"UK befindet sich am Tiefpunkt" Harry schießt gegen britische Regierung
06.06.2023, 15:15 Uhr Artikel anhören
Mitglieder der Royal Family äußern sich üblicherweise nicht über die Regierung - Harry brach vor Gericht mit seiner Zurückhaltung.
(Foto: Via REUTERS)
Prinz Harry tritt im Bespitzelungsprozess gegen den "Mirror"-Verlag als Zeuge auf. Er soll über Jahre abgehört worden sein. Für den Prinzen ist es ein Feldzug gegen die Boulevardpresse, in seiner Aussage macht er aber auch vor der britischen Regierung nicht halt.
Mit beispielloser Kritik hat Prinz Harry die britische Regierung angegriffen. Der Zustand von Presse und Regierung im Vereinigten Königreich befinde sich am "Tiefpunkt", betonte der Sohn von König Charles III. in einer veröffentlichten schriftlichen Zeugenaussage in seinem Prozess gegen den Verlag Mirror Group Newspapers. "Die Demokratie scheitert, wenn ihre Presse es versäumt, die Regierung zu kontrollieren und zur Rechenschaft zu ziehen, und sich stattdessen dafür entscheidet, mit ihr ins Bett zu gehen, damit sie den Status quo sichert."
Mitglieder der Royal Family äußern sich üblicherweise nicht über die Regierung oder die Politik und vermeiden jeden Anschein einer Parteinahme. Ein Regierungssprecher wollte sich nicht zu den Vorwürfen, die Harry nicht weiter ausführte, äußern und verwies darauf, dass der Prozess laufe.
Harry betonte, mit seiner Klage gegen MGN ("Daily Mirror", "Sunday Mirror", "People") wolle er gesetzwidriges Verhalten von Reportern offenlegen. "Offensichtlich will ich nicht, dass irgendjemand dasselbe durchmacht, was ich auf persönliche Weise erleiden musste", hieß es in der Stellungnahme weiter. Der 38-Jährige wirft MGN-Reportern vor, ihn über Jahre abgehört und daraufhin Artikel mit privaten Inhalten veröffentlicht zu haben. Der Verlag weist das entschieden zurück.
Harry wirft Presse "Invasion" in sein Leben vor
Die meiste Zeit seines Lebens und bis zum heutigen Tag sei er Opfer einer unbarmherzigen "Invasion der Presse" gewesen, sagte Harry. Von Geburt an habe er es mit einer feindseligen Presse zu tun gehabt. Diese habe allen Mitgliedern des Königshauses eine Rolle zugeteilt: Mal als "Playboy-Prinz", dann wieder als "Versager" oder, wie in seinem Fall, als "Schwachkopf", "minderjähriger Trinker" oder "verantwortungsloser Drogenkonsument". Und die Liste ginge weiter.
Als Jugendlicher und mit Anfang 20 habe er das Gefühl gehabt, er müsse die "Schlagzeilen und Stereotypen" über ihn durch sein Verhalten bestätigen, sagte Harry weiter. Er sprach von einer "Abwärtsspirale" und fügte hinzu, es sei "absolut widerwärtig" gewesen.
Im Kreuzverhör durch den MGN-Anwalt Andrew Green räumte Harry ein, er könne sich nicht mehr erinnern, ob er die meisten der Artikel, die er in seiner Klage aufführt, damals schon gelesen habe. In jedem Fall hätten sie aber in ihrer Gesamtheit massiv in seine Privatsphäre eingegriffen. Sie hätten ihn "äußerst paranoid" gemacht, Freundschaften ruiniert und auch seine Beziehungen.
Der Prozess hat bereits wenige Tage nach der Krönung von Charles III. vor einem Monat begonnen, er ist auf bis zu sieben Wochen angesetzt. Höhepunkt ist dabei die Aussage von Harry. Zuletzt war aus den Reihen des britischen Königshauses der spätere König Edward VII. wegen einer Verleumdungsklage 1890 in den Zeugenstand getreten. Zu Beginn des Verfahrens räumte MGN einige Beweise im Fall gegen Harry ein und entschuldigte sich.
Quelle: ntv.de, mba/dpa/AFP