Zentrales Problem der Armee Borrell: Ukraine braucht Munition "jetzt" - und sie braucht "viel"
10.02.2024, 14:43 Uhr Artikel anhören
Die Ukraine hat zu wenig Munition zur Verteidigung gegen die russische Armee.
(Foto: picture alliance / Photoshot)
Der Ukraine geht die Artilleriemunition aus - und Politiker von CDU, SPD, Grünen und FDP schlagen Alarm. Der EU-Außenbeauftragte Borrell hält Käufe außerhalb von Europa auch für "eine Möglichkeit". Er habe "nichts dagegen, die Geschosse wo auch immer zu kaufen".
Die Versorgung der Ukraine mit Artilleriemunition des Kalibers 155 mm könnte einer neuen Studie zufolge wegen der Haushaltsblockade im amerikanischen Kongress unter ein kritisches Minimum fallen. Fachleute und Politiker aus Deutschland und der EU haben deshalb in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" vorgeschlagen, Munition amerikanischer Hersteller notfalls mit europäischem Geld zu bezahlen. Sie fordern außerdem, Lieferungen an Drittländer zu stoppen, um alle Geschosse der Ukraine geben zu können. Zu ihnen gehören der Beauftragte der EU für Außenpolitik, Josep Borrell, sowie die Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter, Michael Roth, Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Robin Wagener.
Der akute Engpass bei der Munitionsversorgung der Ukraine geht aus Berechnungen des Militärexperten Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations (ECFR) und des Publizisten Marcus Welsch hervor. Sie schätzen, dass die Ukraine für eine "minimale Verteidigung" mindestens 5000 Standardgeschosse pro Tag brauche. Rechne man aber die für dieses Jahr angekündigten Lieferungen aus Amerika und Europa zusammen, komme man jetzt schon auf nur 3600 Schuss pro Tag.
Falls Amerika ausfalle, könne der Nachschub 2024 auf "unter 3000 Schuss pro Tag rutschen", also auf nur 60 Prozent des Minimalbedarfs. Damit bleibe die Versorgung mit Artilleriemunition "derzeit das zentrale Problem der ukrainischen Armee." Die EU müsse deshalb erstens Lieferungen an Dritte begrenzen und zweitens notfalls aus eigenen Mitteln "in den USA Munition kaufen, um die Lücke zu füllen".
Der CDU-Politiker Kiesewetter, der stellvertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, kommentierte diese Forderungen mit den Worten, er unterstütze die Autoren "in jeder Hinsicht". Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, der SPD-Politiker Roth, stellte fest, die zugesagten Hilfen aus der EU würden "kaum ausreichen" falls die USA "komplett ausfallen" sollten. Deshalb müsse man erwägen, "Munitionskäufe in den USA und in anderen Nicht-EU-Ländern zu finanzieren". Für die Grünen stellte der Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe, Wagener, fest, "der Zukauf von Munition aus Partnerländern" gehöre "auf die Tagesordnung".
Borrell: Bestellungen aus Drittländern umleiten
Der EU-Außenbeauftragte Borrell teilte der FAS mit, Käufe außerhalb Europas seien "natürlich auch eine Möglichkeit". Er habe "nichts dagegen, die Geschosse wo auch immer zu kaufen". Die Ukraine jedenfalls brauche sie "jetzt", und sie brauche "viel". Borrell will aber vor allem erreichen, dass mehr Munition europäischer Hersteller tatsächlich in die Ukraine geliefert wird. Im Augenblick werde nämlich "ein wichtiger Teil der europäischen Produktion an Drittländer exportiert". Die "schnellste und effizienteste" Methode, um die Lieferungen an die Ukraine zu steigern, bestehe deshalb darin, "Bestellungen aus Drittländern in die Ukraine umzuleiten".
Kiesewetter schloss sich dieser Forderung an, und auch Roth äußerte, Lieferungen an Dritte sollten hintangestellt werden, um "die gesamten Überschusskapazitäten in der EU an die Ukraine zu schicken". Für die FDP verlangte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Strack-Zimmermann, man müsse "mögliche US-Ausfälle so gut wie möglich kompensieren und die Ukraine-Unterstützung priorisieren". Wagener von den Grünen ließ wissen, die Lieferungen an die Ukraine müssten "absolute Priorität haben. Es wäre ein Skandal, wenn die Ukraine ihr Land aufgeben müsste, während sich andernorts die Depots füllen."
Zur Finanzierung schlägt Roth vor, bei einem Ausfall der USA müsse die EU eine "gemeinsame Schuldenaufnahme nach dem Vorbild des Corona-Wiederaufbaufonds prüfen, um die europäische Rüstungsproduktion noch schneller hochzufahren und die Finanzierung der Ukraine langfristig zu sichern".
Quelle: ntv.de, ghö