Tech-"Tatort" aus Saarbrücken Gute Vorsätze, guter Krimi?
01.01.2018, 08:08 Uhr
Schneller wieder auf dem Boden der Tatsachen als seinem Insassen lieb ist: dieses selbstfliegende Auto.
(Foto: SR/Manuela Meyer)
Schlimm, schlimmer, Stellbrink: Die Fälle des tapsigen Kommissars bestachen bislang vor allem durch ausgeprägte Fremdschäm-Qualitäten. Im neuen Jahr soll alles anders werden, auch dank selbstfahrender Autos. Klappt der Neustart?
Jan Böhmermann liebt Saarland-Witze. Ob die Saarländer Jan Böhmermann zurücklieben, ist nicht bekannt, es ist aber zu vermuten - schließlich scheinen die Saarländer gut über sich selbst lachen zu können. Anders wäre sonst kaum zu erklären, warum der größte Saarland-Witz bislang aus dem Saarland selbst kam, in Form des tapsigen Kommissars Stellbrink (Devid Striesow) und seinen zum Verzweifeln klamaukigen Mordfällen. Der große Unterschied zwischen Böhmermann und den Saarbrücker Krimis: Wenn bei den Fremdschäm-"Tatorten" gelacht wurde, dann aus reiner Verzweiflung. Jetzt also ein Neujahrs-Krimi mit Stellbrink? Na, das kann ja was werden.

Kommen sich näher: Kommissar Stellbrink (Devid Striesow) und die Hackerin Natascha (Julia Koschitz).
(Foto: SR)
Und zwar etwas überraschend Gutes. Mag sein, dass die Erwartungen in diesem besonderen Fall so niedrig gesteckt waren, dass es ohnehin nur besser werden konnte - aber selbst ohne Kenntnis der Vorgeschichte ist "Mord Ex Machina" ein packender Tech-Krimi mit klugem Plot und größtenteils überzeugender Besetzung. Wer dagegen weiß, wie hochnotpeinlich Stellbrink noch in den vergangenen Episoden durch die hanebüchenen Geschichten hampelte, wird sich beim Betrachten des neuen Falls zwangsläufig irgendwann fragen, ob er im richtigen Film ist. Es scheint, als dürfte Striesow jetzt endlich die Rolle ausfüllen, die ihm auf den Leib geschneidert ist: immer noch tapsig, dafür aber auch einfühlsam und anpackend, wenn es sein muss - und kein bisschen klamaukig. Kurz: ein Mann, den man gerne gern hat. Ein Glück, dass sich auch der Fall qualitativ um Welten von abseitigen Weihnachtsmann-Klamotten und anderem Murks der Vergangenheit abhebt.
Computer? "Nullen und Einsen"
Die Geschichte rund um eine alte Hackerclique und den (Selbst?)Mord an einem der Mitglieder in einem selbstfahrenden Auto ist fesselnd erzählt und hat kaum Längen. Gleichzeitig bringt "Mord Ex Machina" die Metathemen Datensammelwut und fahrlässige Netznutzung in gut verdaubaren Happen rüber, ohne dabei flach zu sein. Nicht zu leicht und nicht zu schwer, mit einem einigermaßen unerwarteten Twist am Ende: Dieser "Tatort" ist die fast perfekte Medizin für einen ausgewachsenen Neujahrskater. Aber eben nur fast.
Schuld daran ist die teilweise arg schwankende Qualität der Dialoge: Während Hackerin Natascha (Julia Koschitz) und Stellbrink ziemlich viele tolle Sachen sagen dürfen und dabei die allermeiste Zeit authentisch rüberkommen, feuern ein paar der anderen Charaktere abgedroschene Phrasen am laufenden Band raus, die man so oder ähnlich irgendwo schon mal gehört hat - in besser. "Wissen Sie, warum ich Computer so liebe? Weil sie so einfach sind: Nullen und Einsen", schwärmt der ansonsten ziemlich skrupellose Chef eines datensammelwütigen Tech-Unternehmens Stellbrink vor.
Sätze wie diese, die klingen, als hätten sie die Autoren in einer 80er-Jahre-Hackerromanze gefunden und dann ihren Charakteren in den Mund gecopy-und-pasted, gibt es einige im Film. Es sind dann auch genau diese Momente, in denen man als Zuschauer die guten alten Saarbrückener Zeiten noch einmal kurz nachfühlen kann. Weil sie aber ebenso schnell wieder vorüber sind könnte man das Ganze mit ein bisschen Wohlwollen als kleinen Fauxpas abhaken und darauf hoffen, dass sich das in den kommenden Jahren einfach verwächst. Allerdings hat Striesow zwischenzeitlich bereits seinen Abschied aus Saarbrücken angekündigt, es bleibt also beim Konjunktiv. Leider, muss man sagen.
Quelle: ntv.de