Politik

CDU-Sprecher Jung im Interview "Es droht eine Erneuerbaren-Bremse"

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Andreas Jung setzt sich in der CDU wie kaum jemand anders für mehr Klimaschutz ein. Er ist stellvertretender Bundesvorsitzender und Sprecher für Klimaschutz und Energie.

(Foto: picture alliance/dpa)

Andreas Jung setzt sich als Umweltpolitiker seit Jahren in der CDU für mehr Klimaschutz ein. Im Interview mit ntv.de sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende, wo er Lücken bei Gas- und Strompreisbremse sieht, was er von Klimaklebern hält und wie die Fraktion auf Angela Merkel zurückblickt.

ntv.de: Wie sparen Sie Gas?

Andreas Jung: Wir haben Zuhause das gemacht, was empfohlen wird: Die Heizung haben wir optimal einstellen lassen, auch sonst auf Energieeffizienz getrimmt und wir heizen sparsam.

Tun die Menschen genug?

Die Menschen sparen und leisten damit einen wichtigen Beitrag. Es ist wichtig, dass wir jetzt nicht nachlassen. Als der Frost zugeschlagen hat, wurde das Energiesparziel nicht erreicht. Das zeigt, wir brauchen noch mehr konkrete Anreize: Etwa mit einem Handwerkergutschein über 100 Euro, um möglichst viel Heizungsoptimierung anzustoßen: Nach Angaben der Bundesnetzagentur kann man damit bis zu 20 Prozent Einsparung erreichen. Auch mit Blick auf das nächste Jahr ist das wichtig: Der nächste Winter könnte noch kritischer werden als dieser.

Der Bundestag hat die Gas- und Strompreisbremse beschlossen. Reicht das aus Ihrer Sicht aus?

Die Preise für Gas und Strom müssen begrenzt werden - aber auch für Flüssiggas, Öl und Pellets, für Privathaushalte und für die Wirtschaft. Erhebliche Lücken bleiben nun bei den Betrieben. Für Mittelstand und Handwerk gibt es keinerlei Unterstützung bei hohen Belastungen durch Preissprünge bei Flüssiggas, Öl und Pellets. Lediglich für Privathaushalte wurde hier nachgebessert. Eine Bäckerei etwa, die auf nachhaltige Pellets umgestellt hat, fällt durch jedes Raster. Für weite Teile der Industrie droht durch hohe Hürden und Obergrenzen die Wirkung der Preisbremsen ins Leere zu laufen: Das liegt auch an europäischen Vorgaben, die Ampel hat aber national nochmal draufgesattelt - und weicht damit von den Empfehlungen der Gaskommission deutlich ab. Unsere industrielle Substanz steht auf dem Spiel. Deshalb muss die Bundesregierung nachbessern und in Brüssel nachverhandeln.

Aber die Industrie bekommt immerhin einen Gaspreis von sieben Cent.

Auch 7 Cent sind etwa eine Verdopplung des Industriepreises. Wir kritisieren aber nicht diese Regelung an sich. Durch die hohen Hürden wird es aber viele Unternehmen geben, die von dieser Bremse gar nicht profitieren können. Sie zahlen dann eben nicht die 7 Cent pro Kilowattstunde, sondern den aktuellen Marktpreis. So werden etwa zu hohe Anforderungen an den Rückgang des Gewinns gestellt. Ein weiterer Kern unserer Kritik ist zudem die Umsetzung der Abschöpfung sogenannter "Zufallsgewinne". Dadurch droht ein Kollateralschaden für die Energiewende, eine Erneuerbaren-Bremse.

Inwiefern?

Mit dem Osterpaket soll der Ausbau der erneuerbaren Energien schneller werden. Die Abschöpfung so wie sie jetzt gestrickt wurde, führt zum Gegenteil. Statt realer Gewinne werden fiktive Beträge abgeschöpft. Schon jetzt werden Investitionen zurückgestellt, auch in Photovoltaik und Windkraft. In der Erneuerbaren-Branche spricht man von einem "Schildbürgerstreich" der Ampel und Klagen werden eingereicht. Mitten in der Energiekrise setzt die Ampel wichtige Kapazitäten aufs Spiel. Was für Stabilität in der Krise sorgen soll, beschädigt so Energiesicherheit und Klimaschutz.

Was ist das Problem bei der Abschöpfung?

