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Scholz' Milliarden-Gießkanne Was Sie über die Strom- und Gaspreisbremse wissen müssen

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Die Energiepreisbremsen sollen bis April 2024 gelten.

(Foto: picture alliance / CHROMORANGE)

Die Idee kommt noch aus dem Sommer: Um Haushalte angesichts steigender Preise zu entlasten, sei eine "Strom-/Gaspreisbremse" denkbar, heißt es in einem Papier der SPD-Fraktion von Anfang September. Entsprechende Gesetze sollen nun, an diesem Donnerstag im Bundestag und am Freitag im Bundesrat, verabschiedet werden.

Die Energiepreisbremsen sind Teil des Ende September von Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigten "Doppelwumms", der dazu beitragen sollte, "dass jetzt schnell, zügig und für alle schnell feststellbar die Preise für Energie sinken". Wenn sie das tun, dann allerdings nicht, weil Strom- und Gaspreise "gebremst" würden, sondern weil der Staat mit einer Milliardengießkanne einspringt. Eigentlich müssten die Maßnahmen Energiesubventionen heißen.

Wie teuer sind die Energiepreisbremsen und woher kommt das Geld?

Bereits in der Doppelwumms-Pressekonferenz bezifferten Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner den für die Strom- und Gaspreisbremsen nötigen Abwehrschirm auf 200 Milliarden Euro.

Um diese Summe nicht in den normalen Haushalt einstellen zu müssen, hat die Bundesregierung den Wirtschaftsstabilisierungsfonds reaktiviert. Der WSF war im März 2020 ins Leben gerufen worden, um große Unternehmen zu stützen, die infolge der Corona-Krise in Schwierigkeiten geraten waren - etwa die Lufthansa.

Die 200 Milliarden soll der WSF noch in diesem Jahr aufnehmen, damit die Schuldenbremse 2023 zumindest offiziell wieder eingehalten werden kann. Die Union hat die Frage aufgeworfen, ob dieses Vorgehen verfassungsgemäß ist. Das Bundesverfassungsgericht dürfte darauf im kommenden Jahr im Rahmen eines Verfahrens, bei dem es nur am Rande um den WSF geht, eine Antwort geben.

Auch Erträge aus der Abschöpfung sogenannter Zufallsgewinne der Energiefirmen sollen für die Finanzierung genutzt werden. Wie hoch der Ertrag genau ausfallen wird, ist noch offen. In einem Papier von Ende November rechnete das Bundeswirtschaftsministerium damit, dass die Einnahmen aus der Abschöpfung von Zufallsgewinnen die Höhe der benötigten Mittel aus dem Bundeshaushalt "um mehrere Milliarden reduzieren".

Wer bekommt die Energiehilfen?

Von den Subventionen profitieren private Haushalte, kleine und mittlere Firmen sowie große Industrieverbraucher von Strom, Gas und Fernwärme. Die Preisbremsen für Haushalte sowie kleine und mittlere Firmen gelten ab März, wobei für Januar und Februar eine rückwirkende Entlastung geplant ist. Für Großunternehmen greift die Gaspreisbremse bereits ab Januar.

Die Regelung für private Haushalte und kleine und mittlere Unternehmen sieht so aus: Der Gaspreis wird für ein Kontingent von 80 Prozent des im September 2022 prognostizierten Jahresverbrauchs auf 12 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt. Bei Fernwärme sind es 9,5 Cent pro Kilowattstunde. Was darüber verbraucht wird, unterliegt dem normalen Marktpreis. Dies soll einen Anreiz schaffen, den Energieverbrauch zu senken. Ähnlich ist es beim Strompreis, der ebenfalls für einen Basisbedarf von 80 Prozent auf 40 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt wird. Außerdem müssen Gas- und Fernwärmekunden im Dezember keinen Abschlag zahlen. Die Preisbremsen sollen bis zum 30. April 2024 gelten.

Und Nutzer von Pellet- und Ölheizungen?

Die Ampelkoalition will Haushalte, die mit "nicht leitungsgebundenen Brennstoffen" heizen - dazu zählt neben Heizöl und Pellets auch Flüssiggas - ebenfalls entlasten. Die Einigung dazu kam allerdings gerade erst zustande und ist nicht Teil der Strom- und Gaspreisbremsen. Details sollen in einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern geklärt werden, die Auszahlung ist dann Ländersache.

Ist es nicht ungerecht, wenn auch Haushalte Hilfen bekommen, die diese gar nicht brauchen?

Die Ampel weist in ihren Gesetzentwürfen darauf hin, dass die erhaltenen Rabatte für jene Verbraucher steuerpflichtig sind, die noch den Solidaritätszuschlag zahlen müssen. Das sind die oberen zehn Prozent der Einkommensteuerpflichtigen. Aus Sicht der Bundesregierung ist so für "sozial fairen Ausgleich" gesorgt.

