Panorama

Brandstiftung am Lido di Ostia Roms Strandbäder brennen - Warnung oder Racheakt?

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Am Lido di Ostia reiht sich Strandbad an Strandbad.

Am Lido di Ostia reiht sich Strandbad an Strandbad.

(Foto: AFP)

Sieben Anschläge in einer Woche am Lido di Ostia. Der mutmaßliche Täter hat gestanden, aber die Ermittlungen laufen weiter. Es könnte um die Strandkonzessionen gehen oder die Mafia mit im Spiel sein. Denn auch sie profitiert von der Badesaison.

Alle Jahre wieder kommt in Italien kurz vor Saisonbeginn das Thema Strandbäder auf die Titelseiten. Diesmal ist es der Lido di Ostia, der zu Rom gehörende Küstenstreifen, der für Schlagzeilen gesorgt hat. Am Montagabend vor einer Woche sowie zwei Tage später wurden insgesamt sieben Strandbäder in Brand gesetzt.

Schon Mittwochabend wurde ein 24-jähriger Obdachloser gefasst, der auch gleich zugegeben hat, die Brände gelegt zu haben. Und zwar "aus Langeweile und Frust". Er soll aber etwas konfus gewesen sein, hieß es in den Medien weiter.

Soweit bekannt, haben die Ermittler noch nichts gefunden, was die Aussage des Festgenommenen infrage stellt - jedenfalls nichts Grundlegendes. Ein paar Details während der Vernehmung sollen sie aber etwas stutzig gemacht haben, wie Federico Ruffo ntv.de erzählt.

Ruffo hat lange als Investigativjournalist gearbeitet und ist seit einem knappen Monat Vorsitzender der Beobachtungsstelle für Legalität und Anti-Mafia in Ostia. Daher auch sein guter Draht zu den Ermittlern. "Der mutmaßliche Brandstifter soll, ohne dass er darauf angesprochen worden war, gesagt haben, niemand hätte ihn beauftragt. Und weiter habe er, wieder unaufgefordert, beteuert, mit dem Brand vor einem Monat am Strandbad Faber Village nichts zu tun zu haben."

Die Frage, ob es nicht doch Auftraggeber im Hintergrund gibt und ob die Organisierte Kriminalität vielleicht die Hände mit im Spiel hat, erklärt, warum auch die italienische Antimafia-Einheit in diesem Fall ermittelt. Das Viertel Ostia war viele Jahre Hochburg des Fasciani-Clans und später der Spada-Familie.

Konzessionen laufen aus

Eine Rolle könnten auch die Strandkonzessionen spielen. Die aktuelle Sachlage: Ende 2026 laufen die noch nie über Ausschreibungsverfahren erteilten Konzessionen endgültig aus. Eine automatische Erneuerung beziehungsweise Verlängerung soll es nicht geben.

Die Gemeinden können aber schon davor die Bolkestein-Richtlinie der EU aus dem Jahr 2006 umsetzen. Also Ausschreibungen machen, an denen Unternehmer von überall, auch aus anderen EU-Staaten, teilnehmen dürfen.

Und so hatte die Gemeinde Rom am 14. Februar 25 von den 67 Strandbädern des Lido di Ostia plus vier Strandrestaurants und zwei Freistrände ausgeschrieben. Branchenverbände und Strandbetreiber legten jedoch Klage ein. Unter anderem, weil die jetzt zu vergebenden Konzessionen nur ein Jahr dauern und maximal auf ein weiteres verlängert werden dürfen. Ab 2027 soll es dann eine einheitliche, regionale Regelung geben.

Ein Jahr "ist doch verrückt"

"Die Zeitspanne von einem Jahr ist doch verrückt", sagt Marco Maurelli, Vorsitzender des nationalen Verbands FederBalneari Italia, ntv.de. "Wer soll einem einen Kredit gewähren für ein Strandbad, das man in einem Jahr vielleicht gar nicht mehr hat?"