Wir kritisieren nicht generell, dass abgeschöpft wird, sondern wie es gemacht wird. Bei den Mineralölunternehmen werden tatsächliche Gewinne besteuert. Bei den Erneuerbaren dagegen kommt es gar nicht auf Gewinne an, sondern auf unterstellte Erträge. Die sind teilweise aber gar nicht da. So wird dann auch dort abgeschöpft, wo gar nichts ist. Der Begriff "Zufallsgewinne" ist damit Etikettenschwindel. Nehmen Sie die Bioenergie: Höheren Erträgen stehen hier höhere Kosten gegenüber, weil die Preise der Grundstoffe, die Produktionskosten gestiegen sind. Wenn zu viel abgeschöpft wird, dann wird die Produktion runtergefahren, Kapazitäten gehen verloren.

Auf der Zielgerade wurde nun nachgebessert, aber es bleibt eine Schieflage: Die Steinkohle wird wegen der auch dort gestiegenen Kosten komplett ausgenommen, bei nachhaltiger Bioenergie dagegen gelten komplexe Regelungen: Bei großen Biogasanlagen bleibt es bei der Abschöpfung. Gerade dort stehen aber erhebliche Kapazitäten auf dem Spiel. Restholzkraftwerken etwa wird generell die wirtschaftliche Grundlage entzogen. Wir setzen dem unser Modell entgegen: Abschöpfung nur, wo es wirklich Gewinne gibt und Besserstellung, wenn investiert wird. Wir brauchen Anreize für Investitionen statt neuer Deckel!

Ein verrücktes Jahr liegt hinter uns. Kohlekraftwerke wurden wieder hochgefahren, wir haben neue Gaslieferverträge - ist es ein verlorenes Jahr für den Klimaschutz?

Wir mussten in diesem Jahr Wege und Umwege gehen, die wir nicht mehr gehen wollten, wie etwa das Wiederhochfahren von Kohlekraftwerken. Das ist notwendig, weil alles getan werden muss, um einen Energiemangel abzuwenden. Ich kritisiere aber, dass Kohlekraftwerke für zwei Jahre hochgefahren werden, mit der Option es noch zu verlängern, Kernkraftwerke dagegen nur ein paar Monate länger laufen. Um es klar zu sagen: Ich stehe hinter beiden Grundsatzentscheidungen, Kohleausstieg und Ausstieg aus der Kernenergie. Aber jetzt geht es darum, in der Krise alle bestehenden Möglichkeiten noch einmal zu nutzen. Dann aber die CO2-arme Variante abstellen und die klimaschädliche Variante länger fahren, das passt unter dem Aspekt des Klimaschutzes einfach nicht zusammen.

Derweil bestimmen Klimakleber die Schlagzeilen. Haben Sie Verständnis für das Anliegen der Aktivisten?

Man muss klar trennen zwischen dem Anliegen und den Mitteln. Für das Anliegen Klimaschutz habe ich Verständnis. Aber ich habe nicht das geringste Verständnis für die von den Klimaklebern eingesetzten Mittel. Wir leben in einer Demokratie und haben alle Möglichkeiten, uns für Anliegen zu engagieren, auch demokratisch zu protestieren. Lange haben wir als Umweltpolitiker unterschiedlicher Parteien für ein Klimaschutzgesetz gekämpft. Warum konnten wir 2019 den Durchbruch erreichen? Auch weil ein großer öffentlicher Druck entstanden war, Klimaschutz war Thema Nummer 1 in der öffentlichen Wahrnehmung. Es gab Demonstrationen von Fridays for Future, YouTube-Videos, Aufrufe unterschiedlichster Gruppen. Das war nicht nur die junge Generation, sondern auch Eltern, Großeltern, auch viele in den Kirchen und anderswo, die die Erwartung formuliert haben: Ihr müsst mehr tun.

Als CDU hatten wir auch deshalb bei der Europawahl erhebliche Verluste, weil wir schlecht erklären konnten, wie wir die eigenen Ziele erreichen. Eine Konsequenz daraus war das Klimaschutzgesetz. Es wurden Dinge möglich, die vorher nicht gingen. Politisches Engagement in der Demokratie ist der Weg, etwas zu bewirken. Deswegen habe ich null Verständnis dafür, wenn Straftaten verübt, andere Menschen gefährdet oder Kunstwerke beschädigt werden. Das hilft auch dem Anliegen in keiner Weise: Da muss man eine sehr klare Linie ziehen. Politische Fortschritte erreicht man mit Werben um gesellschaftliche Mehrheiten, nicht mit strafbaren Grenzüberschreitungen.

Wie schaut man in der Fraktion auf Angela Merkel zurück? Sie wusste genau, was Klimawandel bedeutet und nun wird ihr vorgeworfen, zu wenig zustande gebracht zu haben.

