Politik

Merkels Kabinettliste Dieses war der dritte Streich

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Nur noch zwei Hürden liegen vor ihr, eine davon ist leicht zu nehmen: der CDU-Parteitag am Montag und das SPD-Mitgliedervotum, dessen Ergebnis am kommenden Sonntag bekanntgegeben wird.

(Foto: REUTERS)

Eine neue, allseits respektierte Generalsekretärin, Jens Spahn im Kabinett und eine deutliche Verjüngung: Am Vorabend des CDU-Parteitags hat Kanzlerin Merkel sich Luft verschafft. Wenn auch auf Kosten einstiger Mitstreiter.

Sie selbst sei "im Augenblick die einzige, die das 60. Lebensjahr schon überschritten hat", sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel, als sie bekanntgibt, wer für die CDU in ihrem nächsten Kabinett sitzen wird. "Alle anderen sind knapp oder sehr deutlich darunter."

Eine "Neuaufstellung" hatte Merkel versprochen. Und sie hat Wort gehalten. Der Sonntagabend ist der dritte Streich innerhalb einer Woche: Am Montag hatte die Kanzlerin mitgeteilt, dass die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer neue CDU-Generalsekretärin werden soll. Am Samstagabend wurde bekannt, dass Merkel-Kritiker Jens Spahn dem künftigen Kabinett angehören wird. Für den Sonntag hat Merkel sich eine etwas weniger spektakuläre Überraschung aufbewahrt: Die 46-jährige Bundestagsabgeordnete Anja Karliczek wird Bildungsministerin. Dass Julia Klöckner Ministerin wird, war so erwartet worden.

Jens Spahn

Geboren 1980 in Ahaus im Münsterland, 1999 Abitur, danach Banklehre in Münster, 2003 bis 2017 Politologie-Studium an der Fernuniversität Hagen, Abschluss 2017 mit dem Master of Arts.

Eintritt in die Junge Union 1995, Vorsitzender der Jungen Union im Kreis Borken von 1999 bis 2006. Eintritt in die CDU 1997, seit 2005 Vorsitzender des Kreisverbands Borken. Mitglied des Stadtrats von Ahaus von 1999 bis 2009. Seit 2002 Bundestag, von 2009 bis 2015 gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, seit 2014 Mitglied im CDU-Präsidium, 2015 parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Im Dezember 2017 Heirat seines Lebensgefährten.

Drei Coups, drei Signale: Kramp-Karrenbauer hat zwar ein eher liberales Profil, ihr wird jedoch auch von Konservativen zugetraut, die von Merkel aufgegebene Balance der Flügel wiederherzustellen. Zudem will sie eine Diskussion über ein neues Grundsatzprogramm starten, die inhaltliche Erneuerung der Partei also vorantreiben. Spahns Aufnahme ins Kabinett bedeutet, dass der konservative Flügel nicht mehr ignoriert wird. Die Berufung von Karliczek schließlich steht für die Verjüngung der CDU.

Karliczek ist zwar neun Jahre älter als Spahn. Aber aus Merkels Sicht verkörpert der 37-Jährige vermutlich eher den konservativen Flügel. Wie er kommt Karliczek aus dem Münsterland; sie vertritt den Wahlkreis Steinfurt III, der gleich neben Spahns Wahlkreis liegt. Erst kürzlich wurde sie zur parlamentarischen Geschäftsführerin der Unionsfraktion gewählt. Man kann Karliczek durchaus als Gegengewicht zu Spahn sehen. Aus der CDU im Münsterland heißt es, Karliczek sei "kreuzloyal" zur Kanzlerin.

Für Merkel ist die Erneuerung "schmerzhaft"

Opfer der Verjüngung ist der bisherige Gesundheitsminister Hermann Gröhe, er scheidet aus dem Kabinett aus. Der bisherige Innenminister Thomas de Maizière hatte sein Ressort bereits in den Koalitionsverhandlungen an CSU-Chef Horst Seehofer verloren.

Merkel macht kein Geheimnis daraus, dass ihr die Abschiede wehtun. Mehrfach spricht sie von "schmerzhaften Veränderungen" und "schmerzhaften Entscheidungen". Gerade Gröhe gehört zum Kreis von Merkels Vertrauten, dessen Gewicht derzeit merklich schwindet. "Ein Wegabschnitt geht einfach zu Ende", sagt sie über das Ausscheiden von de Maizière und Gröhe, das sei "traurig".

Allerdings wird sie auch im künftigen Kabinett, neben Karliczek, loyale Minister haben. Der bisherige Kanzleramtschef Peter Altmaier übernimmt das Wirtschaftsministerium. Ursula von der Leyen bleibt Verteidigungsministerin. CDU-Vize Klöckner wird Landwirtschaftsministerin. Helge Braun, bislang Staatsminister im Kanzleramt, rückt auf und wird neuer Kanzleramtschef.

