Hildur und "Das Grab im Eis" Das eiskalte Ende einer heißen Affäre


Gletscher können eisige Geheimnisse bergen.
(Foto: dpa)
Wer Hildur kennt, ist ihr verfallen. Die Hauptdarstellerin der isländischen Thriller-Trilogie von Satu Rämö ist so anders als die klassische Ermittlernorm - und ganz nebenbei einem düsteren Familiengeheimnis auf der Spur, bei dem es um das Verschwinden ihrer kleinen Schwestern geht.
Wenn Island in den internationalen Schlagzeilen ist, geht es entweder um Fußballüberraschungen auf großer Bühne oder Naturereignisse wie Vulkanausbrüche. Beides gipfelt in adrenalingeschwängerten Bildern. Es sind Momentaufnahmen eines großen, kleinen Landes. Eines Fleckchens Erde voller geheimnisvoller Orte, verwunschener Plätze und schrulliger Menschen, vor allem abseits der Hauptstadt Reykjavik.
Auf dem Land ist auch Hildur zu Hause. Genauer gesagt: auf den Westfjorden. Auf der Inselgruppe leben nur etwa zwei Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes, sie umfassen aber rund ein Fünftel der Fläche Islands. Viel Platz also. Und wenig los? Das kann man so und so sehen. Hildur ist Polizistin, liebt ihren Job, genießt die umgebende Natur: Surfen im Meer, joggen im Schnee, ab und an geht's in die Muckibude. Ihre Polizeiwaffe braucht sie kaum, wenn, muss sie auch erst bei ihrer Vorgesetzten angefragt werden. Das ist Island.
Aber auch hier gibt es Gewaltverbrechen, werden Kinder misshandelt, Drogen genommen, Frauen vergewaltigt und Menschen hinterrücks ermordet. Dann hat Hildur gut zu tun, wie jetzt gerade: Ein einflussreicher und mit allen Wassern gewaschener Politiker wird in seinem Skiurlaub erschossen. Bei den Ermittlungen finden Hildur und ihr Partner Jakob, ein Praktikant aus Finnland, heraus, dass der Politiker eine Affäre mit der Frau seines größten Konkurrenten hatte. War das der Grund für seinen Tod? Rache des Ehemanns der Gespielin?
Geschichte in einer Geschichte
So einfach ist es dann doch nicht. Im Gegenteil: Als kurz darauf ein Kleinflugzeug abstürzt, bringt nur Hildur dieses Unglück mit dem Tod des Politikers in Zusammenhang. Und sie soll recht behalten: Die Maschine stürzte nicht durch ein menschliches Versagen ab oder durch einen Blitzeinschlag. Dem Flieger ging der Treibstoff aus, weil der Tankstutzen fehlte und das schon beim Start. Der Politiker und das Absturzopfer kannten sich zudem, waren befreundet und das schon seit Jahren. Treibt etwa ein Serienkiller sein Unwesen auf Island? Wer wird das nächste Opfer sein?
Hildurs volle Konzentration ist gefragt. Aber in ihrem Kopf gibt es seit Jahrzehnten noch einen anderen Fall, den sie dringen lösen muss: das spurlose Verschwinden ihrer beiden kleinen Schwestern. Auch hier sind ihre Ermittlungsfähigkeiten gefragt. Jakob, dessen Hobby es ist, Island-Pullover zu stricken, ist bei beiden Fällen mit an Bord und hilft, wo und wie er nur kann. Aber auch der ruhige Finne hat sein Scherflein zu tragen: Seine Ex ist mit seinem Sohn nach Norwegen abgehauen und Jakobs Chancen, ihn wiederzusehen, sind verschwindend gering. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und so rätseln und ermitteln Hildur und Jakob immer weiter - bis zum berühmt-berüchtigten Silberstreif am Horizont. In Island kann das auch schon mal ein Polarlicht sein.
Man muss die "Hildur"-Reihe einfach mögen
Etwas so farbenfrohes und wunderschönes wie ein Polarlicht ist auch die "Hildur"-Reihe von Satu Rämö. "Das Grab im Eis" ist das zweite Buch der "Hildur"-Trilogie, erschienen bei Heyne und Random House Audio. Der Tod des Politikers und der Flugzeugabsturz bilden dabei - wie auch schon im Erstling "Die Spur im Fjord" - eine Geschichte in der Geschichte. Der große Hauptplot, die Suche nach den verschwundenen Schwestern und ihrer Geschichte, zieht sich über alle drei Bücher. So ist man als Hörer des zweiten "Hildur"-Falls zwar ein Stückchen weiter als noch zu Beginn der Reihe. Aber mehr eben auch noch nicht.
Wie schon bei "Die Spur im Fjord" lechzt man danach, mehr zu erfahren, tiefer in die Familiengeschichte Hildurs einzutauchen, mehr von der Historie Islands zu entdecken. Das ist ein angenehmer Nebeneffekt der Reihe: Weiterbildung in der Geschichte des Landes, den Mythen und Sagen, die sich um Gletschereis, schroffe Gebirgszungen und Vulkane tummeln. Die Stimme von Heike Warmuth passt, wie der Island-Pulli zu Jakob. Geheimnisvoll säuselnd, dann klar und direkt. Wie Island selbst.
Übrigens: Das nächste Mal wird Island spätestens Mitte November wieder in den Schlagzeilen stehen beziehungsweise in aller Munde sein: Dann erscheint mit "Der Schatten des Nordlichts" das dritte Buch und damit der Abschluss der "Hildur"-Reihe. Gespoilert wird hier aber nicht - noch nicht.
Quelle: ntv.de