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Grundgesetz wird geändert Ampel und Union wollen Verfassungsgericht stärken

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Seit 1951 ist das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe der wichtigste Hüter der Demokratie.

Seit 1951 ist das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe der wichtigste Hüter der Demokratie.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Unabhängigkeit der Justiz ist ein Grundpfeiler demokratischer Gesellschaften. Polen zeigt, welche Möglichkeiten es gibt, ins Justizsystem einzugreifen. Um das deutsche Verfassungsgericht davor zu schützen, wollen die Ampel und die Union das Grundgesetz ändern.

Die Ampel-Regierung will zusammen mit der Union als größter Oppositionspartei das Grundgesetz ändern, um die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts zu stärken. Zusammen mit dem Justizministerium haben sich SPD, Grüne, FDP und Union darauf verständigt, wie die Parteien in einer gemeinsamen Erklärung mitteilten.

Damit soll Deutschlands höchstes Gericht angesichts größerer Stimmenanteile für Parteien an den politischen Rändern vor ungewollter Einflussnahme geschützt werden. Dass dies notwendig sei, begründen die beteiligten Parlamentarier nicht etwa mit dem Auftauchen neuer Parteien wie der AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).

Vielmehr verweisen sie auf Bestrebungen "in einzelnen europäischen Ländern", die darauf gerichtet seien beziehungsweise waren, die Unabhängigkeit der Justiz infrage zu stellen. Unter anderem Erfahrungen aus Polen wurden in die Überlegungen einbezogen. In Polen hatte die mittlerweile abgewählte nationalkonservative PiS-Regierung, die das Land von 2015 bis 2023 führte, gleich nach ihrem Antritt damit begonnen, das Justizwesen nach ihren Vorstellungen umzubauen.

SPD, Grüne, FDP und Union: Zwei-Drittel-Mehrheit steht

Zeitnah sollen die beteiligten Fraktionen einen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen. Noch in der Amtszeit der Ampel-Regierung bis Herbst 2025 soll die Grundgesetzänderung über die Bühne gehen. Dafür ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich, die die vier Fraktionen zusammen aber haben.

Ziel ist es, den Status des Karlsruher Gerichts als Verfassungsorgan stärker hervorzuheben. Dabei soll auch die Unabhängigkeit und die Funktionsfähigkeit abgesichert werden. Dies wurde bei Inkrafttreten des Grundgesetzes im Mai 1949, als das Verfassungsgericht neu entstand, noch nicht gemacht - im Gegensatz zu anderen Verfassungsorganen wie dem Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident oder der Bundesregierung. Bisher wären Änderungen, die das Risiko einer Blockade oder einer politischen Instrumentalisierung bergen, theoretisch mit einer einfachen Mehrheit möglich.

Struktur des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz verankern

Konkret soll die Struktur des Gerichts auf Ebene der Verfassung gehoben werden. Regelungen, die das Verfassungsgericht strukturieren, sollen nicht nur in einem einfachen Gesetz, sondern im Grundgesetz festgeschrieben werden. Dazu zählen unter anderem die Amtszeit der Richter mit zwölf Jahren, die Altersobergrenze der Richter mit 68 Jahren, die Zahl der Richter mit 16, die Zahl der Senate mit zwei, der Ausschuss zur Wiederwahl der Richter sowie die Fortführung der Amtsgeschäfte bis zur Wahl eines Nachfolgers. Außerdem soll die Praxis geändert werden, falls sich Bundestag oder Bundesrat nicht auf eine Nachbesetzung vakanter Richterstellen einigen können.

"Für diesen Fall soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass das Wahlrecht auch durch das andere Wahlorgan ausgeübt werden kann", heißt es in dem Papier der Parteien. "In das Grundgesetz soll dazu eine Öffnungsklausel eingefügt werden." So soll sichergestellt werden, dass das Gericht handlungsfähig bleibt. Ist im zuständigen Gremium nach drei Monaten noch kein Nachfolger bestimmt, kann das andere Wahlorgan übernehmen und einen Richter wählen. "Dies bedeutet, dass beide Wahlorgane weiterhin gleichermaßen zur Wahl berechtigt sind. Keines hat dabei einen Vorrang. Zum Zuge kommt das Organ, in dem die Wahl zuerst gelingt."

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Die geplante Reform ist das Ergebnis vertraulicher Beratungen von Vertretern der Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU. "Das Bundesverfassungsgericht ist Schutzschild der Grundrechte, aber sein eigener Schutzschild braucht noch mehr Widerstandskraft", sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP.

Es sei gut, dass ein Mechanismus gefunden worden sei, um etwaige Blockaden bei Verfassungsrichterwahlen zu verhindern, sagte der Justiziar der Unionsfraktion, Ansgar Heveling. "Damit ist das Bundesverfassungsgericht auch für stürmische politische Zeiten gerüstet."

Quelle: ntv.de, rwe/rts/dpa

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