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Spahn am Nachmittag auf dem Weg zur Präsidiumssitzung der CDU.

(Foto: REUTERS)

Ihre neuen Minister stellt Merkel alphabetisch vor - und vergisst nicht, darauf hinzuweisen, dass alles davon abhängt, dass erst der CDU-Parteitag an diesem Montag dem Koalitionsvertrag zustimmt und dann auch das Mitgliedervotum der SPD "positiv" endet. Jedes künftige Kabinettsmitglied bekommt ein paar Anmerkungen. Über Anja Karliczek sagt Merkel, sie sei das lebendige Beispiel, wie man Familie, Beruf sowie akademische Bildung "auf neuen und ungewohnten Bildungswegen sehr, sehr gut vereinbaren kann". Karliczek hat als dreifache Mutter im Fernstudium Betriebswissenschaften studiert. Das zeuge "von klarem Willen", lobt Merkel.

Spahn wird viel zu tun haben

Zu Ursula von der Leyen sagt Merkel, jeder wisse, dass das Verteidigungsressort "alles andere als einfach" sei. Von der Leyen habe eine Vielzahl von Reformen angestoßen. "Die Reformen sind noch nicht beendet, und deshalb ist es gut, wenn Ursula von der Leyen ihre Arbeit fortsetzt, und sie wird meine ganze Unterstützung haben."

Dann ist Spahn an der Reihe. Merkel begründet die Wahl vor allem fachlich: Spahn habe, bevor er parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium wurde, "viele Jahre in der Gesundheitspolitik gearbeitet". Im Koalitionsvertrag stünden "eine Vielzahl von Aufgaben" für dieses Ressort. Sie halte Spahn "für sehr, sehr gut geeignet", diese Themen anzugehen. Man kann dies so verstehen: Spahn wird viel zu tun haben, er wird den Koalitionsvertrag der ungeliebten GroKo abarbeiten müssen - in einem Ministerium, in dem man sich kaum als Vertreter des konservativen Flügels profilieren kann. Mit Aktionen wie 2016, als er daran beteiligt war, auf einem CDU-Parteitag eine Mehrheit gegen die doppelte Staatsbürgerschaft zu organisieren, dürfte jetzt Schluss sein.

Dass es keine Kabinettsmitglieder aus Ostdeutschland gibt, spielt Merkel herunter. Sie verweist darauf, dass sie selbst ja aus dem Osten komme. Ihr Wahlkreis liege "im Zentrum all der Probleme, denen wir uns in den neuen Bundesländern zu stellen haben". Sie habe "sehr dafür geworben, dass das Amt der Bundeskanzlerin als Teil der Regierung durchgeht". Außerdem, so deutet sie an, werde es ja noch Staatssekretäre geben.

"Die Debatten zeigen erste Erfolge"

Bei ostdeutschen Vertretern der CDU kommt Merkels Kabinettliste trotz fehlender Ost-Minister gut an. "Angela Merkel ist erneut einen großen Schritt auf die Partei zugekommen", sagt der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring n-tv.de. "Mit der Berufung von Julia Klöckner, Jens Spahn, Helge Braun und Anja Karliczek bekommen gleich vier Vertreter der jüngeren Generation das Vertrauen, sich fachlich zu beweisen. Die Kanzlerin ist am Beginn ihrer vierten Amtszeit freier denn je."

"Die Debatten der letzten Wochen zeigen erste Erfolge", kommentiert der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, der zum Spahn-Flügel zählt. Zugleich macht er klar, dass die Erneuerung weitergehen muss. "Es ist gelungen, ein überzeugendes Team aus erfahrenen Köpfen und neuen Impulsgebern zu präsentieren und damit zugleich die Breite der Volkspartei CDU darzustellen. Jetzt wird es aber auch darauf ankommen, inhaltlich neue Akzente zu setzen und ein klares Profil zu zeigen, damit die Union wieder erkennbar wird und sich in einer Großen Koalition gut behaupten kann."

Über die Kabinettliste wird auf dem CDU-Parteitag an diesem Montag in Berlin nicht entschieden, die ist allein Sache der Kanzlerin. Sie dürfte die anstehende Diskussion damit jedoch deutlich entschärft haben. Gelöst sind die Probleme der CDU zwar noch nicht. "Die Kanzlerin ist in ihrer Partei mittlerweile in einer Weise angeschlagen, wie es in ihrer Amtszeit bisher noch nicht der Fall war", sagt der Politologe Timo Lochocki. "In ihrer jetzigen Verfassung ist die CDU ein Scheinriese. Sie muss schnellstmöglich ein Grundsatzprogramm entwickeln, das konservative und liberale Positionen verbindet." Doch immerhin hat Merkel Ruhe in die Debatte gebracht. Vielleicht wird das neue Grundsatzprogramm ihr nächster Streich.

Quelle: ntv.de

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