Kritiker sehen das anders. "Die Frage ist, ob die Hilfe bei den Menschen ankommt, die Hilfe brauchen", sagte die Chefin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Ramona Pop, der Deutschen Presse-Agentur. Diejenigen, die viel geheizt und viel verbraucht hätten, müssten meist nicht auf die Preise achten. "Diese bekommen nun mehr als diejenigen, die schon in der Vergangenheit sparsam unterwegs waren."

Ähnlich äußerte sich der Chef der Gewerkschaft Verdi, Frank Werneke: "Die soziale Balance der Maßnahmen stimmt nicht." Mieterinnen und Mieter mit niedrigem oder mittlerem Einkommen bekämen aufs Jahr gerechnet eine Unterstützung von einigen hundert Euro. "Besitzer eines großen Hauses mit höheren Verbräuchen werden gegebenenfalls mit mehreren tausend Euro unterstützt." Im kommenden Jahr sei es dringend erforderlich, Haushalte mit geringem bis mittleren Einkommen mit einem "Energiegeld" direkt zu unterstützen. Zur Finanzierung wäre es "absolut angemessen", so Werneke, bei Menschen mit hohen Einkommen einen Energie-Soli zu erheben oder den Spitzensteuersatz anzuheben.

Der Ökonom Rüdiger Bachmann argumentiert dagegen, es sei für die Bundesregierung nicht anders machbar gewesen. "Es stimmt zwar, dass es einen Zusammenhang zwischen Gasverbrauch und Einkommen gibt." Es könne sein, "dass einer viel Gas verbraucht, weil er einen Pool hat. Es kann aber auch sein, dass er in einer schlecht isolierten Wohnung sitzt, oder dass es sich um eine alte Witwe handelt, deren Haus eigentlich zu groß ist und die schnell friert."

Wie soll sichergestellt werden, dass Energieversorger die Preisbremsen nicht zum Abkassieren nutzen?

Nach Berechnungen von Check24 lag der durchschnittliche Strompreis im November für Haushalte mit einem Jahresverbrauch von 5000 Kilowattstunden bei durchschnittlich 42,7 Cent pro kWh. Im November 2021 waren es 31,6 Cent. Zum Jahresbeginn haben viele Energieerzeuger weitere Preiserhöhungen angekündigt - in der Regel auf mehr als 40 Cent pro kWh, auf die der Basisbedarf gedeckelt wird.

Der Verdacht liegt nahe, dass einige Anbieter hier abkassieren wollen. "Wir schließen nicht aus, dass das ein oder andere Unternehmen die Preisbremsen auch nutzt, um mehr zu erhöhen als unbedingt nötig", sagte der Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Udo Sieverding.

Um das zu verhindern, hat die Ampel ein "Missbrauchsverbot" in die Gesetzentwürfe aufgenommen. Sie enthalten eine Reihe von Maßnahmen, die das Bundeskartellamt gegen Unternehmen verhängen kann, die gegen das Verbot verstoßen. Vor allem enthalten sie eine Beweislastumkehr: Die Unternehmen müssen dem Bundeskartellamt nachweisen, dass die Erhöhung sachlich gerechtfertigt ist.

Sieverding bezweifelt, dass diese Regelung ausreicht. Es gebe zwar das Missbrauchsverbot. "Aber wer soll das ernsthaft überprüfen? Und außerdem konnten die Anbieter ja nun schon zum Januar erhöhen, bevor das Gesetz in Kraft tritt."

Welche Regeln gelten für große Unternehmen?

Für Industriekunden wird der Gaspreis pro Kilowattstunde ab Januar auf 7 Cent netto gedeckelt, bei Wärme auf 7,5 Cent netto, in beiden Fällen bezogen auf 70 Prozent des Jahresverbrauchs 2021. Beim Strom liegt der Preis für industrielle Kunden bei 13 Cent zuzüglich Steuern, Abgaben und Umlagen für 70 Prozent des bisherigen Verbrauchs.

Allerdings kritisiert der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Gaspreisbremse sei viel zu bürokratisch angelegt, sodass die Entlastungen zu spät oder gar nicht bei den energieintensiven Firmen ankommen könnten. Kritik kam auch vom Handelsverbands Deutschland (HDE). Verbandspräsident Alexander von Preen sagte der Funke-Mediengruppe, die staatlichen Hilfen würden zwar helfen. "Ein Problem für die Berechnung ist für uns der Bezugszeitraum 2021. Hier sollten wenigstens die Lockdown-Zeiten herausgerechnet werden."

Sollte es nicht einen europäischen Gaspreisdeckel geben?

Ja, schon. Aber hier gibt es keine Einigung - unter anderem, weil Deutschland blockiert. Denn der auf europäischer Ebene geplante Gaspreisdeckel ist anders angelegt als jener der Bundesregierung. Demnach soll der Preis für Gas bei 275 Euro pro Megawattstunde gedeckelt werden. Dies ist allerdings als echter Deckel geplant, nicht als Subvention. Die Ampelkoalition lehnt dies ab: Wirtschaftsminister Habeck nannte einen solchen Weg "extrem heikel", da so in einen Markt eingegriffen werde, der die Versorgung garantieren soll.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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