Sie hat zu Ende ihrer Amtszeit selbst gesagt, dass bei allen Fortschritten angesichts der objektiven Situation noch nicht genug passiert ist. Aber man muss differenzieren. Sie war Umweltministerin, sie hat Kyoto verhandelt. Ihre Überzeugungen und diese Erfahrungen hat sie ins Kanzleramt mitgebracht. In ihren ersten Jahren hat sie viel für Klimaschutz bewegt, hier und international - sie wurde als Klimakanzlerin beschrieben. 2015 war sie maßgeblich am Erfolg des Pariser Abkommens beteiligt.

In der angesprochenen Situation 2019 hat sie dann sehr auf ein starkes Klimapaket gedrängt: Die nationale CO2-Bepreisung für Verkehr und Gebäude wurde durchgesetzt, 2021 haben wir Klimaneutralität 2045 gesetzlich festgeschrieben - und sind damit über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinausgegangen. Unser aller Versäumnis aber war, dass wir über die Bewältigung von Finanzkrise, Eurokrise und Flüchtlingsfrage den Klimaschutz nicht mit dem Nachdruck vorangebracht haben, der immer nötig gewesen wäre. Die Lehre daraus ist: Auch wenn es andere Krisen gibt, darf der Klimaschutz nicht hinten angestellt werden. In der Corona-Pandemie ist es dann gelungen, beides zusammenzubringen.

Aber der Ausbau der erneuerbaren Energien wurde immer langsamer.

Wir sind in diesen 16 Jahren beim Ausbau der erneuerbaren Energien erhebliche Schritte vorangekommen. Wahr ist aber auch: Es hätte noch schneller gehen müssen. Heute verstehen wir unsere Rolle nicht darin, als Opposition Sand ins Getriebe zu streuen, sondern sind im Gegenteil Antreiber: Beim Osterpaket haben wir ausschließlich Vorschläge gemacht, wie man noch weiter beschleunigen kann. Wie man nicht nur bei Sonne und Wind, sondern auch in der Breite bei Wasserkraft, Geothermie und Bioenergie vorankommt.

Haben in der CDU und CSU denn alle verstanden, wie dramatisch der Klimawandel ist?

Friedrich Merz sagt in nicht zu überbietender Klarheit, dass Klimaschutz eine herausragende Aufgabe ist. Auch in dieser Woche wieder. Da gibt es kein Vertun und das darf es auch nicht geben. Unser "C" steht ja für christliche Werte. Dann muss die Bewahrung der Schöpfung ein herausragendes Ziel sein. Klimaschutz muss deshalb im Wettbewerb um die besten Konzepte genauso Kernkompetenz der Union sein wie etwa Wirtschaft, Finanzen oder innere Sicherheit. Wir haben da manchmal Flanken geboten, das darf nicht mehr sein. Das ist für die Zukunftsfähigkeit der CDU entscheidend.

Wären Sie manchmal lieber bei den Grünen?

Nein. Ich bin Schwarz-Grüner - beim Fußball als Mitglied des VfR Stockach seit der E-Jugend. In der Politik bin ich aus Überzeugung Schwarzer und ich fühle mich in der CDU pudelwohl. Umwelt, Wirtschaft und Soziales zusammenzubringen, das ist heute die große Aufgabe - und das passt zur CDU. Es war der Gründungsgedanke der CDU, unterschiedliche Menschen zusammenzubringen, den Ausgleich zu suchen. So ist die soziale Marktwirtschaft entstanden. Jetzt geht es darum, die soziale Marktwirtschaft und konsequenten Klimaschutz zu verbinden, Wohlstand für alle und den Weg zur Klimaneutralität zusammenzuführen. Die soziale und ökologische Marktwirtschaft haben wir seit 1994 in unserem Grundsatzprogramm. Wir haben sie aber nicht immer konsequent umgesetzt. Wir müssen den Anspruch haben, die Partei der Nachhaltigkeit zu sein. In den letzten Jahren haben wir hierzu wichtige Konzepte entwickelt. Aber es wurde noch nicht alles umgesetzt. Darauf müssen wir jetzt aufbauen und inhaltlich weiter aufforsten.

Bei den Grünen würde das doch ähnlich klingen.

Es gibt dort auch viele, die ein sehr staatslastiges Verständnis haben und eher an die Planwirtschaft glauben als an den Markt und Innovation. Ich definiere mich aber nicht über die Abgrenzung von anderem. Ich bin in die CDU eingetreten, weil ich von der CDU überzeugt bin. Wir als Christdemokraten bekennen uns zu marktwirtschaftlichen Prinzipien. Die müssen wir nun mit der Ökologie zusammenbringen - die Stärke des Marktes und die Kraft der Natur. An dieser Aufgabe arbeite ich gerne mit.

Mit Andreas Jung sprach Volker Petersen

Quelle: ntv.de

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