles oder nichts. Wie bei Hildegard Knefs roten Rosen. Mir ist wichtig, ein Dach über dem Kopf zu haben. Allein in Berlin eine Wohnung zu haben - ich meine, wie glücklich kann man sein? Ich habe eine eigene Wohnung in Charlottenburg, wo ich im Mietvertrag stehe. Ich bin kein Untermieter, ich bin der Hauptmieter! Das ist ein Privileg. Ich muss auch nicht vor Bomben wegrennen. Ich kann meine Meinung sagen. Einige sagen, seit Corona herrsche hier eine Diktatur. Da sag’ ich nur: Leute, geht mal in den Iran. Da kannst du für deine Meinung ins Gefängnis wandern. Oder den Kopf verlieren. Und nein, ich bin nicht immer zufrieden mit diesem Land. Aber mit welchem Land wäre ich das denn auf dieser Welt (lacht)? Ich bin hier geboren, aufgewachsen. Ich bin hier zur Schule gegangen, habe hier studiert, alles hier gemacht. Ich bin jemand, der sagt, ich meckere, weil ich Berliner bin. Berliner dürfen jeden Tag meckern, über alles. Berliner haben das Geburtsrecht zu meckern.

Sagen Sie das mal einem Rheinländer ...

Wir leben echt privilegiert. Allein die Vorstellung, man müsste morgen flüchten, alles zurücklassen. Man dürfte nur mit zwei Koffern los, müsste zu Fuß auf den nächsten Kontinent marschieren - unvorstellbar. Man lässt seine Identität hinter sich.

Wie kommen wir jetzt zur Musik zurück?

Vielleicht, weil Musik heilt und verbindet. "Welcome to my World!" Willkommen in meiner Show. Ich bin aufgeregt, euphorisch, und ich kann es nicht in Worte fassen, das alles vor meinem Publikum zum Ausdruck bringen. Natürlich hat man Zweifel, wenn man Künstler ist. Aber ich bin vor allem sehr gespannt, wie die Leute sich auf meine Welt einlassen.

Mit Atrin Madani sprach Sabine Oelmann

Madani und der australische Pianist Paul Hankinson treten mit "Welcome To My World" bis Sonntag, 28. April, in der Bar jeder Vernunft in der Berliner Schaperstraße auf, es gibt noch wenige Karten.

Quelle: ntv.de

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