Dem stimmte das regionale Verwaltungsgericht zu und stoppte am 13. März kurzerhand das Ausschreibungsverfahren. Die Stadt Rom wandte sich wiederum an den Staatsrat, der vergangenen Mittwoch, also am zweiten Tag der Brandstiftungen, der Gemeinde Rom recht gab.

Ob wirklich nur der junge Obdachlose dahintersteckt oder es um was anderes geht, müssen die Ermittler herausfinden. "Hoffentlich schnell" fügt Maurelli hinzu. "Solche Anschläge hat es bis jetzt nirgendwo in Italien gegeben."

Auf die Frage, ob er sich vorstellen kann, dass einige Strandbetreiber aus Wut über das Urteil des Staatrats etwas mit den Bränden zu tun haben könnten, antwortet Maurelli resolut: "Sicher nicht! Die Betreiber sind sehr verunsichert, fragen sich, wie es für sie in Zukunft weitergehen wird." Auch was die diesjährige Saison betrifft. Und außerdem wurden auch Strandbäder in Brand gesteckt, deren Konzessionen erst Ende 2026 auslaufen.

Der amtierende Bürgermeister von Rom, Roberto Gualtieri, versprach seinerseits: "Wir werden mit den Ausschreibungen weitermachen. Wir wissen nicht, ob die Brände das Ziel hatten, dieses Verfahren zu stoppen. Wir sind aber der festen Überzeugung, dass die Staatsanwaltschaft rigoros und penibel ihre Arbeit machen wird."

Die schillernde Vergangenheit von Ostia

Warum die Aussage des 24-jährigen Geständigen nicht alle Zweifel vom Tisch wischt, hat auch mit dem Anschlag vor einem Monat auf das Strandbad Faber Village zu tun. Und mit der Geschichte von Ostia.

Das Stadtviertel war einst nicht nur Hochburg der Organisierten Kriminalität, erzählt Ruffo. Hier machten - und das war außergewöhnlich - alle drei italienischen Organisationen ihre Geschäfte: die sizilianische Cosa Nostra, die neapolitanische Camorra und die kalabrische 'Ndrangheta. Jeder kümmerte sich um sein Revier, während Mafiaboss Carmine Fasciani, der aus den Abruzzen kam, über allem regierte.

Zu den Geschäften zählte auch alles, was mit Strand, Sonne und Unterhaltung zu tun hatte. Darunter die Strandbäder. "Die sind für Clans eine ideale Geldwaschmaschine", hebt Ruffo hervor. Er erzählt von Nonnen, die einst eine Strandkonzession erhalten hatten. Sie verwalteten diese aber nicht selbst, sondern beauftragten damit, nichtwissend, Handlanger der Mafia-Clans.

Nobles Strandbad in Mafia-Hand

Und dann ist da noch das schon erwähnte Strandbad Faber Village. "Einst zählte es zu den noblen des Lido", erzählt Ruffo. "Irgendwann geriet es aber in finanzielle Schwierigkeiten. Der Besitzer brauchte Geld und wandte sich an die Fasciani. Diese halfen ihm auch, rissen sich später aber die ganze Struktur unter den Nagel." 2013 wurde das Strandbad konfisziert.

Die Strandbadbetreiber, die an der Ausschreibung teilgenommen haben, blicken mit Sorgen auf die in knapp einem Monat beginnende Badesaison. Erst am 9. April steht fest, wer eine Konzession bekommt und wer nicht. "Wenn man bedenkt, dass die Saison am 1. Mai beginnt, ist das kaum zu schaffen", hebt Maurelli hervor.

Und dann sind da noch die zum Teil zerstörten Strandbäder. Eigentlich wollte auch der Lido di Ostia vom diesjährigen Jubiläum profitieren. Mit dem Zug fährt man in knapp 45 Minuten von Rom ans Meer. Jetzt kommt es darauf an, wie schnell alles wieder instand gesetzt werden kann.

Quelle: ntv.de

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