Politik

25 Prozent des Handels blockiert Auch Trump unterstützt kanadische Trucker

Seit Tagen schon geht nichts mehr auf der Ambassador Bridge zwischen Detroit und Windsor.

Seit Tagen schon geht nichts mehr auf der Ambassador Bridge zwischen Detroit und Windsor.

(Foto: REUTERS)

Weg mit sämtlichen Pandemie-Schutzmaßnahmen, dies wollen Lkw-Fahrer in Kanada erreichen. Was in der Hauptstadt Ottawa begann, hat sich auf wichtige Grenzübergänge zu den USA ausgeweitet. Eine christliche Crowdfunding-Webseite sammelt Geld, in den USA ist ein "Volkskonvoi" geplant.

Es ist einfach, zwischen den USA und Kanada hin- und herzureisen - eigentlich. Von der Autometropole Detroit etwa sind es nur ein Tunnel und eine Brücke, die die beiden Nachbarländer trennen. Wegen der Pandemie wurde eine neue Auflage für Lkw-Fahrer eingeführt: Wer aus den USA nach Kanada einreisen will, muss einen Impfnachweis vorlegen. Trucker wollten das nicht akzeptieren und blockierten mit einem "Freiheitskonvoi" Ende Januar zunächst aus Protest Straßen in der kanadischen Hauptstadt, sie stehen nun in der Nähe der Regierungsgebäude. Andere halten seit Montag die Ambassador Bridge zwischen Detroit und dem kanadischen Windsor besetzt. Die Brücke ist der wirtschaftlich wichtigste Grenzübergang in Nordamerika.

Die Polizei von Ottawa nennt es eine "Belagerung", der Bürgermeister hat den Notstand ausgerufen. "Sofort" sollten die Menschen den Protest beenden, warnte die Polizei von Ottawa, oder sie werde die Handschellen klicken lassen. 840 Kilometer weiter westlich an der Grenze zu Detroit sagte der Bürgermeister von Windsor am Mittwoch, die Fahrer festzunehmen und ihre Lastwagen abzuschleppen, würde nur zu Gewalt führen. Manche Fahrer hätten gesagt, sie seien bereit, für ihre Ziele zu sterben. "100 Menschen halten einen Teil unserer Wirtschaft als Geisel", sagte er über die Brückenblockade. Verschiedene Autohersteller haben wegen der Blockade bereits ihre Produktion einstellen oder einschränken müssen.

Inzwischen sind drei Grenzübergänge zwischen den beiden Ländern von Truckern besetzt, ein vierter soll bald folgen. Marco Mendicio, Kanadas Minister für öffentliche Sicherheit, schloss Verhandlungen mit den Demonstranten aus: "Es wäre ein schrecklicher Präzedenzfall zu sagen, wenn du mit schweren Maschinen auftauchst und die Hauptstadt blockierst, die Politik zu einem rücksichtslosen Kurswechsel zwingen kannst." Niemand stehe über dem Gesetz.

"Sie müssen etwas ändern"

Was als Fahrerprotest gegen eine einzelne Auflage begann, ist zum Sammelbecken für unterschiedliche Forderungen geworden. Es ist wie in anderen Ländern auch eine wilde Mischung, die sich dort findet: Verschwörungstheoretiker, Rechtsradikale, Impfgegner und einfach nur solche, die keine Lust mehr haben auf die Corona-Maßnahmen. Die Blockierer wollen das Ende aller Einschränkungen erreichen, manche fordern den Rücktritt von Ministerpräsident Justin Trudeau, auch wenn in Kanada die Provinzen für die Gesundheitsmaßnahmen verantwortlich sind. "Sie machen immer das Gleiche, und es bringt nichts", zitierte die "New York Times" eine Demonstrantin in Ottawa: "Sie müssen etwas ändern, keine Lockdowns mehr. Lasst uns unser Leben leben."

In Ontario ist das öffentliche Leben wegen der Corona-Schutzmaßnahmen seit fast zwei Jahren deutlich eingeschränkt. Zuletzt wurden am 31. Januar Maßnahmen gelockert. Privat dürfen sich nun 10 Personen in Gebäuden treffen, bis zu 25 unter freien Himmel. Bei den meisten Innenraumveranstaltungen sind die Kapazitäten halbiert. Gäste müssen einen Impfnachweis vorzeigen, singen und tanzen dürfen sie nicht. Für den 21. Februar hat die Provinzregierung weitere Lockerungen angekündigt - unter Vorbehalt aktueller Covid-Entwicklungen.

Die potenziellen Auswirkungen der Lkw-Blockaden sind enorm. Allein über die Ambassador Bridge werden sonst täglich Waren im Wert von etwa 323 Millionen Dollar transportiert. Auf das Jahr gerechnet sind das etwa ein Viertel des Gesamthandelsvolumens der beiden Länder. Laut der US-Regierung sind die Blockaden eine Gefahr für die Lieferketten der Autoindustrie. Erste Folgen spürten die Unternehmen bereits, sagte Michigans Gouverneurin Gretchen Whitmer. Detroit ist das Herz der US-Autoindustrie, hier sind Fabriken von Ford, General Motors und Chrysler ansässig. Zudem nutzen 40.000 Berufspendler täglich den Übergang. Viele fahren nun durch den nahen Tunnel, um über die Grenze zu gelangen.

In Kanada sind knapp 80 Prozent der Bevölkerung zwei Mal geimpft, mehr als in Deutschland. Von den demonstrierenden Lkw-Fahrern sind nach Angaben der kanadischen Trucker-Gewerkschaft CTA nur 10 Prozent ungeimpft. Die Organisation verurteilte die Proteste. "Viele von denen, die dagegen protestieren, dass ihr Leben von bestimmten Regeln gestört wird, stören mit ihren Aktionen ironischerweise die Leben ihrer kanadischen Landsleute", sagte Gewerkschaftspräsident Stephen Lakowski. Die einen sehen sich unterdrückt von den Corona-Auflagen der Regierung. Die anderen terrorisiert von einer Minderheit. An dem Wochenende, als die Blockade in Ottawa begann, sprachen sich 54 Prozent der Kanadier für ein Ende der allgemeinen Beschränkungen aus - die Menschen sollten sich selbstverantwortlich isolieren, falls sie gefährdet sind.

Eine Crowdfunding-Kampagne einer der koordinierenden Protestgruppen hatte zunächst eine Million Dollar finanzielle Unterstützung aus aller Welt erhalten, bevor die Plattform GoFundMe die Aktion stoppte. Nun sammelt der Konvoi auf einer anderen Website weiter, dem "Marktführer des christlichen Fundraising". Bislang sind dort 8,25 Millionen US-Dollar des Finanzierungsziels 16 Millionen Dollar zugesagt worden. Bei einer weiteren Aktion namens "Adoptiere einen Trucker" sind bereits mehr als 670.000 kanadische Dollar zusammengekommen. Das Geld soll laut Initiatoren nur Kosten decken; Benzin, Lebensmittel und eventuell anfallende Anwaltskosten für die teilnehmenden Lkw-Fahrer.

"Volkskonvoi" in den USA

Unterstützer nahe der Brücke

Unterstützer nahe der Brücke

(Foto: REUTERS)

Die Proteste taugen offenbar auch international zum Katalysator für Unzufriedene. Vor allem im Nachbarland. Am 4. März soll von Kalifornien aus ein Lkw-Konvoi in Richtung US-Hauptstadt rollen, um Impfauflagen und Mund-Nasen-Schutz-Regelungen loszuwerden. Einer der Organisatoren des "Volkskonvois" war bereits beim einflussreichen rechtskonservativen TV-Moderator Tucker Carlson auf Fox News zu Gast, die Facebook-Gruppe hat fast 60.000 Mitglieder. Sie halten die derzeitigen Maßnahmen für verfassungswidrig und fordern die "Wiederherstellung unserer Rechte".

Die Unterstützer haben deutliche Verbindungen ins rechte politische Lager, auch wenn sie selbst erklären, sie seien unparteiisch. "Dies hat besorgniserregende Parallelen zum Vorfeld der Ausschreitungen des 6. Januar 2020", wird ein Extremismus-Analyst von "Politico" zitiert. Nun komme es darauf an, wie es endet, sollte der Konvoi Washington D.C. erreichen. Von den Republikanern sind die Proteste in Kanada dankbar aufgegriffen worden. Ex-Präsident Donald Trump veröffentlichte vergangene Woche eine Mitteilung, der "verrückte Linksaußen Trudeau hat Kanada mit seinen verrückten Covid-Einschränkungen zerstört".

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Die Unterstützung weiterer US-amerikanischer Konservativer hat die weltweite Aufmerksamkeit gefördert. In Frankreich und anderen europäischen Ländern gibt es vereinzelte Nachahmungsaktionen von Lkw-Fahrern, die sich für ein Ende der Corona-Gegenmaßnahmen einsetzen wollen. Am 14. Februar sollten die Proteste aus der ganzen EU in Brüssel münden. Die städtischen Behörden wollen den Konvoi jedoch an den Stadtgrenzen auflösen lassen. Demnach ist keine Anmeldung für eine Demonstration eingegangen. Auch die Polizei von Paris hat die Aktion der Trucker offiziell untersagt.

In Kanada ist der Protest weiterhin im Gange. Ottawas Bürgermeister Jim Watson zeigte wenig Verständnis für die Demonstranten: "Sie leben in einer Parallelwelt, die keinen Sinn ergibt", sagte er. "Sie machen sich lächerlich. Ich denke, sie sollten sich auf den Weg zurück nach Hause machen und den Menschen ihre Stadt zurückgeben." Watson sieht allerdings keine Anzeichen, dass der Protest bald enden würde. Einer der Organisatoren sagte, die Trucker seien "sehr geduldig" und die Regierung unterschätze ihr Durchhaltevermögen eklatant. An den vergangenen beiden Wochenenden waren zudem Unterstützer der Fahrer auf die Straße gegangen - das könnte sich am Samstag und Sonntag wiederholen.

Quelle: ntv.de

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